Geschichte des Jüdischen Friedhofs in Friedland (Niederlausitz)
Der jüdische Friedhof in Friedland ist der älteste jüdische Begräbnisort in der Niederlausitz, als solcher aber nicht mehr erkennbar. Anhand seiner alten Mauer und dem sehr alten Baumbestand lässt sich trotz starker Beschädigungen und einer zugewucherten Innenfläche dennoch erahnen, welche Bedeutung „Jüdisch Friedland“ einst besaß.
Im Zuge der Gemeindegründung baten die Friedländer Juden am 21. Januar 1719 ihren Schutzherrn, den Herrenmeister Prinz Albrecht Friedrich schriftlich um die Genehmigung wesentlicher Einrichtungen zur Ausübung ihrer Religion. Aufgrund der Bedeutung, die ein Friedhof im Judentum besitzt, stand an erster Stelle auch die Bitte, ihnen einen Ort oder eine Stelle anzuweisen, wo sie ihre Toten gemäß ihrer Tradition beerdigen konnten. Denn erst kurz zuvor hatten sie zwei ihrer verstorbenen Frauen ins 40 km entfernte Frankfurt bringen müssen, wo sich in der Dammvorstadt (heute Slubice) der nächste jüdische Friedhof befand. Und diese Überführung hatte den Friedländer Juden laut Amtmann Samuel Koch sehr viel Geld gekostet. Angesichts der Straßenverhältnisse und Transportbedingungen war solch eine Aufgabe ohnehin kräftezehrend. Der Beamte erklärte sich deshalb bereit, ihnen bei Genehmigung einen Platz in der nahe gelegenen Leißnitzschen Feldmark zuweisen zu wollen.
Dieser Platz befand sich dort, wo sich auch heute noch der Friedhof befindet – im Fichtholz auf der Grenzlinie zwischen Friedland und dem westlich der Stadt gelegenen Dorf Leißnitz. Aus der 1719 angefertigten „Specification der Juden, so dato im Städtlein Friedland leben“, ist zu erschließen, dass die Genehmigung umgehend eintraf und es mit Bendix Moses auch schon einen extra ausgewiesenen Totengräber gab. Das stete Wachsen der Gemeinde erforderte aber neben einem erweiterungsfähigen Begräbnisplatz auch entsprechendes Personal. 1780 gab es mit Levin Ascher und Moses Isaak daher zwei Totengräber.
Die Ausrichtung des „Judenkirchhofs“ erfolgte in Ost-West-Richtung. Wann er seine größte Ausdehnung erreichte, ist nicht bekannt, muss aber zwischen dem Anfertigen des Schmettauschen Kartenwerks 1781 und der Neuvermessung des Landes 1843 erfolgt sein. Als er 1856 mit 4.260 m2 als Eigentum der „Judengemeinde zu Friedland“ im Grundbuch eingetragen wurde, war die Jüdische Gemeinde jedoch schon im Niedergang begriffen.
Und auch der Friedhof hatte längst seine (über)regionale Bedeutung verloren. Denn mit der Eingliederung der Niederlausitz ins preußische Staatsgebiet 1815 infolge der Neuordnung Europas galten fortan die Gesetze Preußens. So waren nach Bestimmung des Königlichen Allgemeinen Polizeidepartements vom 20. Mai 1814 „diejenigen jüdischen Familien [gehalten], welche über eine Meile [= 7,532 km] von einem jüdischen Gemeindeorte entfernt wohnen, für einen Begräbnißplatz an Ort und Stelle zu sorgen.“ Sämtliche Polizeibehörden wurden angewiesen, auf die Einhaltung dieser Vorschrift zu achten. Insbesondere seien „bei herrschenden Epidemien […] Leichentransporte an der epidemischen Krankheit Verstorbener auch auf eine Entfernung von 1 Meile gar nicht zuläßig […].“
Die Juden aus Cottbus oder Luckenwalde legten sich daraufhin eigene Friedhöfe an und brauchten nicht mehr den beschwerlichen Weg nach Friedland nehmen. Neben der ohnehin einsetzenden Abwanderung ging mit dieser „Konkurrenz“ die Zahl der Beisetzungen und Besucher noch stärker zurück. Das führte dazu, dass der nun größtenteils unbeaufsichtigte Friedhof immer wieder Ziel schwerer Schändungen wurde, von denen selbst die regionale Presse mit Bestürzung berichtete. 1846 spendete darum der Bankier Amschel Mayer Rothschild aus Frankfurt (M.) 1.000 Gulden [≈ 13.400 €], damit fortan eine massive Mauer den Friedhof in Friedland schützt. Ein umfassender und nachhaltiger Schutz war damit jedoch nicht gewährleistet, wie weitere Presseberichte informierten.
Aus erhalten gebliebenen Personenstandsregistern geht hervor, dass es allein zwischen 1817 und 1855 insgesamt 58 Todesfälle gab, von denen 23 eindeutig in Friedland begraben wurden. Vorsichtigen Schätzungen zufolge fanden hier bis 1921 ungefähr 300 jüdische Bestattungen statt. Und auch danach gab es vereinzelt weitere Beisetzungen von Juden aus der Umgebung.
Bedingt durch das Erliegen jüdischen Lebens in Friedland und dem nicht ausreichenden Schutz des Friedhofs war aber schon 1924 seine einstige Größe selbst unter jüdischen Würdenträgern unbekannt. Anders ist nicht zu erklären, warum der Synagogenvorsteher der Lübbener Hauptgemeinde Wilhelm Wolf nur den vorderen Bereich von 450 m2 anführt – und die von Rothschild gesponsorte zwei Meter hohe Friedhofsmauer.
In der NS-Zeit erfuhr der Friedhof dann seine gründlichste Schändung, die fast zu seiner Unkenntlichkeit führte. Verantwortlich hierfür waren Angehörige der Führerschule des Reichsarbeitsdienstes, die die mittelalterliche Burg in Friedland seit 1934 beherbergte. So wurden unzählige Grabsteine vom Friedhof entfernt und in einem nahen Naturgarten zur Wegbefestigung verbaut. Die vom NS-Regime installierte Reichsvereinigung der Juden musste das Friedhofsgrundstück 1939/1940 an die Stadt verkaufen, was in den folgenden vier Jahren offenbar zu seiner gründlichen Beräumung führte. Was mit den Grabmalen geschah, kann nur vermutet werden.
Nach 1945 blieb der Friedhof kommunales Eigentum, aber im Wesentlichen sich selbst überlassen. Er verfiel. Und erst als 1988 in der gesamten DDR die Vorbereitungen für Gedenkveranstaltungen zum 50. Jahrestag der Novemberpogrome begannen, kam es auch in Friedland zu Instandhaltungsarbeiten. Dazu gehörten die Reparatur und Stabilisierung der Feldstein- und Ziegelmauer sowie das Einsetzen von Zaunfeldern und die Erneuerung des Eingangstores durch eine örtliche Bauschlosserei. Mit diesem Zaun teilte man auch den vorderen Teilbereich des Friedhofs ab, der durch seine intakte Mauer gut erkennbar ist. Ob und in welchem Umfang auch die Mauer der riesigen und abgeräumten Erweiterungsfläche saniert wurde, ist bislang nicht bekannt.
Es dauerte aber noch einmal mehrere Jahre, bis die Stadt Friedland das zu NS-Zeiten geschehene juristische Unrecht endlich beseitigte: 1997 wurde der jüdische Friedhof an die Jüdische Gemeinde Land Brandenburg restituiert. Und am 2. April 2002 erfolgte seine Eintragung in die Denkmalliste des Landes Brandenburg.
Abgesehen von vier großen, in situ stehenden Granit-Grabmalen aus dem ersten Drittel des 20. Jh. und einigen Fragmenten lehnen seit einigen Jahren an der Südmauer des Friedhofs drei große, jeweils an ihrer oberen Kante abgebrochene Sandsteintafeln. Diese wurden an der Wende zum 21. Jh. durch Friedländer Einwohner im Stadtgebiet geborgen und zum Friedhof gebracht. Dazu gehört auch das Grabmal für den 1822 verstorbenen Rabbiner Aron Hirz Cohn, dessen Grabstelle jedoch nicht mehr lokalisierbar ist.
Es wäre schön, wenn für diese drei alten Grabmale eine gute Lösung gefunden würde, die über das aktuelle Provisorium hinaus geht. Außerdem sollte die stark beschädigte und nur noch rudimentär erhaltene Mauer um die Erweiterungsfläche grundlegend saniert werden. Denn auch wenn die Grabsteine geraubt wurden, so ruhen die Toten weiterhin unter der Erde. Und eine Tafel am Eingang sollte Besuchern einige Erklärungen zu diesem besonderen Ort anbieten.
Anke Geißler-Grünberg