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Geschichte der Jüdischen Gemeinde in Friesack


Foto: Sven Leist, Reprint 2011
Wohnhaus der Friesacker Familie Salomon um 1860

Erste jüdische Spuren lassen sich in Friesack bereits im ausgehenden 17. Jahrhundert nachweisen. So erhielt beispielsweise der Lehrer Isaac Jacob im Jahre 1698 einen Schutzbrief für diesen Ort. Seine Nachfahren, die Kaufmannsfamilie Salomon, waren bis in das 20. Jahrhundert in Friesack ansässig. Isaac Salomon und seine Ehefrau Taube/Täubchen verkauften schon in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts Kleiderstoffe in der Diele ihres Hauses am Markt/Ecke Dammstraße. Deren Kinder Eva, Hirsch und David zog es nach Berlin, die Tochter Henriette ließ sich in Potsdam nieder. Nur die Söhne Mendel und Schlaume blieben in Friesack. Der Ausbau des elterlichen Kurzwarengeschäftes durch Mendel Salomon erforderte schon bald einen Neubau in der Marktstraße 35, in dem sich heute eine Sparkassenfiliale befindet. In unmittelbarer Nachbarschaft befand sich der Gemischtwaren-Laden von Luis Cohn, der mit Buchbinderwaren, Nähseide, Suppentöpfen und Seife handelte.

Seine Blütezeit erlebte das Friesacker Judentum im 18. und vor allem im 19. Jahrhundert, wovon die Existenz eines Betraums, der Hebräisch-Schule, eines Friedhofs, einer Leihbibliothek und verschiedener Ladengeschäfte am Markt zeugen, deren Spuren jedoch im heutigen Stadtbild nicht mehr zu erkennen sind. Auch scheinen sich die ansässigen Juden aktiv am nichtjüdischen Gemeindeleben beteiligt zu haben. So war Mendel Salomon vermutlich sogar Gründungsmitglied der „Schützen-Gülde 1830“, dem Friesacker Schützenverein. Gemeinsam engagierten sich jüdische und christliche Friesacker in der im Jahre 1848 gegründeten Bürgerwehr.

Die Stiftung des Hirsch Salomon ist ein Zeugnis des sozialen Engagements. In seinem Testament von 1883 verfügte er konfessionsunabhängige jährliche Spenden an die Armen, die immer zum Geburtstag seiner seeligen Mutter Taube Salomon erfolgten. Diese Zuwendungen endeten erst mit der Weltwirtschaftskrise in den 1920er Jahren.

Die Synagogengemeinde Friesack-Rathenow mit Sitz in Friesack konstituierte sich im Jahre 1854, ihr gehörten auch die Juden von Rhinow sowie die der umliegenden Dörfer an. Ein eigenes Bethaus aus Holz und Fachwerk ließ die Friesacker Gemeinde bereits im Jahre 1838 auf dem Hinterhof der später als „Judengang“ bezeichneten Verbindungsstraße vom Markt zur Poststraße erbauen. Bis Taube Salomon das Gebäude im Jahre 1843 der Friesacker Gemeinde spendete, wurde dessen Unterhalt durch Beiträge finanziert. In der unteren Etage des zweigeschossigen Gebäudes befand sich die Wohnung des Kantors Wolff Oelsner, der sich zudem als koscherer Schlachter und Lehrer der Gemeinde betätigte. Auf sein Bestreben geht die Einrichtung einer Leihbibliothek im Jahre 1844 zurück. Nach 1881 hatte die Friesacker Gemeinde keinen eigenen Kantor mehr, dessen Wohnung wurde anderweitig vermietet und die Mieteinnahmen gelangten in die Gemeindekasse. Der Betraum soll bis in die 1920er Jahre genutzt worden sein. Dann ging das Gebäude in den Besitz der Stadt Friesack über, die es von 1930 bis 1965 als Wohnhaus nutzte und im Jahre 1975 abreißen ließ.

Ende des 19. Jahrhunderts kam es zum allmählichen Niedergang der Friesacker jüdischen Gemeinde, die bereits im Jahre 1890 keinen Minjan mehr aufbringen konnte, also zehn männliche Juden, um einen Gottesdienst abhalten zu können. Dem Selbständigkeitsbestreben der weitaus größeren Rathenower Gemeinde, die schon seit geraumer Zeit einen eigenen Friedhof und eine Synagoge unterhielt, war endlich Erfolg beschieden. Nachdem bereits ab 1885 die Wahlen in Rathenow stattfanden, wurde in den darauffolgenden Jahren auch der Sitz der Synagogengemeinde in diese wesentlich größere Stadt verlegt.

Zur Zeit des Nationalsozialismus lebten in Friesack nur noch wenige Juden, deren Schicksal nach 1933 nur unzureichend bekannt ist. Von der siebenköpfigen Familie des Pferdehändlers Jakob Ackermann überlebten den Holocaust vermutlich nur Kurt Ackermann durch seine Ausreise in die USA und sein Bruder Hans. Alfred Hochwald, der von Berlin nach Friesack gezogen war und hier mit seiner nichtjüdischen Frau eine Hundeschule gegründet hatte, überlebte den Holocaust versteckt auf einem Dachboden in Bergen (bei Celle, Niedersachsen). Die Spur der Familie Katarzynski, die ein Schreibwarengeschäft in der Berliner Straße betrieb, verliert sich in Friesack im Jahre 1938.

Nicole Schmitz

 

Literatur:

Arlt, Klaus [u.a.]: Zeugnisse jüdischer Kultur. Erinnerungsstätten in Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg, Berlin, Sachsen-Anhalt, Sachsen und Thüringen, Berlin 1992.

Weißleder, Wolfgang: Der gute Ort. Jüdische Friedhöfe im Land Brandenburg, Potsdam 2000.

Leist, Sven (Hrsg.): "Ferientage in Friesack". Reprint. Beiträge zur jüdischen Geschichte der Stadt Friesack, Nauen 2010/11.

Ders., "Der letzte Jude von Friesack". Das Grab des Sally Loweinsohn wurde wiederentdeckt, in: Friesacker Quitzow Kurier, 52/2014, S. 2.

http://www.aid-plus.de/HM13/jufr.htm [letzter Zugriff: 15.06.2017]

Haus der Brandenburg-Preußischen Geschichte/Moses Mendelssohn Zentrum (Hrsg.), Synagogen in Brandenburg. Auf Spurensuche, Potsdam 2013