Jüdischer Friedhof in Friedland (Niederlausitz)
Drei Bevölkerungsgruppen – Christen, Wenden und Juden – lebten seit Mitte des 17. bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts gemeinsam in der kleinen Stadt und Herrschaft Friedland am Tor zur Niederlausitz. Im Grenzgebiet zwischen Brandenburg und Sachsen gelegen, praktizierten die Bewohner ein gesellschaftliches Miteinander, dem Alfred Roggan und Tobias Preßler aufgrund ihrer Einzigartigkeit Modellcharakter zuschreiben. Im Volksmund sprach man von „Wendisch-Friedland“ und „Jüdisch-Friedland“.
Das Besondere war zudem das Nebeneinander von drei Herrschaften, deren jeweilige Interessen hier aufeinandertrafen und zum Ausgleich gebracht werden mussten: das Kurfürstentum / Königreich Sachsen, das Kurfürstentum Brandenburg / Königreich Preußen sowie der Johanniterorden in Person seiner, aus dem Haus der Hohenzollern stammenden Herrenmeister für die Ballei Brandenburg.
Unter Ägide des Ordens erholte sich die im Dreißigjährigen Krieg zerstörte Herrschaft nicht nur durch gezielte Wirtschaftsförderung und Besiedlungspolitik recht schnell, sondern gelangte durch die Schaffung von innerem Frieden zu einer einzigartigen Blüte. Die geistlichen Landesherren erreichten dies, indem sie vorausschauend und tolerant den alteingesessenen und zugewanderten Untertanen umfassende Glaubens- und Gewissensfreiheit gewährten. Und dies fand seinen kulturellen Ausdruck in der Anerkennung der jeweiligen Sprachen, der Nutzung eigener Gotteshäuser und Friedhöfe sowie in einem differenziertem Rechtsstatus. Das habe in Friedland keine Verteilungs-, Zukunfts- oder Besitzstandsängste aufkommen lassen – was aber lediglich auf das Verhältnis der Minderheiten zu ihren Herren zutraf und nicht auf das zur Mehrheitsgesellschaft.
Die politischen Veränderungen im Zeichen von Nationalstaatsbildung und Industrialisierung in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts bewirkten jedoch die Auflösung des Bewährten. „Wendisch-Friedland“ verschwand allmählich aus dem Bewusstsein und dem Stadtbild, ebenso wie „Jüdisch-Friedland“. Der einzige sichtbar gebliebene Hinweis bildet nur noch der stark beschädigte jüdische Friedhof nördlich der Altstadt.
Anke Geißler-Grünberg