Anlage des Jüdischen Friedhofs in Wriezen
Der jüdische Friedhof liegt am Ende des "Siedlungswegs"; man gelangt dorthin über die Freienwalder Straße und den Kastanienweg [GPS: 52.726989, 14.126447]. Die Friedhofsanlage zeigt sich heute in einem gut gepflegten Zustand. Sie ist von einer Mauer umgeben und bildet ein Rechteck von 44 mal 36 Metern. Rechts des Mittelwegs wurden alle Bäume gefällt; die z.T. gewaltigen Stümpfe sind noch sichtbar.
Es sind noch 131 Grabsteine mit Inschriften erhalten; außerdem sind weitere 18 Grabstellen als Bruchstücke oder Grabeinfassungen ohne Stein erkennbar; bei einem Grabstein fehlt die Inschriftplatte. Die Steine tragen eine Nummerierung; diese ist jedoch nicht chronologisch, sondern sie läuft, vom Eingangstor aus gesehen, von rechts vorn entgegen dem Uhrzeigersinn durch das Areal. Bei größeren Abständen zwischen den erhaltenen Steinen ist die Nummerierung unterbrochen.
Die Inschriften sind in der Mehrzahl noch gut lesbar, einige sind jedoch so stark verwittert, dass entweder nur noch Bruchstücke des Texts oder gar nichts mehr zu lesen ist. 83 Steine sind zweisprachig beschriftet und zwar fast ausschließlich so, dass die hebräische Inschrift auf der Südwest-Seite und die deutsche auf der Nordost-Seite steht. 22 Steine tragen nur eine hebräische und 23 Steine nur eine deutsche Inschrift. Auf drei Steinen befindet sich ein deutscher Text, der in hebräischen Buchstaben geschrieben ist (Steine 29, 64 und 66).
Der älteste erhaltene Grabstein (Stein 102) stammt aus dem Jahr 1773 und trägt den Namen "Selig Sohn des Ari Löw". Es handelt sich dabei um Selig Levin, Sohn des Levin Liebmann. Chronologisch folgt als nächstes das Grab von Wulff Benjamin aus dem Jahr 1784 (Stein 100).
Die Gräber von Selig Levin und Wulff Benjamin befinden sich in der hintersten Reihe auf der rechten Seite vom Mittelweg. Von da aus folgen die Steine nach vorne zu chronologisch aufsteigend (numerisch absteigend) bis zum Jahr 1880 in der zweiten Reihe vorn. Die erste Reihe trägt in unregelmäßiger Folge Sterbedaten von 1878 bis 1936.
Das Grab von Selig Levin von 1773 (Stein 102) und die zehn chronologisch darauf folgenden (bis 1828) tragen nur hebräische Inschriften und keine deutschen. Hinter dem Grab von Selig Levin erstreckt sich bis zur Mauer ein größeres freies Feld. Es ist anzunehmen, dass sich hier die ältesten Gräber aus dem 18. Jahrhundert befinden.
Im Jahr 1879 wurde ein zusätzliches Stück Land erworben. Es liegt auf der Hand, dass es sich dabei um den Bereich links vom Mittelweg handelt, denn hier beginnen die Grabsteine mit dem Jahr 1880. (Zur einzigen Ausnahme, dem Grabstein Nr. 123 von Salomon Marcuse aus dem Jahr 1865, s. die Dokumentation zu diesem Stein). Die Grabstellen folgen dann in der Reihenfolge der Nummerierung chronologisch aufsteigend, allerdings nicht immer fortlaufend.
Die älteren Grabsteine auf der rechten Seite sind in der Mehrzahl in der schlichten traditionellen Form gehalten. Sie sind meist niedrig (120-150 cm), ohne oder nur mit einem kleinen Sockel in die Erde eingelassen. Ihre Form ist hochrechteckig mit geradem, bogenförmigem oder dreiecksförmigem Abschluss. Nur wenige überragen die benachbarten Steine. Die Grabsteine auf der linken Seite (nach 1880) sind in der Mehrzahl deutlich höher als die älteren auf der rechten Seite, da sie fast alle auf einem Sockel von 60-80 cm Höhe stehen; die Gesamthöhe ist bei fast allen ca. 2 m. Dadurch ist auch hier das Ideal gewahrt, dass sich im Tode keiner über den anderen erheben soll.
Ausschmückungen der Grabsteine finden sich nur vereinzelt und fast ausschließlich bei den älteren Steinen. Es sind florale Muster, als Relief oder Rillendekor ausgeführt. Tierdarstellungen fehlen ganz.
Drei Tote wurden den Priestern zugerechnet, die ihre Abstammung von Aron, dem Bruder von Mose, ableiten. Dies wird durch die Darstellung der segnenden Hände, wie sie beim Priestersegen (4. Mose 6, 24-26) gehalten werden, ausgedrückt. Wir finden dieses Zeichen bei: Hirsch Elkan (Stein 29), Theodor Elkan (Stein 147) und Abraham Alexander (Stein 124).
Vier Stelen sind in Säulenform gehalten; die Inschriften befinden sich entweder auf der Säule oder im Sockel.
Brigitte Heidenhain