Geschichte des Jüdischen Friedhofs in Oderberg
Die seit dem Ende des 17. Jahrhunderts in Oderberg lebenden Juden errichteten um 1700 ihren Friedhof am Südhang eines zur Oder abfallenden steilen Sandhügels außerhalb der Stadt, auf dem „Mönkefeld“. Die wirtschaftliche Nutzlosigkeit dieses Grundstücks machte es möglich. 1786 wusste der Ortschronist Fischbach hierbei von einem besonderen Begräbnisplatz zu berichten.
Möglicherweise weist diese Hervorhebung auch auf eine Einmaligkeit Brandenburgs hin. Oberhalb des Jüdischen Friedhofs befindet sich nämlich mit dem „Oderberger Steinkreis“ ein außergewöhnliches Bodendenkmal. Zehn Findlinge bilden einen „Kreis“, der 1920 durch Gustav Fiddicke erstmals beschrieben und 1927 durch einen Aufsatz von Carl Dormeyer der Öffentlichkeit bekannt wurde.
Der von ihm vertretenen Überzeugung, es handele sich um eine urgeschichtliche Kultstätte, folgte auch der 1922 verstorbene Oderberger jüdische Arzt Dr. Ludwig Kempe. Das geht zumindest aus seinem Nachlass hervor: Im Umfeld des Friedhofes gefundene urgeschichtliche Scherben deutete er als Reste einstiger Urnengräber. Einer 1793 angefertigten Zeichnung zufolge waren 24 Findlinge außerdem so angeordnet, dass man die Umrisse eines Schiffes der Wikingerzeit erahnen konnte.
Grabungen im Umfeld des Jüdischen Friedhofes, die seit dem Ausgang des 19. Jahrhunderts und am „Steinkreis“ noch einmal Mitte der 1960er Jahre stattfanden, förderten Gefäßscherben der Bronze-, Eisen- und Jungsteinzeit zu Tage. Sie belegen lediglich das Vorhandensein von Wohnplätzen; ein Grabfeld fand man hingegen nur außerhalb des Friedhofs.
Auch wenn sich Dormeyers Annahme bis heute großer Beliebtheit erfreut, erwiesen ist sie bislang nicht. Das begründet Eberhard Kirsch in seinem kürzlich erschienen Aufsatz auf überzeugende Weise. Seine Schlussfolgerung aber, dass die unbeschrifteten Findlinge jüdische Grabsteine aus dem frühen 18. Jahrhundert sind, wäre eine absolute Ausnahme. Dem steht auch die Praxis gegenüber, zur Kenntlichmachung eines Grabes wenigstens den Namen des Verstorbenen einschlagen zu lassen. In Brandenburg konnte dies u.a. für Spandau, Frankfurt/Oder (Słubice), Tirschtiegel (Trciel) und Schwerin a.W. (Skwierzyna) gezeigt werden.
Auf dem Friedhof begruben aber nicht nur die Juden Oderbergs ihre verstorbenen Angehörigen, sondern auch die aus dem 20 km entfernten Angermünde. Das geht aus einem Verbot hervor, das 1709 in Reaktion auf den Ausbruch der Pest erlassen worden war. Erst 1884 erfolgte die Eintragung der Synagogengemeinde zu Oderberg als Eigentümerin des Geländes im Grundbuch.
Die Hanglage machte es erforderlich, Terrassen für die einzelnen Grabflächen anzulegen. Das ist für Brandenburg ebenfalls einzigartig. Jedoch blieb kein Grabstein aus seiner Anfangszeit erhalten. Ob die auf der Bergkuppe stehenden Findlinge dazugehören, konnte bislang nicht erwiesen werden. Der älteste Grabstein ist Trudchen Simon gewidmet, die 1841 in Oderberg starb. Die wahrscheinlich letzte Beisetzung fand mit Berta Lindenberg Ende 1933 statt.
Da alle Juden Oderberg bereits vor den nationalsozialistischen Novemberpogromen 1938 verlassen hatten, blieb der Friedhof ungeschützt zurück. Er wurde mehrfach geschändet, die Grabsteine auf einen Haufen geworfen. Als jüdischer Immobilienbesitz gehörte er ab Juli 1939 zum Eigentum der unter Zwang gebildeten Reichsvereinigung der Juden in Deutschland. 1944 wurde sie gezwungen, den Jüdischen Friedhof auf dem „Mönkefeld“ an die Stadt Oderberg zu verkaufen – für 100 RM.
Nach Ende des Krieges 1945 übernahmen mehrere Bürger Oderbergs die ehrenamtliche Aufgabe, den verwaisten und zertrümmerten Friedhof wieder in einen würdigen Zustand zu versetzen. Sie befestigten die erhalten gebliebenen Grabsteine an ihren ursprünglichen Standorten. Bekannt ist, dass ab Mitte der 1950er Jahre ein einzelner Oderberger Einwohner den Friedhof liebevoll pflegte – und sich für den Erhalt der Gesamtanlage und der Grabsteine einsetzte. 1993 übernahm eine Berliner Familie die Verantwortung für die Pflege des Friedhofs. Bis 1995 wurden dank vieler Spenden etliche Grabsteine restauriert und ein schützender Zaun mit Toreinfahrt gezogen. Unterstützung kam hierbei von der evangelischen Jungen Gemeinde. Im Jahr 2001 pflanzten Schüler einer 7. Klasse Bäume und Büsche und verlegten einen Davidstern.
Im Jahr 2000 wurden 45 Grabstellen gezählt; 2013 waren es noch 36 Grabstellen. Heute steht der Jüdische Friedhof von Oderberg unter Denkmalschutz und wird durch die Friedhofsverwaltung des Amtes Britz-Chorin-Oderberg betreut.
Anke Geißler-Grünberg