Geschichte der Juden in Wusterhausen/Dosse
Bereits im Mittelalter war Wusterhausen aufgrund seiner geografischen Lage ein Knotenpunkt wichtiger Handels- und Reisewege. Nicht nur christliche Pilger ins nahe gelegene Bad Wilsnack, sondern vor allem Händler, die im europäischen Geschäft mit Salz unterwegs waren, bescherten der Stadt wirtschaftlichen Aufschwung und strategische Bedeutung. Die brandenburgischen Kurfürsten sicherten sich den dauerhaften Zugriff, indem sie Wusterhausen unter ihre Herrschaft stellten.
Der Salzhandel brach in der Frühen Neuzeit ein und Wusterhausen entwickelte sich zu einer Handwerker- und Ackerbürgerstadt. Auch wenn Juden die damit verbundenen Gewerbezweige untersagt waren, siedelten sie hier dennoch. Mit hoher Wahrscheinlichkeit betrieben sie Handel mit Pferden, Stoffen, Holz, Werkzeugen, Haushaltgegenständen, Lebensmitteln, Getreide, Geld. Außerdem musste ein in Wusterhausen stationiertes Kürassierregiment versorgt werden. Aus der Zeit Friedrich des Großen ist schließlich die Anwesenheit einer Witwe bekannt, die aufgrund eines königlichen Privilegs in der Stadt als „Schutzjüdin“ leben durfte.
Seit Beginn des 19. Jahrhunderts erhöhte sich die Zahl der in Wusterhausen lebenden Juden von 14 auf ungefähr 40 in den 1860er Jahren, verteilt auf acht Familien mit durchschnittlich sechs schulpflichtigen Kindern. Für mehr als 30 Jahre gab es sogar einen eigenen Religionslehrer. Ab der Mitte des 19. Jahrhunderts traten die Wusterhausener Juden als eigenständige Synagogengemeinde auf und unterhielten einen Gebetsraums. Außerdem besaßen sie zu diesem Zeitpunkt bereits ihren eigenen Friedhof.
Aufgrund der Öffnung der großen Städte im Zuge der Industrialisierung, der damit einhergehenden Landflucht und Säkularisierung des Lebens hatten auch die Prignitzer Jüdischen Gemeinden große Mitgliederverluste zu verzeichnen. Am 20. März 1879 schlossen sich darum die Juden des Ruppiner Kreises ihrer größten Gemeinde, in Neuruppin, an. 1910 gab es in Wusterhausen schließlich nur noch drei Juden. Ihren Friedhof hatten sie inzwischen geschlossen.
Zu Beginn der NS-Zeit gab es noch vereinzelte Juden in der Stadt und ihrer Umgebung. Bemerkenswert ist ein überlieferter Gerichtsprozess aus dem Jahr 1937, in dem sich der mit einer Jüdin verheiratete Herr Conrades erfolgreich gegen die antisemitische Beleidigung durch einen Wusterhausener Anwohner wehrte. Des Weiteren musste Alard von Rohr, der einer alten adligen Prignitzer Adelsfamilie angehörte, aufgrund seiner „halbjüdischen“ Mutter zahlreiche Diskriminierungen durch die Machthaber erdulden.
Nach 1945 lebten keine Juden mehr in Wusterhausen und ihren umliegenden Ortschaften. Über ihre einstige Anwesenheit und ihr Wirken in der politischen Gemeinde breitete sich in der Folgezeit breites Schweigen, das behutsam zu brechen ist.
Anke Geißler-Grünberg
Literatur und Quellen
Manfred Jehle (Hrsg.): Die Juden und die jüdischen Gemeinden Preussens in amtlichen Enquêten des Vormärz, Teil 2/4 München 1998, S. 642 und S. 667f.
Carsten Liesenberg: Synagogen in der Mark Brandenburg – Überlegungen zur Einordnung eines Bauwerkstyps, in: Irene Diekmann/ Julius H. Schoeps (Hrsg.) : Wegweiser durch das jüdische Brandenburg, Berlin 1995, S. 277.
Uwe Schürmann: Neuruppin, in: Irene A. Diekmann (Hrsg.): Jüdisches Brandenburg. Geschichte und Gegenwart (= Beiträge zur Geschichte und Kultur der Juden in Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt, Sachsen und Thüringen, Bd. 5), Berlin 2008, S. 219-245.
Selma Stern: Der preußische Staat und die Juden, Teil III, Bd. 2, Tübingen 1971, S. 75.
Wolfgang Weißleder: Der gute Ort – Jüdische Friedhöfe im Land Brandenburg, hrsg. vom Verein zur Förderung antimilitaristischer Tradition, Potsdam 2002, S. 31.
------
Verzeichnis der (...) Juden, welche nach (…) Edikt vom 11ten März 1812 die bürgerlichen Verhältnisse derselben im Preußischen Staate betreffend (…) Staatsbürgerbriefe erhalten haben, in: Amtsblatt der Königlichen Churmärkischen Regierung zu Potsdam No. 40; vom 7. Okt. 1814.
BLHA Br.Pr. Rep 2A II R Nr. 112
Informationen des Wegemuseums Wusterhausen/Dosse; vom 25.09.2018.