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Geschichte des Jüdischen Friedhofs in Angermünde

Die zweite Informationstafel in Nahansicht
Foto: Benjamin Hauche
Die zweite Informationstafel zum jüdischen Friedhof Angermünde in Nahansicht
Gimmel

Bevor es einen Judenfriedhof in Angermünde gab, mussten die jüdischen Einwohner ihre Verstorbenen auf den jüdischen Friedhöfen in Schwedt und Oderberg bestatten. Der Weg von Angermünde nach Schwedt beträgt rund 20 km, dementsprechend war es kein leichtes Unterfangen, seine Angehörigen zu begraben.

Die nachweisbare Geschichte des jüdischen Friedhofs in Angermünde beginnt im Jahre 1709. Genauer gesagt, am 11. Februar. An diesem Tag finden sich Belege dafür, dass die jüdischen Familienväter Benedix Lewi, Michael David, Seelig Martin und Salomon Isaak einen eigenen Begräbnisplatz erwerben wollten. Aufgrund der Großen Pestwelle, die von 1708 bis 1714 anhielt, wurde ihnen die Reise bzw. das Beisetzen ihrer Toten auf den Friedhöfen in Schwedt untersagt. Dies war ausschlaggebend für den Erwerb des Geländes, denn sie mussten zeitnah das verstorbene Kind von Salomon Isaak beerdigen.

Das von der Stadt erworbene Gebiet war ein Stück Land, welches sich noch vor dem damaligen „Finower Tor“ bzw. „Berliner Tor“ befand. Das Gelände wurde 1835 erweitert. Dreißig Jahre später, 1865, wurde die Synagogengemeinde in Angermünde vom Katasteramt offiziell als Eigentümerin des Geländes im Grundbuch vermerkt. Noch im Jahre 1914 wurde ein kleines Backsteinhaus errichtet, welches als Unterstand für den Leichenwagen diente. Die letzte Bestattung fand vermutlich im Jahre 1936 statt. Der Friedhof selbst wurde 1938 widerrechtlich von der Stadt Angermünde beschlagnahmt. 1942 verkaufte sie das Gelände an die Hauseigentümer der anliegenden Straße.

Die Grabsteine wurden 1944 entfernt, nach Qualität sortiert und an einen Steinmetzmeister in Angermünde verkauft. Andere Steine von schlechterer Qualität wurden als Fundament zur Befestigung der Adlerquelle, einem heutigen Rastplatz an einem Wanderweg am nahegelegenen Wolletzsee zweckentfremdet.

In „Stein und Name“ von Brocke, Ruthenberg und Schulenburg finden sich widersprüchliche Angaben zum Zustand des Friedhofs während der NS-Zeit um 1938. Unter anderem zitieren sie aus den Brandenburger Blättern, einer Zeitungsbeilage der Märkischen Oderzeitung, vom 01.11.1991, und führen an, dass der Friedhof in Angermünde in der Pogromnacht vom 09.11.1938 verwüstet wurde. Andererseits zitieren sie eine Anwohnerin, laut deren Aussage der Friedhof im Jahr 1942 noch „unversehrt“ war. Auch die unmittelbare Nachkriegszeit zeigte keine Besserung: noch bis 1950 sollen einige Grabsteine aus schwarzem Granit als Sitzbänke im Angermünder Stadtwald vor dem Forsthaus verwendet worden sein. Mit der „Arisierung“ und dem Auslöschen des Friedhofs bis 1945 wurde versucht, jegliches Überbleibsel jüdischer Kultur zu vernichten.

1974 wurde ein Großteil der übriggebliebenen Grabsteine (von der Anzahl her als „drei LKW-Hänger“-Ladungen bezeichnet) zur Sondermülldeponie in Schwedt abtransportiert, denn im Hinterhof der Häuserfront waren sie zu einem beinahe zwei Meter hohen Stapel aufgetürmt. Dies störte einen Anwohner aus der Hausnummer 3, da die Steinstapel ihn daran hinderten, sich einen Wäschetrockenplatz anzulegen.  Noch bis einschließlich 1994 wurde das Gelände als Garten benutzt, obwohl 1993 die Leichenwagenhalle unter Denkmalschutz gestellt wurde. In den Folgejahren wurden die Laubenreste der Kleingartenanlage entfernt und in der Zwischenzeit verblieb das Gelände dann größtenteils ungenutzt und verwilderte stetig. Anfang 2013 wurde die Leichenwagenhalle aufgrund eines Brandunfalls einiger benachbarter Gartenlauben beschädigt. Bis 2015 wurde sie jedoch restauriert.

Seit 2021 bestehen Pläne, das Gelände wieder zu erneuern und ins Stadtbild zu integrieren. Bis Mitte 2021 war das Areal noch zugewachsen und mit Büschen und Bäumen überwuchert. Stand März 2022 sind die beginnenden Einebnungsarbeiten jedoch schon so weit fortgeschritten, dass das Gelände nun wieder überblickt werden kann. Darüber hinaus ist für die kommenden Jahre geplant, das Gelände wieder einzufrieden, das ursprüngliche Tor der Leichenwagenhalle einzurichten und aktualisierte und neue Informationstafeln anzubringen. Damit soll der Friedhof einen Eintrag in der offiziellen Landesliste der jüdischen Friedhöfe in Brandenburg erhalten, damit dieser zukünftig mit Fördermitteln für die weitere Instandhaltung und Pflege abgesichert ist.

Benjamin Hauche

 

Gimmel