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Geschichte des Jüdischen Friedhofs in Bad Wilsnack

Alte Zufahrt zum Jüdischen Friedhof in Bad Wilsnack
Foto: Anke Sengespeck
Alte Zufahrt zum Jüdischen Friedhof in Bad Wilsnack

Für einen Außenstehenden ist es nicht einfach den Jüdischen Friedhof in Bad Wilsnack zu finden. Im Gegensatz zu den meisten anderen jüdischen Friedhofsanlagen ist dieser Bestandteil des städtischen Friedhofs und wurde wahrscheinlich 1860 angelegt.

In einer jüdischen Gemeinde gehört das Anlegen eines Begräbnisplatzes zu den höchsten religiösen Aufgaben im Judentum. Die Mitbenutzung des Jüdischen Friedhofs in Havelberg war keine Lösung, da schon 1812 per Gesetz der Transport von Leichen über eine Meile verboten war. Aus der Notwendigkeit heraus, Familienmitglieder auf einem eigenen Friedhof zu bestatten, kam es im Mai 1857 zu einem Gespräch des dortigen Bürgermeisters und dem Vorstand der Synagogengemeinde. An den Magistrat der Stadt Wilsnack erging daraufhin die Anfrage zwecks Bereitstellung eines Grundstückes zur Errichtung eines jüdischen Friedhofs. Der Wilsnacker Magistrat antwortete im Juni 1857 „… daß für die hiesige Judenschaft noch kein besonderer Begräbnisplatz besteht, daß zwar einige Judenkinder, die hier verstorben sind, nicht fern von dem Begräbnisplatzes des christlichen Einwohner beerdigt sind, da jetzt dieser aber vergrößert werden muß und nur nach einer Seite vergrößert werden kann, so ist mit den hiesigen Juden bereits darüber verhandelt, für die Juden einen eigenen Begräbnisplatz auszuweisen und die wenigen Juden dorthin zu bringen.“

Der Jüdische Friedhof liegt im südlichen Teil der Gesamtanlage des städtischen Friedhofs und hat eine Größe von ca. 240 qm. Das Gräberfeld grenzt sich durch eine Umrahmung von der christlichen Begräbnisstätte ab und weist Platz für 45 Gräber aus. Die Juden betraten ihren Begräbnisplatz durch einen separaten Eingang über die heutige Akazienstraße. Dabei handelt es sich um ein ca. drei Meter großes Tor. Die beiden Stützpfeiler mit Halterungen für den Eingang sind noch erkennbar. Zur weiteren Beschaffenheit des Eingangstores gibt es keine Aussagen. Zeitzeugen erinnerten sich, dass auf dem jüdischen Friedhof etwa 23 Gräber bestanden, von denen 12 Grabsteine etwa 1,5 m hoch waren. Sie trugen die Namen der Verstorbenen zum Teil in deutscher und hebräischer Inschrift.

Ab 1940 gab es Rechtsunsicherheit der Behörden zum Umgang mit jüdischen Friedhöfen im Reich und der Bestattung von konvertierten Juden auf örtlichen Friedhöfen. 1942 kam es zu einem Briefwechsel zwischen dem Bürgermeister der Stadt Bad Wilsnack und dem Katasteramt im Wittenberge zur Feststellung zum Besitz des Jüdischen Friedhofs. In dem Antwortschreiben wurde mitgeteilt, dass für den Judenfriedhof keine Eintragung im Katasteramt vorliegt. Danach befindet sich das Areal J171 in Gemeindebesitz. Die Nachfrage bezog sich auf ein Schreiben der Landesregierung vom Januar 1942 über die Schließung und Einziehung jüdischer Begräbnisstätten. 1945, nach Ende der nationalsozialistischen Diktatur, war der jüdische Friedhof verwildert; Grabsteine zerstört, teilweise aus ihrer Verankerung gerissen und entwendet. Das Eingangstor war nicht mehr vorhanden.

Wann eine Neugestaltung des Jüdischen Friedhofs begann, ist durch Quellen nicht belegt. Auch ist nicht bekannt, wer dazu den Anstoß gab. Eine Wilsnacker Bürgerin erinnerte sich daran, dass sich Anfang oder Mitte der 1950er Jahre Besucher auf dem Jüdischen Friedhof aufhielten. Es ist denkbar, dass es sich dabei um Verwandte der hier Bestatteten handelte, hatten doch einige Nachkommen der Wilsnacker Juden die Shoa überlebt. Somit ist nicht auszuschließen, dass sie, um die Würde des Friedhofs wiederherzustellen, einen Gedenkstein in Auftrag gaben. Für diese These sprechen die in sehr persönlichen Worten gehaltenen Inschriften auf dem Gedenkstein. Eine Initiative seitens des Staates zur Wiederherstellung kleiner jüdischer Friedhöfe in dieser Zeit kann wahrscheinlich ausgeschlossen werden. Dagegen spricht auch die Inschrift auf dem Stein. Allerdings müssen staatliche Behörden zumindest durch die Erteilung einer Genehmigung an einer Neugestaltung beteiligt gewesen sein.

Der Jüdische Friedhof als Gedenkort besteht nach Zeugenaussagen seit Ende der 1950er oder Anfang der 1960er Jahre. Zur Einweihung sollen auch Vertreter staatlicher Stellen an diesem Ort gewesen sein. Bisher konnten keine Bürger ermittelt werden, die bei den Feierlichkeiten anwesend waren oder Aussagen über die Neugestaltung bzw. Einweihung des Jüdischen Friedhofs machen konnten.

Aus dem Jahre 1986/87 ist durch Wolfgang Weißleder überliefert, dass Unbekannte die hebräische Inschrift des Gedenksteins mit Fensterkitt verschmierten, der anschließend mit großer Mühe wieder entfernt werden musste.

Im Frühjahr 1998 fand eine kleine Gedenkfeier auf dem Jüdischen Friedhof statt. Schülerinnen der Gesamtschule Bad Wilsnack überreichten die Ergebnisse ihres Projektes zur Thematik „Spurensuche – Juden in Wilsnack“ dem Vorsitzenden der Jüdischen Gemeinde Land Brandenburg. An dieser Veranstaltung nahmen der Bürgermeister der Stadt Bad Wilsnack, der Superintendent der evangelischen Gemeinde sowie Lehrer und Schüler der hiesigen Gesamtschule teil. Das Kaddisch sprach der in Berlin geborene und in den USA lebende Dr. Alfred Manela.

Die regelmäßige Pflege des Jüdischen Friedhofs und des Gedenksteines erfolgt im Auftrag der Stadt Bad Wilsnack. Zum Gedenken wird in jedem Jahr zum Totensonntag ein Blumengebinde am Gedenkstein abgelegt. Im Jahr 2010 wurden zwei Handläufe beidseitig der Stufen angebracht.

Seit 2018 ist der Jüdische Friedhof als Bodendenkmal in die Denkmalliste des Landes Brandenburg aufgenommen. Im November 2020 wurde von der Stadt Bad Wilsnack eine Tafel aufgestellt, die die Anlage und die hier bestatteten Familien beschreibt.

Ulla Seeger, Anke Sengespeck