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Geschichte der Jüdischen Gemeinde in Lindow (Mark)

Foto: Susann Schober
Gebäude der ehemaligen Synagoge in Lindow (Mark)

Spuren jüdischen Lebens gibt es in Lindow (Mark) bereits seit dem 17. Jahrhundert. Aber erst mit dem Zuzug des Kaufmanns Samuel Naumann im Jahr 1815 und einem allgemeinen ökonomischen und wirtschaftlichen Aufschwung der Stadt Lindow gründete sich hier eine jüdische Gemeinde. Sie bestand im Wesentlichen aus den Kaufmanns-Familien Naumann und Michaelis – und erreichte Mitte des 19. Jh. ihre größte Zahl mit 49 Mitgliedern.

1824 legten die Lindower Juden ihren Friedhof mitten in der Stadt an. Ein Jahr darauf folgte ihre Synagoge – ein Betsaal – im Dachgeschoss des Hauses von Samuel Naumann, direkt am zentralen Marktplatz. Die Jüdische Gemeinde Lindow beschäftigte von 1839 bis 1844 mit Moritz Herzberg einen eigenen Kantor, der auch das Amt des Schächters übernahm. Für die Jahre 1863/64 ist Nathan Lewithal als „Schächter, Vorbeter und Privatlehrer“  belegt. Rabbiner aus Berlin kamen allerdings nur zu besonderen Anlässen. Zum gemeinsamen Gebet an den Feiertagen reisten zur Familie Michaelis gehörende Juden aus Gransee, Himmelpfort und Rheinsberg an.

1854 konnten sie gemeinsam die Synagogengemeinde Lindow gründen, womit ihnen endlich der Status als juristische Körperschaft gewährt wurde. Zeitgleich bildeten sich im Ruppiner Landkreis zwei weitere solcher Gemeinden: je eine in Neuruppin und in Wusterhausen.

Die weitere Geschichte der Juden in Lindow ist bis heute mit den Michaelis’ verbunden.
Sie waren einerseits im bürgerlichen Leben der Stadt von Bedeutung. So war der Fabrikbesitzer Moritz Michaelis 1875 Vorsitzender des städtischen Männerturnvereins und der Kaufmann Lesser Michaelis wurde zum Stadtverordneten in Lindow gewählt. Andererseits sorgten sie für die Aufrechterhaltung der jüdischen Infrastruktur. Die Familie erwarb sowohl das Naumann’sche Wohn- und Geschäftshaus mit der Synagoge, als auch mit Lesser Michaelis 1889 das Grundstück des Friedhofs.

Mit dem Ende des 19. Jahrhunderts einsetzenden ökonomischen Bedeutungsverlust des Städtchens Lindow in der Region veränderte sich auch die Situation in der jüdischen Gemeinde. Durch Abwanderung und Säkularisierung verlor die Gemeinde so viele ihrer Mitglieder, dass sie sich ca. 1875 der Synagogengemeinde in Neuruppin anschloss. 1909/10 verkaufte die Familie Michaelis das Haus am Marktplatz an einen Nichtjuden. Die Kultgegenstände wurden dem Rabbinerseminar in Breslau (heute: Wrocław) geschenkt.

Heute erinnern der Friedhof und zwei in den Bürgersteig eingelassene „Stolpersteine“ für Pauline Frankfurter und ihren Sohn Alfred sowie für Max Kreide an einstiges jüdisches Leben in Lindow.

Susann Schober

 

Literatur:

Maria Berger, Uri Faber,  Felicitas Grützmann u.a. (Hrsg.), Synagogen in Brandenburg Spurensuche., Berlin 2013.

Stefanie Oswalt, Lindow, in: Irene A. Diekmann (Hrsg.), Jüdisches Brandenburg. Geschichte und Gegenwart, Berlin 2008.

Wolfgang Weißleder, Der gute Ort jüdische Friedhöfe im Land Brandenburg, Potsdam 2002.

Michael Brocke, Eckehart Ruthenberg und Kai Uwe Schulenberg, Stein und Name. Die jüdischen Friedhöfe in Ostdeutschland (Neue Bundesländer/DDR und Berlin), Berlin 1994.

Herbert Sander, Jüdische Friedhöfe in der Mark Brandenburg. Malerei – Grafik – Fotografie, Potsdam 1993.

Brandenburgisches Landesamt für Denkmalpflege und Archäologisches Landesmuseum, in: Deutsche Digitale Bibliothek. Kultur und Wissen online, in: https://www.deutsche-digitale-bibliothek.de/item/GRL2TV2IRVVXA7ST7DK4HZ5BT6HDREMC [letzter Aufruf: 16.6.16]

Materialdienst. Evangelischer Arbeitskreis Kirche und Israel in Hessen und Nassau, in: http://www.imdialog.org/md2000/08md0500.html [letzter Aufruf: 16.6.16]