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Der Schadensersatzanspruch gem. § 280 BGB

1. Schadensersatz 

a) Allgemeines

Der Schadensersatzanspruch gem. § 280 BGB ist der zentrale Sekundäranspruch des Schuldrechts. Sekundäransprüche entstehen dann, wenn der Schuldner eine primäre Leistungspflicht aus dem Schuldverhältnis verletzt. Grundsätzlich kann der Gläubiger dann gem. § 280 Abs. 1 BGB den Ersatz desjenigen Schadens verlangen, der durch die Pflichtverletzung eingetreten ist. Schadensersatzansprüche sollen also ein Ausgleich für die unfreiwilligen Einbußen rechtlich geschützter Güter sein.

Beim Schadensersatz wird zwischen Schadensersatz statt der Leistung und neben der Leistung unterschieden. Um eine genaue Differenzierung dabei vorzunehmen muss man sich zunächst über die Interessen des Gläubigers im Klaren sein. Mit dem schuldrechtlichen Anspruch auf die Leistung (Leistungspflicht des Schuldners) geht ein Interesse am Erhalt der Leistung einher (Erfüllungsinteresse).

Wird dieses Erfüllungsinteresse nun durch eine Leistungsstörung beeinträchtigt, sodass ein Zufriedenstellen des Interesses nicht oder nur unvollständig möglich ist, greift der Schadensersatz statt der Leistung. Durch den Schadensersatz soll das beeinträchtigte Erfüllungsinteresse beseitigt werden und der Gläubiger so gestellt werden, wie er stünde, wenn der Schuldner ordnungsgemäß erfüllt hätte. Die Leistung kann dann nicht mehr verlangt werden, stattdessen tritt der Schadensersatz an die Stelle der Leistung. In den Fällen der Unmöglichkeit ergibt sich dies bereits aus dem Gesetz (§ 275 I, IV BGB), in anderen Fällen muss der Gläubiger den Schadensersatzanspruch geltend machen, was dann zum Erlöschen des ursprünglichen Erfüllungsanspruchs führt (§ 281 IV BGB, analog anzuwenden im Fall des § 282 BGB).

Schadensersatz statt der Leistung kann der Gläubiger gem. § 280 III BGB nur unter zusätzlichen Voraussetzungen verlangen. Zu unterscheiden sind hier der Schadensersatz statt der Leistung wegen nicht oder nicht wie geschuldet erbrachter Leistung (§ 281 BGB), Schadensersatz statt der Leistung wegen Schutzpflichtverletzung (§ 282 BGB) und Schadensersatz statt der Leistung bei Ausschluss der Leistungspflicht nach § 275 I-III BGB. § 311a II BGB regelt den Schadensersatz statt der Leistung wegen anfänglicher Unmöglichkeit, knüpft jedoch nicht an § 280 BGB an.

Beim Schadensersatz neben der Leistung hat der Gläubiger ein Interesse daran, dass die Integrität seiner Rechte, Rechtsgüter und Interessen nicht beeinträchtigt wird. Der Zustand der anderen Rechtsgüter soll weiterhin erhalten bleiben (Integritätsinteresse). Dieses Interesse ist betroffen, wenn andere Rechte, Rechtsgüter und Interessen des Gläubigers beeinträchtigt werden. Der Gläubiger kann also grundsätzlich die ursprünglich geschuldete Leistung weiterhin verlangen und zusätzlich („neben“) diesem ursprünglichen Erfüllungsanspruch auch noch Schadensersatz neben der Leistung geltend machen. Da eine Fristsetzung nicht zielführend ist (der eingetretene Schaden entfällt auch bei der Nachholung zum spätmöglichsten Zeitpunkt nicht), sind für den Schadensersatz neben der Leistung keine zusätzlichen Voraussetzungen erforderlich, sodass er direkt auf § 280 Abs. 1 BGB gestützt wird. Lediglich der Verzögerungsschadensersatz gem. §§ 280 Abs. 1, Abs. 2, 286 BGB setzt den Schuldnerverzug gem. § 286 BGB als weiteres Erfordernis voraus.

Die beiden Arten des Schadensersatzes müssen voneinander abgegrenzt werden, da sie unterschiedliche Anspruchsgrundlagen haben und unterschiedliche Rechtsfolgen auslösen. Die Abgrenzung ergibt sich aus der Frage, welches Interesse des Gläubigers betroffen ist.

Beispiel:

K kauft bei V eine Waschmaschine. Der Waschmaschine fehlt ein Element, wodurch sie undicht ist und nicht richtig wäscht. K verlangt daraufhin Schadensersatz. Hier greift der Schadensersatz statt der Leistung.

K kauft bei V eine Waschmaschine. Der Waschmaschine fehlt ein Element, wodurch sie ausläuft. Nachdem ersten Waschgang steht die Wohnung des K Unterwasser. Die Stereoanlage, sowie der Holztisch und die Stühle sind beschädigt. K verlangt Schadensersatz. Hier greift der Schadensersatz neben der Leistung.

 

b) Prüfung des § 280 I BGB

§ 280 BGB ist der Ausgangspunkt der Prüfung eines Schadensersatzanspruchs. Grundsätzlich hat der § 280 BGB dabei zwei Anwendungsbereiche:

Zum einen ist er die Grundnorm des Schadensersatzes im Leistungsstörungsrecht. In § 280 III BGB wird auf weitere Voraussetzungen verwiesen, die für bestimmte Schadensersatzansprüche vorliegen müssen. Liest man die dort genannten §§ 281, 282, 283 BGB, so fällt auf, dass alle auf § 280 I BGB verweisen („kann der Gläubiger unter den Voraussetzungen des § 280 I Schadensersatz statt der Leistung verlangen“). Daraus ergibt sich, dass die grundlegenden Voraussetzungen für jeden Schadensersatzanspruch in § 280 I BGB geregelt sind.

Zum anderen ist § 280 Abs. 1 BGB auch eine eigenständige Anspruchsgrundlage (für den „einfachen“ Schadensersatz neben der Leistung).

 

Prüfungsaufbau:

I. Schuldverhältnis

II. Pflichtverletzung

III. Vertretenmüssen

IV. Schaden

V. Rechtsfolge

 

c) Anwendungsfall

Udo (U) ist leidenschaftlicher E-Rollerfahrer. Im Sommer fährt er täglich mit dem Roller zur Arbeit. Da jedes Jahr neue Extras für seinen Roller herauskommen, möchte U auch dieses Jahr seinen Roller wieder auf den neusten Stand bringen.

Das Rollergeschäft „Ralf rollt“ besucht er jedes Jahr, um seinen Roller zu optimieren, vor Ort hatte er auch vor einigen Jahren seinen Roller gekauft. Udo ist immer wieder begeistert von der guten Arbeit von Ralf (R) dem Besitzer des Geschäfts.

An dem Tag, wo U für seinen neuen Zusätze vorbeikommt, ist R unkonzentriert und müde. R zeigt dem U die neuen Zusätze für seinen Roller und U ist sofort begeistert und kauft diese.

Während R sich dem Roller des U widmen möchte um die neuen Elemente einzubauen, stößt er seinen Werkzeugkasten um, welcher U auf den Fuß fällt.

U ist sehr verärgert darüber und verlangt nun von R Schadensersatz für die Behandlungskosten.

Lösung:

U könnte gegen R einen Anspruch auf Zahlung der Behandlungskosten gem. §§ 280 I, 241 II  BGB haben.

I. Schuldverhältnis

Dafür müsste zunächst ein Schuldverhältnis i.S.d § 280 BGB zwischen U und R bestehen. Dafür müssten zwischen den Parteien Leistungspflichten iSv § 241 I BGB existieren. Diese bestehen, wenn mindestens eine Partei von der anderen ein Tun oder Unterlassen verlangen kann. Das Schuldverhältnis besteht hier zwischen U und R durch den geschlossenen Kaufvertrag über die Zusatzteile für den Roller und in einem Werkvertrag bezüglich des Einbaus des Zubehörs.

Ein Schuldverhältnis ist somit gegeben.

II. Verletzung einer Pflicht aus dem Schuldverhältnis

Zudem müsste eine Pflichtverletzung gem. § 280 I BGB vorliegen. Eine Pflichtverletzung liegt vor, wenn der Schuldner von seinen Pflichten aus dem Schuldverhältnis abweicht. Eine derartige Abweichung liegt vor, wenn der Schuldner seine leistungsbezogene Pflicht nicht oder nicht ordnungsgemäß erbringt (§ 241 I BGB), oder wenn eine nichtleistungsbezogene Schutzpflicht verletzt wird (§ 241 II BGB). Unter einer Schutzpflicht nach § 241 II BGB versteht man die Pflicht, sich bei der Abwickelung des Schuldverhältnisses so zu verhalten, dass Körper, Leben, Eigentum und sonstige Rechtsgüter der anderen Vertragspartei nicht verletzt werden.

Indem R den Werkzeugkasten umgestoßen hat und dem U dadurch einen verletzten Fuß zufügte, wurde eine Schutzpflicht, auf den Körper der anderen Vertragspartei zu achten verletzt.

Damit ist eine Pflichtverletzung gegeben.

III. Vertretenmüssen des Schuldners

R müsste die Pflichtverletzung auch zu vertreten haben. Zu vertreten hat der Schuldner sowohl Vorsatz als auch Fahrlässigkeit, gem. § 276 I S.1 BGB.  Germ. § 280 I 2 BGB wird das Vertretenmüssen vermutet. Es sind keine Anhaltspunkte ersichtlich, die dem widersprechen. Damit hat R die Pflichtvereltzung auch zu vertreten.

IV. Schaden

Des Weiteren müsste dem U durch die Pflichtverletzung ein kausaler Schaden entstanden sein. Durch die Verletzung ist dem U ein Schaden entstanden. Fraglich ist, ob dieser auch kausal auf die Pflichtverletzung zurückzuführen ist.

Kausal ist nach der conditio-sine-qua-non- Formel eine Handlung, wenn sie nicht hinweg gedacht werden kann, ohne dass der Erfolg in seiner konkreten Gestalt entfiele.

Wäre es nicht zur Pflichtverletzung des R gekommen, hätte U keine Verletzung, also keinen Schaden erlitten.

Die Verletzung des U ist daher auf die Pflichtverletzung des R kausal zurückzuführen.

V. Ergebnis

U hat gegen R einen Anspruch auf Schadensersatz gem. §§ 280 I, 241 II BGB.

Gem. § 249 BGB hat R den U so zu stellen, als hätte er die relevante Pflichtverletzung nicht begangen, sich also ordnungsgemäß verhalten.