Sachbeschädigung
A. Einführung
Eines der am häufigsten begangenen Delikte in Deutschland ist die Sachbeschädigung: Im Jahr 2019 wurden circa 560.000 Fälle von Sachbeschädigung (§§ 303 – 305a StGB) registriert. Das entspricht einem Anteil von ungefähr 10 % an der gesamten Kriminalität. Gegenüber 2018 ist ein leichter Anstieg von 0,4 % (= 2.085 Fälle) zu verzeichnen. Am häufigsten wurden Kraftfahrtzeuge (circa 38 % ≈ 214.000 Fälle) beschädigt (alle Daten aus PKS Bundeskriminalamt, Berichtsjahr 2019, Version V1.0 ). Geregelt ist die Sachbeschädigung im 27. Abschnitt des StGB. Die „klassische“ Sachbeschädigung (§ 303 StGB) ist ein Eigentumsdelikt und somit ein Vermögensdelikt im weiteren Sinne. Da das Schutzgut des § 303 StGB das Eigentum ist, ist der Wert der beschädigten Sache regelmäßig unbedeutend. Im Folgenden soll es um die Sachbeschädigung nach § 303 StGB gehen.
B. § 303 StGB – Sachbeschädigung
Strafbar ist nur die vorsätzliche Sachbeschädigung (siehe § 15 StGB). Gem. § 303 Abs. 3 StGB ist auch die versuchte Sachbeschädigung strafbar. 2005 wurde § 303 Abs. 2 StGB neu eingefügt. Dieser Absatz ist vornehmlich anzuwenden auf sog. „Graffiti-Fälle“, welche vor Einführung des § 303 Abs. 2 StGB nach überwiegender Auffassung nicht unter § 303 StGB subsumierbar waren.
Zu beachten ist, dass der 27. Abschnitt des StGB die Überschrift „Sachbeschädigung“ trägt, jedoch nur §§ 303, 305, 305a Abs. 1 Nr. 1 StGB auf den Schutz fremden Eigentums abzielen. Bei den anderen Normen des 27. Abschnitts fehlt es entweder an der Sachqualität (so sind etwa Daten iSd § 303a StGB keine Sachen) oder es ist nicht das Eigentum, sondern die Beschädigung der Nutzungsrechte an den dort genannten Gegenständen entscheidend (so zB bei § 305b Abs. 1 Nr. 2 StGB). Außerhalb des 27. Abschnitts gibt es noch weitere (und häufig speziellere) Sachbeschädigungsdelikte (zB Verwahrungsbruch nach § 133 StGB, Brandstiftungsdelikte gem. §§ 306 ff. StGB). Regelmäßig wird die Sachbeschädigung gem. § 303 StGB im Wege der Spezialität von diesen spezielleren Delikten verdrängt.
I. Prüfungsaufbau
I. Tatbestandsmäßigkeit 1. Objektiver Tatbestand Tatobjekt: Fremde Sache Tathandlungen: - Zerstören (§ 303 Abs. 1 Alt. 2 StGB) - Beschädigen (§ 303 Abs. 1 Alt. 1 StGB) - Verändern des Erscheinungsbildes (§ 303 Abs. 2 StGB) 2. Subjektiver Tatbestand: Vorsatz II. Rechtswidrigkeit III. Schuld IV. Strafantrag (§ 303c StGB) |
II. Tatbestandsvoraussetzungen im Einzelnen
1. Fremde Sache
Unter einer Sache ist (wie bspw. auch bei § 242 StGB) jeder körperliche Gegenstand zu verstehen (vgl. § 90 BGB). Irrelevant ist dabei, in welchem Aggregatzustand sich die Sache befindet (fest, flüssig, gasförmig). Nicht als Sache anzusehen sind Strahlen, elektronische Daten, Energie und Rechte (zB Geld auf dem Girokonto).
Auch Tiere sind Sachen im strafrechtlichen Sinne. Streitig ist in dogmatischer Hinsicht, woraus sich diese Einordnung ergibt. Die herrschende Meinung stellt auf den eigenen, vom Zivilrecht unabhängigen Sachbegriff ab. § 324a Abs. 1 Nr. 1 StGB nennt „Tiere […] oder andere Sachen“. Daraus ergebe sich, dass Tiere unbeschadet des § 90a BGB unmittelbar (und nicht über eine Analogie) in den strafrechtlichen Sachbegriff einzubeziehen seien.
Fremd ist eine Sache dann, wenn sie zumindest auch im Eigentum eines anderen steht. Auch hier deckt sich der Begriff mit dem des § 242 StGB. Ob eine Sache „fremd“ ist, ist nach zivilrechtlichen Regelungen zu beurteilen. Daraus folgt, dass alle Sachen, die herrenlos sind oder im Alleineigentum des Täters stehen, kein taugliches Tatobjekt des § 303 StGB sind. Ein Miteigentum (§§ 1008 ff. BGB) des Täters, ein Gesamtheits- sowie ein Sicherungs- und Vorbehaltseigentum sind ausreichend, um eine Sache als „fremd“ iSd § 303 StGB anzusehen.
Im Gegensatz zum Tatbestand des § 242 StGB ist es nicht erforderlich, dass die Sache beweglich ist.
2. Zerstören (§ 303 Abs. 1 Alt. 2 StGB)
Eine Sache ist dann zerstört, wenn durch äußere (körperliche) Einwirkung ihre Einheit völlig aufgelöst oder ihre Brauchbarkeit vollständig aufgehoben wird (zB Töten eines Tieres, Zertrümmern). Das Zerstören ist eine Steigerung zum Beschädigen. Es gibt kein „teilweises“ Zerstören: Ist die Sache nicht zerstört, so ist sie beschädigt. Zu beachten ist, dass die Tathandlung des Zerstörens auch durch ein Unterlassen verwirklicht werden kann. So ist dann von einem unechten Unterlassen auszugehen, wenn ein Garant etwa Lebensmittel verderben lässt oder ein Tier nicht füttert, obschon er dazu verpflichtet ist. Gleiches gilt für das Beschädigen.
3. Beschädigen (§ 303 Abs. 1 Alt. 1 StGB)
Eine Sache ist dann beschädigt, wenn sich durch eine körperliche Einwirkung ihre stoffliche Unversehrtheit nicht nur unerheblich verändert (ihre Substanz also mehr als nur unerheblich verletzt wird; sog. Substanzverletzung) oder ihre bestimmungsgemäße Brauchbarkeit mehr als nur unerheblich beeinträchtigt wird (sog. Brauchbarkeitsminderung).
Eine Substanzverletzung liegt bereits bei einer Verminderung oder Verschlechterung der Sachsubstanz vor. Typische Beispiele sind etwa das Zerkratzen oder Verbeulen eines Pkw. Auch beim Versprühen des Feuerlöscher-Inhalts ist eine Substanzverletzung zu bejahen.
Die bestimmungsgemäße Brauchbarkeit ist auf die funktionale oder technische Brauchbarkeit gerichtet. Folglich ist eine Brauchbarkeitsminderung beispielsweise zu bejahen, wenn Sand in ein Getriebe geschüttet oder eine Maschine zerlegt wird. Unbedeutend ist, ob der eingetretene Schaden repariert werden kann; auch die zeitliche Dauer der Brauchbarkeitsminderung ist nicht entscheidend.
Auch durch das Bemalen, Plakatieren, Verunreinigen oder Besprühen einer Sache kann eine Substanzverletzung oder eine Brauchbarkeitsminderung auftreten. So kann etwa Lack die Oberfläche einer Sache (mehr als nur unerheblich) angreifen (Substanzverletzung). Auch infolge der Wiederherstellung und Reinigung kann die Sache beschädigt werden. Ist eine Substanzverletzung zu verneinen, so kann nichtsdestoweniger eine Brauchbarkeitsminderung gegeben sein. Das ist dann der Fall, wenn durch das Besprühen, Bemalen oder Überkleben die Brauchbarkeit der Sache beeinträchtigt wird. Wann das der Fall ist, richtet sich nach der Verkehrsauffassung. So ist etwa in dem Beschmieren durchsichtiger Scheiben (eines Autos oder Geschäfts) eine Beeinträchtigung der Sichtfunktion anzunehmen, sodass eine Brauchbarkeitsminderung zu bejahen ist. Auch diese Einwirkung darf dann nicht nur unerheblich sein.
4. Erheblichkeit
Substanzverletzung und Brauchbarkeitsminderung dürfen jeweils nicht nur unerheblich sein. Unerheblich sind solche Einwirkungen, die ohne einen nennenswerten Aufwand beseitigt werden können. So ist etwa das Ablassen der Luft aus einem Autoreifen regelmäßig nur dann nicht erheblich, wenn sich das Auto an einer mit einer Luftpumpe ausgestatteten Tankstelle befindet. Das Ablassen der Luft aus einem Fahrradreifen hingegen dürfte grundsätzlich unerheblich sein, da eine Luftpumpe häufig greifbar ist.
5. Einzelfälle
Zu beachten ist, dass der bestimmungsgemäße Gebrauch oder Verbrauch keine Sachbeschädigung darstellt. Verzehrt der Täter also ein dem Opfer gehöriges Lebensmittel, so ist darin keine Sachbeschädigung zu sehen (ggf. aber ein Diebstahl oder eine Unterschlagung). Wird die Sache demgegenüber entgegen ihrem bestimmungsmäßigen Zweck verbraucht, so kommt eine Sachbeschädigung in Form der Zerstörung in Betracht. Verzehrt der Täter also die als Haustier gehaltene Katze des Opfers, so kann er sich nach § 303 Abs. 1 StGB strafbar gemacht haben.
Fraglich ist, ob die ohne oder gegen den Willen des Eigentümers durchgeführte Reparatur einer Sache eine Sachbeschädigung darstellt. Zwar mag dies zunächst widersprüchlich wirken, da die Sache gerade nicht beschädigt oder zerstört, sondern vielmehr wieder funktionsfähig gemacht wird. Dennoch fallen diese „Reparaturfälle“ regelmäßig unter § 303 Abs. 1 StGB. Der Eigentümer kann nämlich grundsätzlich darüber bestimmen, was mit einer in seinem Eigentum stehenden Sache geschehen soll. Das umfasst auch das Recht, eine beschädigte Sache in diesem Zustand zu lassen. Sollte § 303 Abs. 1 StGB nicht anwendbar sein, so wird eine Reparatur aber jedenfalls unter den Tatbestand des § 303 Abs. 2 StGB zu subsumieren sein.
6. Verändern des Erscheinungsbildes (§ 303 Abs. 2 StGB)
Zwar kann das Besprühen, Bemalen etc. bereits eine Beschädigung iSd § 303 Abs. 1 Alt. 1 StGB sein. Allerdings gab es aus Sicht der Rechtsprechung Fälle, in denen ein derartiges Verhalten nicht unter § 303 Abs. 1 StGB subsumierbar war. Aus diesem Grund wurde § 303 Abs. 2 StGB eingefügt. Der zweite Absatz soll die Fälle, die nicht unter den ersten Absatz fallen, erfassen und hat damit eine Auffangfunktion. Folglich ist § 303 Abs. 2 StGB subsidiär zu § 303 Abs. 1 StGB.
Auch die Veränderung des Erscheinungsbildes darf nicht nur unerheblich sein. Unerheblich sind etwa solche Zeichnungen oder Graffiti, die das Erscheinungsbild nur minimal beeinträchtigen oder einfach entfernt werden können. Zudem darf die Veränderung nicht nur vorübergehend sein. Vorübergehend sind Einwirkungen, die innerhalb einer kurzen Zeitspanne von selbst vergehen (zB durch Regen abgewaschen werden). Ob eine Einwirkung vorübergehend ist, ist aus einer ex-ante-Sicht zu beurteilen. Irrelevant ist, ob den Zeichnungen ein künstlerischer oder politischer Charakter zukommt. Die Intention des Täters ist also unbedeutend.
C. Werkzeuge
Definitionen
Zerstören | Körperliche Einwirkung auf eine Sache, durch die ihre Einheit völlig aufgelöst oder ihre Brauchbarkeit vollständig aufgehoben wird |
Beschädigen | Körperliche Einwirkung auf eine Sache, durch die ihre stoffliche Unversehrtheit nicht nur unerheblich verändert (ihre Substanz also mehr als nur unerheblich verletzt wird; Substanzverletzung) oder ihre bestimmungsgemäße Brauchbarkeit mehr als nur unerheblich beeinträchtigt wird (Brauchbarkeitsminderung) |
Fremde Sache | Eine Sache ist jeder körperliche Gegenstand. Fremd ist eine Sache dann, wenn sie auch im Eigentum eines anderen steht. |
D. Anwendung
Sachverhalt
A geht spazieren und kommt dabei an einem Parkplatz vorbei. A, der eine Leidenschaft für Sportwagen hat, schlendert über den Parkplatz und schaut sich einige Autos an. Der leicht angetrunkene B (der schuldfähig ist) hat auf dem Parkplatz sein Fahrrad abgestellt und ist wütend, dass A die Autos, nicht das Fahrrad des B bestaunt. Ohne Vorwarnung geht B frontal auf A zu und schlägt diesem ins Gesicht. A stürzt, erleidet einige blutende Gesichtsverletzungen und kommt neben dem neuen Auto des F (Wert: 30.000 Euro) auf den Boden auf. B holt erneut zu einem Schlag aus und zielt auf die bereits stark lädierte Nase des A. In seiner Verzweiflung bricht A, der den B bereits öfter gesehen hat und diesen nicht leiden kann, den Außenspiegel des Autos von F ab und wirft diesen auf B. B erleidet einen stark blutenden Schnitt an der Stirn und lässt infolgedessen von A ab. Der Spiegel kann für 400 Euro wieder an das Auto angebracht werden.
Hat A sich wegen Sachbeschädigung (§ 303 StGB) und/oder wegen gefährlicher Körperverletzung (§§ 223, 224 StGB) strafbar gemacht?
Lösung:
Strafbarkeit des A nach §§ 223 I, 224 I Nr. 2 A könnte sich wegen gefährlicher Körperverletzung nach §§ 223, 224 I Nr. 2 strafbar gemacht haben, indem er B einen Außenspiegel eines Autos an den Kopf wirft. I. Tatbestandsmäßigkeit 1. Objektiver Tatbestand a) Grundtatbestand des § 223 I A müsste zunächst den Grundtatbestand des § 223 I erfüllt haben. Zunächst müsste ein Taterfolg eingetreten sein, A müsste B also körperlich misshandelt haben oder B müsste in seiner Gesundheit geschädigt worden sein. Eine körperliche Misshandlung ist jede üble, unangemessene Behandlung, durch die das Opfer in seinem körperlichen Wohlbefinden oder seiner körperlichen Unversehrtheit mehr als nur unerheblich beeinträchtigt wird. B erleidet hier einen stark blutenden Schnitt an der Stirn, sodass davon auszugehen ist, dass er mehr als nur unerheblich in seinem körperlichen Wohlbefinden beeinträchtigt worden ist. Der Schnitt an der Stirn könnte auch eine Gesundheitsschädigung darstellen. Eine Gesundheitsschädigung ist das Hervorrufen oder Verstärken eines pathologischen (= krankhaften), vom Normalzustand des Opfers nachteilig abweichenden Zustandes. Der Schnitt bedarf einer medizinischen Behandlung und weicht jedenfalls nachteilig vom normalen Gesundheitszustand des B ab. Der Erfolg iSd § 223 ist somit eingetreten. Das Werfen des Außenspiegels durch B ist eine strafrechtlich relevante Handlung und kann nicht hinweggedacht werden, ohne dass der Erfolg in seiner konkreten Gestalt entfiele. Die Kausalität ist also zu bejahen. Da A durch das Werfen des Außenspiegels auch eine rechtlich relevante Gefahr geschaffen und sich genau diese Gefahr im tatbestandsmäßigen Erfolg realisiert hat, ist der Erfolg A auch objektiv zurechenbar. Der objektive Grundtatbestand des § 223 I ist somit erfüllt. b) Tatbestand der Qualifikation des § 224 I Möglicherweise ist der Außenspiegel als gefährliches Werkzeug iSd § 224 I Nr. 2 anzusehen. Ein gefährliches Werkzeug ist ein Gegenstand, der seiner Beschaffenheit und der Art der konkreten Verwendung nach geeignet ist, erhebliche Verletzungen hervorzurufen. Ein Schlag oder Wurf mit einem Außenspiegel, der regelmäßig aus Metall oder jedenfalls einem widerstandsfähigen Material gemacht ist, kann erhebliche Verletzungen (zB große Platzwunden, ggf. Knochenbrüche) verursachen. Der von A benutzte Außenspiegel ist auch im Rahmen der konkreten Verwendung (Wurf) geeignet, B etwa die Nase zu brechen, sodass der Außenspiegel als gefährliches Werkzeug anzusehen ist. Die Qualifikation des § 224 I Nr. 2 ist somit erfüllt. Da A die Körperverletzung nicht mittels eines hinterlistigen Überfalls begeht (§ 224 I Nr. 3) und der Wurf mit einem Außenspiegel zwar erhebliche, grundsätzlich aber keine tödlichen Verletzungen verursachen kann (§ 224 I Nr. 5), kommen weitere Qualifikationen nach § 224 I nicht in Betracht. 2. Subjektiver Tatbestand A müsste auch in Bezug auf den Grund- und Qualifikationstatbestand vorsätzlich gehandelt haben (§ 15). Vorsatz ist der Wille zur Verwirklichung des Straftatbestandes in Kenntnis aller seiner objektiven Tatumstände. A kam es hier gerade darauf an, B mit dem Außenspiegel (§ 224 I Nr. 2) zu treffen und zu verletzen (§ 223 I). Er handelte also vorsätzlich. II. Rechtswidrigkeit A müsste auch rechtswidrig gehandelt haben. Das ist dann der Fall, wenn kein Rechtfertigungsgrund einschlägig ist. Möglicherweise handelte A aber in Notwehr (§ 32). 1. Notwehrlage Es müsste zunächst ein gegenwärtiger und rechtswidriger Angriff vorliegen (§ 32 II). Ein Angriff ist jedes menschliche Verhalten, dass ein rechtlich geschütztes Gut oder Interesse bedroht oder verletzt. B schlägt A hier ins Gesicht, verletzt also dessen körperliche Unversehrtheit. Dieser Angriff müsste auch gegenwärtig sein, also unmittelbar bevorstehen, gerade stattfinden oder fortdauern. B hat A bereits einmal geschlagen und holt zu einem weiteren Schlag aus. Der Angriff findet also gerade statt und ist somit gegenwärtig. Rechtswidrig ist ein Angriff, der objektiv im Widerspruch zur Rechtsordnung steht, der Täter also nicht seinerseits gerechtfertigt ist. B ist hier nicht durch einen Rechtfertigungsgrund gerechtfertigt, sodass der Angriff auch rechtswidrig erfolgte. 2. Notwehrhandlung Weitere Voraussetzung ist, dass eine Notwehrhandlung vorliegt (§ 32 II). Die Notwehrhandlung muss sich gegen den Angreifer richten und objektiv erforderlich sowie normativ geboten sein. A wirft den Außenspiegel auf B, also auf den Angreifer. Erforderlich ist die Verteidigungshandlung, wenn sie geeignet ist und das relativ mildeste Mittel darstellt. Geeignet ist die Handlung dann, wenn sie imstande ist, den Angriff sofort zu beenden oder jedenfalls zu behindern. Infolge des Wurfes erleidet B eine Schnittwunde an der Stirn und lässt daraufhin von A ab, sodass die Handlung imstande war, den Angriff sofort zu beenden. Zudem müsste A unter gleich geeigneten dasjenige Mittel gewählt haben, dass den geringsten Schaden verursacht. Zwar hätte A sich auch mit den Händen wehren können. Allerdings hockte er auf dem Boden und hätte sich dafür erst vollständig aufrichten müssen. Er hätte auch fliehen können, doch „das Recht braucht dem Unrecht nicht zu weichen“. Das Werfen des Außenspiegels stellte somit das relativ mildeste Mittel dar. Die Notwehrhandlung müsste auch geboten sein. Zwar findet im Notwehrrecht grundsätzlich keine Güterabwägung statt, dennoch kann es in Ausnahmefällen eingeschränkt werden oder wegfallen. Dies ist nach sozialethischen und normativen Erwägungen zu beurteilen. Zwar ist B leicht angetrunken, doch ist er nicht schuldunfähig. A hat den Angriff auch nicht dadurch vorwerfbar provoziert, indem er lediglich Autos und nicht das Fahrrad des B bestaunte. Eine Einschränkung des Notwehrrechts ist also nicht ersichtlich. 3. Verteidigungswille Erforderlich ist zudem, dass A in subjektiver Hinsicht mit Verteidigungswillen handelte. Das ist dann der Fall, wenn er die Notwehrlage erkannt und gehandelt hat, um den Angriff abzuwehren. A hat hier die Notwehrlage erkannt und wollte den Angriff des B auch abwehren. Fraglich ist, ob es dem subjektiven Rechtfertigungselement entgegensteht, dass A eine generelle Abneigung gegen B hat. Der Verteidigungswille muss jedoch nicht das einzige Handlungsmotiv sein, es muss lediglich das ausschlaggebende Motiv sein. Da die Abneigung gegenüber B also nur ein Begleitmotiv ist, handelte A insgesamt mit Verteidigungswillen. 4. Zwischenergebnis A ist durch Notwehr gerechtfertigt (§ 32 I). Er handelte also nicht rechtswidrig. III. Ergebnis A hat sich nicht nach §§ 223 I, 224 I Nr. 2 strafbar gemacht.
Strafbarkeit des A nach § 303 I Alt. 1 A könnte sich wegen Sachbeschädigung nach § 303 I Alt. 1 strafbar gemacht haben, indem er den Außenspiegel vom Auto des F abgebrochen hat. I. Tatbestandsmäßigkeit 1. Objektiver Tatbestand Dafür müsste zunächst der objektive Tatbestand erfüllt sein. a) Fremde Sache Das Auto ist ein körperlicher Gegenstand und somit eine Sache iSd § 303 I (vgl. § 90 BGB). Das Auto müsste auch fremd sein. Fremd ist eine Sache dann, wenn sie zumindest auch im Eigentum eines anderen steht. Das Auto steht hier im Eigentum des F und war daher eine für A fremde Sache. b) Beschädigen Indem A den Außenspiegel vom Auto des F abbricht, könnte er den Pkw beschädigt haben. Eine Sache ist dann iSd § 303 I Alt. 1 beschädigt, wenn sich durch eine körperliche Einwirkung ihre stoffliche Unversehrtheit nicht nur unerheblich verändert (Substanzverletzung) oder ihre bestimmungsgemäße Brauchbarkeit mehr als nur unerheblich beeinträchtigt wird (Brauchbarkeitsminderung). Ein abgebrochener Außenspiegel kann nicht durch einen geringen Aufwand wieder an den Pkw angefügt werden, es bedarf in der Regel einer fachmännischen Reparatur. Die Einwirkung auf die stoffliche Unversehrtheit des Pkw ist also nicht nur unerheblich, eine Substanzverletzung liegt somit vor. Darüber hinaus könnte auch eine Brauchbarkeitsminderung vorliegen. Der Pkw dient dazu, Personen möglichst sicher zu transportieren. Zur Gewährleistung der Sicherheit (auch anderer Verkehrsteilnehmer) muss der Verkehr stets beobachtet werden können. Dies wird unter anderem durch die Außenspiegel sichergestellt. Fehlt ein Außenspiegel, so ist die Sicherheit des Fahrers und anderer Verkehrsteilnehmer erheblich gefährdet. Es liegt also eine Brauchbarkeitsminderung vor. A hat folglich das Auto des F beschädigt. Das Abbrechen des Außenspiegels ist eine Handlung im strafrechtlichen Sinne und war auch kausal iSd Äquivalenztheorie. Der Erfolg ist A auch objektiv zurechenbar. Der objektive Tatbestand ist somit erfüllt. 2. Subjektiver Tatbestand Es kam A gerade darauf an, den Außenspiegel abzubrechen, er handelte also vorsätzlich (dolus directus ersten Grades). II. Rechtswidrigkeit A müsste auch rechtswidrig gehandelt haben. Eine Notwehrlage ist nicht gegeben, sodass A nicht nach § 32 gerechtfertigt ist. Die Gefahr ging auch nicht vom Pkw des F aus; auch eine Rechtfertigung nach § 228 BGB scheidet somit aus. Möglicherweise ist A aber nach § 904 BGB (aggressiver Notstand) gerechtfertigt. 1. Notstandslage Zunächst müsste eine Notstandslage vorliegen. Das ist dann der Fall, wenn eine gegenwärtige Gefahr der Verletzung eines notstandsfähigen Rechtsguts gegeben ist. Gegenwärtig ist die Gefahr, wenn sie in nächster Zeit zu einem Schaden führen kann und ein Abwarten dazu führt, dass die Abwehrmöglichkeiten sich verringern. Die Gefahr ging hier zwar nicht vom Pkw des F aus, aber B holte zu einem (weiteren) Schlag gegen A aus. Diese Gefahr einer Verletzung der körperlichen Unversehrtheit konnte in nächster Zeit zu einem Schaden führen. Hätte A abgewartet, so hätten sich seine Abwehrmöglichkeiten verringert. Eine Nostandslage liegt also vor. 2. Notstandshandlung Weitere Voraussetzung ist, dass eine Notstandshandlung iSd § 904 BGB gegeben ist. Das ist dann der Fall, wenn A auf eine nicht gefahrschaffende fremde Sache einwirkt. Diese Einwirkung müsste notwendig und verhältnismäßig sein. A bricht hier den Außenspiegel ab, um sich damit gegen den ihn angreifenden B zur Wehr zu setzen. Dabei wird der Pkw (von dem die Gefahr nicht ausgeht) beschädigt. Das Abbrechen des Außenspiegels war Grundlage dafür, dass A den Angriff des B durch einen Wurf abwehren konnte und war somit geeignet. Da A sich auf dem Boden befand, bestand keine andere Möglichkeit der Verteidigung, sodass er auch das relativ mildeste Mittel wählte. Die Notstandshandlung müsste auch verhältnismäßig sein. Das ist dann der Fall, wenn das geschützte Interesse wesentlich schwerer wiegt als das beeinträchtigte Interesse. Der drohende Schaden müsste also unverhältnismäßig größer sein als der Schaden, der durch die Einwirkung auf die Sache entsteht. Durch den Angriff des B ist die Gesundheit des A betroffen. Er sieht sich mit einer (einfachen) Körperverletzung konfrontiert. Durch das Abbrechen des Spiegels ist das Eigentum des F betroffen. In der Regel haben immaterielle Interessen und insbesondere die körperliche Unversehrtheit Vorrang vor materiellen Interessen. Etwas anderes könnte sich daraus ergeben, dass hier eine Sache von höherem Wert (Pkw) beschädigt wird. Die Reparatur des abgebrochenen Spiegels kostet hier aber nur 400 Euro, ist also (in Relation zu dem Wert des neuen Pkw des F iHv 30.000 Euro) kostengünstig. Zwar handelt es sich also bei dem Pkw um eine wertvolle Sache, der entstandene Schaden lässt sich jedoch mit „nur“ 400 Euro beseitigen. Dem steht auch nicht entgegen, dass B bisher lediglich eine einfache Körperverletzung begangen hat: Die Ungewissheit aus Sicht des A darüber, wie oft und mit welcher Kraft B erneut auf den am Boden hockenden A einzuschlagen gedenkt, und die bereits erlittenen Gesichtsverletzungen sprechen hier für die Verhältnismäßigkeit der Notstandshandlung. A handelte also auch verhältnismäßig. 3. Gefahrabwendungswille A handelte in Kenntnis der Notstandslage und wollte die Gefahr abwehren. 4. Zwischenergebnis A ist nach § 904 BGB gerechtfertigt. Er handelte also nicht rechtswidrig. III. Ergebnis A hat sich nicht wegen Sachbeschädigung nach § 303 I Alt. 1 strafbar gemacht. |
E. Wiederholungsfragen