Zum Hauptinhalt springen

Vertragsschluss

A. Einführung

Das Abschließen von Verträgen spielt eine zentrale Rolle im alltäglichen Leben. Sei es der morgendliche Kauf eines Brötchens beim Bäcker, das Verleihen eines Buches oder der Abschluss eines Mietvertrages für eine neue Wohnung. In einem Vertrag werden die Rechte und Pflichten der Parteien genau festgelegt. Grundlegende Voraussetzung für das Zustandekommen eines Vertrags ist jedoch zunächst die Einigung derjenigen, die den Vertrag schließen wollen. Es braucht ein wirksames Angebot sowie die Annahme des Angebots. Diese Begriffe werden im Folgenden genauer erläutert.

 

B. Angebot und Annahme

Der elementare Grundsatz der Privatautonomie umfasst u.a. die Vertragsfreiheit, d.h. im Rahmen der Gesetze kann grundsätzlich jeder frei entscheiden, ob und mit wem er einen Vertrag schließen will. Auch über dessen Inhalt können die Vertragsparteien frei bestimmen. Diese Freiheit ist in Art. 2 Abs. 1 GG verfassungsrechtlich abgesichert.
Bei einem Vertrag handelt es sich stets um ein mehrseitiges Rechtsgeschäft, d.h. er enthält die Willenserklärungen mehrerer Personen, die miteinander übereinstimmen müssen. Den Gegensatz bilden einseitige Rechtsgeschäfte, welche die Willenserklärung nur einer Person enthalten (z.B. Kündigungserklärung; Anfechtung, § 143 Abs. 1 BGB).
Eine genaue Definition für den Begriff des Vertrags bzw. eine Vorschrift, wie er konkret zustande kommt, sucht man im BGB jedoch vergeblich. Allerdings werden in den §§ 145 – 157 BGB der Antrag bzw. das Angebot und die Annahme genauer geregelt. Diese Willenserklärungen bilden die zentralen Grundbausteine eines Vertrags.
Merke: Jeder Vertrag kommt durch (mindestens) zwei inhaltlich übereinstimmende, in Bezug aufeinander abgegebene Willenserklärungen, Angebot und Annahme gem. §§ 145 ff. BGB, zustande.

 

I. Angebot

1. Inhalt des Angebots
Die Wirksamkeit eines Angebots setzt zunächst voraus, dass dieses hinreichend inhaltlich bestimmt oder bestimmbar ist. Der Empfänger muss das Angebot also durch ein einfaches „Ja“ annehmen können. Dafür ist erforderlich, dass die wesentlichen Vertragsbestandteile, die sog. essentialia negotii, hinreichend bestimmt werden können. Diese können je nach Vertragstyp variieren. Grundlegend lässt sich jedoch festhalten, dass der Vertragsgegenstand, die Vertragsparteien sowie ggf. eine Gegenleistung bestimmbar sein müssen. Bei einem Kaufvertrag müssen Käufer und Verkäufer feststehen, sie müssen sich über die ver-/gekaufte Sache und den Kaufpreis geeinigt haben.

 

2. Rechtsbindungswille
Der Erklärende muss zu erkennen geben, dass er bereit ist, sich vertraglich binden zu wollen. Ist dieser Rechtsbindungswille nicht ausdrücklich erklärt worden, kann er durch Auslegung ermittelt werden. Der Empfänger des Angebots muss den Rechtsbindungswillen objektiv auch erkennen können.
An dieser Stelle muss im Einzelfall zwischen einem Angebot und einer bloßen invitatio ad offerendum unterschieden werden. Diese stellt nämlich kein Angebot dar, sondern ist lediglich eine Aufforderung an andere, ihrerseits ein verbindliches Angebot abzugeben. Bei der invitatio ad offerendum fehlt der Rechtsbindungswille des Antragenden.
Beispiel: Werden Waren im Schaufenster eines Geschäfts ausgestellt, fehlt es an einem bestimmten Käufer. Da also die Vertragsparteien noch nicht feststehen, fehlt es an einem wesentlichen Bestandteil. Folglich liegt darin noch kein Angebot. Weitere Beispiele sind Anzeigen in einem Prospekt oder einer Zeitschrift. Wären diese Fälle verbindliche Angebote, könnte eine unbegrenzte Personenanzahl diese annehmen, obwohl der Antragende im Zweifel nur einen Vertrag erfüllen könnte. Dies würde zu einer Schadensersatzpflicht führen. Davor soll der Verkäufer geschützt werden.

 

3. Wirksamwerden
Das Wirksamwerden eines Angebots erfordert gem. § 130 Abs. 1 S. 1 BGB die Abgabe sowie den Zugang beim Empfänger der Willenserklärung.

 

4. Erlöschen des Angebots
§ 145 BGB bestimmt, dass der Antragende an sein Angebot gebunden ist, sofern er diese Gebundenheit nicht ausgeschlossen hat. Diese Bindungswirkung bleibt jedoch nur so lange bestehen, wie das Angebot noch nicht erloschen ist. Dies soll den Antragenden davor schützen, unbestimmt lange an seinen Antrag gebunden zu sein. Das Erlöschen des Angebots bewirkt, dass dieses rechtlich nicht mehr existiert und nicht mehr angenommen werden kann.
Gründe für das Erlöschen sind zum einen die Ablehnung des Angebots (§ 146, 1. Alt. BGB) oder eine Annahme mit geänderten Bedingungen, welche rechtlich betrachtet einen neuen Antrag darstellt (§ 150 Abs. 2 BGB). Des Weiteren erlischt das Angebot, wenn der Antragende eine Frist bestimmt und der Empfänger nicht innerhalb dieser Frist annimmt (§§ 146, 2. Alt.; 148 BGB). Ist keine Frist durch den Antragenden bestimmt, legt das Gesetz fest, dass die Annahme unter Anwesenden sofort erfolgen muss (§ 147 Abs. 1 BGB). Unter Abwesenden kann das Angebot nur bis zu dem Zeitpunkt angenommen werden, in dem der Antragende den Eingang der Antwort unter regelmäßigen Umständen erwarten darf (§ 147 Abs. 2 BGB).

 

II. Annahme

1. Inhalt der Annahme
Die Annahmeerklärung muss in Bezug auf das Angebot abgegeben werden und inhaltlich mit diesem übereinstimmen.
Enthält die Annahme Erweiterungen, Einschränkungen oder sonstige Änderungen, zeigt der Erklärende damit, dass er mit dem Angebot in dieser Weise nicht einverstanden ist. Eine solche Erklärung ist gem. § 150 Abs. 2 BGB eine Ablehnung des Angebots. Die Erweiterungen, Einschränkungen oder sonstigen Änderungen sind ein neues Angebot. Es liegt nun beim ursprünglichen Anbieter, ob der Vertrag zustande kommt; er müsste dem neuen Angebot zustimmen.

 

2. Rechtsbindungswille
Ebenso wie der Antragende, muss der Empfänger des Angebots mit Rechtsbindungswillen handeln.

 

3. Wirksamwerden
Bei der Annahme handelt es sich um eine grundsätzlich empfangsbedürftige Willenserklärung, d.h. sie wird erst mit Zugang beim Antragenden wirksam.

 

4. Sonderfall: Schweigen als Annahme
Grundsätzlich gilt ein bloßes Schweigen im Rechtsverkehr nicht als Willenserklärung und stellt folglich auch keine Annahme dar. Nur ausnahmsweise gilt Schweigen auf ein Angebot als Annahme, wenn die Parteien dies vereinbart haben oder wenn das Gesetz dies bestimmt (z.B. § 516 Abs. 2 S. 2 BGB).

 

C. Werkzeuge

I. Definitionen

Willenserklärung

Die Äußerung eines Willens, welche auf die Setzung einer privatrechtlichen Rechtsfolge gerichtet ist

Rechtsgeschäft

Ein Rechtsgeschäft besteht aus mindestens einer Willenserklärung, und führt die mit der Willenserklärung gewollte Rechtsfolge herbei.

Vertragsschluss /
Einigung

… setzt zwei inhaltlich übereinstimmende, in Bezug aufeinander abgegebene Willenserklärungen, Angebot und Annahme gem. §§ 145 ff. BGB, voraus.

Angebot

Ein (Vertrags-)Angebot gem. § 145 BGB ist eine empfangsbedürftige Willenserklärung, durch die einem anderen der Vertragsschluss so angetragen wird, dass das Zustandekommen des Vertrages nur noch von dessen Einverständnis abhängt.

Annahme

Eine Annahme ist eine grundsätzlich empfangsbedürftige Willenserklärung, welche die vorbehaltsloste Zustimmung zum Angebot enthält

 

II. Prüfungsaufbau: Vertragsschluss

I. Einigung
1. Angebot

  • Inhalt: Sind die essentialia negotii enthalten?

  • Rechtsbindungswille?

  • Wirksamkeit des Angebots: Abgabe und Zugang

2. Annahme

  • Inhalt: Uneingeschränkte Zustimmung?

  • Rechtsbindungswille?

  • Wirksamkeit der Annahme: Abgabe und Zugang

II. Wirksamkeit des Vertrages

 

D. Anwendung

I. Aufgaben

Beispielfall 1: V hat in seinem Schaufenster eine Kaffeemaschine zu einem günstigen Preis ausgestellt. Da die Produktion dieses Modells eingestellt wurde, hat V weder Exemplare auf Lager noch hat er die Möglichkeit, weitere Maschinen desselben Modells zu bestellen. Eines Tages betreten A und B den Laden des V und wollen beide die ausgestellte Kaffeemaschine erwerben. Daraufhin erwidert V, dass er nur noch diese eine Maschine verkaufen könne. Haben A oder B einen Anspruch auf Aushändigung der Kaffeemaschine?

 

Beispielfall 2: A möchte sein altes Fahrrad loswerden und schreibt daraufhin am 11.6.2019 an B eine E-Mail, in der er sein Fahrrad zum Verkauf anbietet. Er möchte dafür 400€ haben. Der B meldet sich nach Eingang der Mail umgehend telefonisch bei A und sagt, dass er das Fahrrad gerne nehmen würde. Er macht jedoch ausdrücklich klar, dass er nur 300€ bezahlen will. Darauf will sich A nicht einlassen und legt auf. Nach zwei Tagen ändert B schließlich seine Meinung und schreibt A am 13.6.2019 per Mail, dass er bereit sei doch die geforderten 400€ zu bezahlen.  Kann B von A Übergabe und Übereignung des Fahrrads verlangen?

 

II. Lösungen

Beispielfall 1:

Ein solcher Anspruch auf Übergabe und Übereignung gem. § 433 Abs. 1 S. 1 besteht, wenn A oder B mit V einen wirksamen Vertrag geschlossen haben.

Dafür müssten sich die Parteien zunächst wirksam geeinigt haben. Ein Vertrag kommt durch zwei inhaltlich übereinstimmende, in Bezug aufeinander abgegebene Willenserklärungen, Angebot und Annahme gem. §§ 145 ff. BGB, zustande.

V könnte vorliegend ein Angebot gemacht haben, indem er die Kaffeemaschine im Schaufenster seines Ladens ausgestellt hat. Ein Angebot ist eine empfangsbedürftige Willenserklärung, durch die einem anderen der Vertragsschluss so angetragen wird, dass das Zustandekommen des Vertrages nur noch von dessen Einverständnis abhängt.

Fraglich ist, ob V durch die Auslage der Kaffeemaschine im Schaufenster bereits ein Angebot auf Abschluss eines Kaufvertrags gemacht hat. Hätte V sich vertraglich binden wollen und ein wirksames Angebot abgegeben, hätten sowohl A als auch B dieses annehmen können und es wäre mit beiden ein Vertrag zustande gekommen. V könnte aber nur einen der beiden Verträge erfüllen können und würde gegenüber dem anderen zum Schadensersatz verpflichtet sein. Zum Schutz des V ist deshalb anzunehmen, dass V selbst noch kein bindendes Angebot gemacht hat. Es fehlt am Rechtsbindungswillen. Das Ausstellen der Kaffeemaschine stellt lediglich eine Aufforderung zur Abgabe eines Angebots dar (sog. invitatio ad offerendum). A und B können also ihrerseits ein Angebot abgeben und V kann entscheiden, ob bzw. wessen Angebot er annehmen möchte.

Somit liegt in der Auslage der Kaffeemaschine kein Angebot des V. A und B konnten daher einzig ein Angebot auf Abschluss eines Kaufvertrages über die Kaffeemaschine an V machen. V hat keines der beiden Angebote angenommen. Somit ist kein Vertrag zustande gekommen. Im Ergebnis haben A und B keinen Anspruch auf Übergabe und Übereignung der Kaffeemaschine aus einem Kaufvertrag gem. § 433 Abs. 1 S. 1. BGB.

 

Beispielfall 2:

B könnte gegen A einen Anspruch auf Übergabe und Übereignung des Fahrrads aus einem Kaufvertrag gem. § 433 Abs. 1 S. 1 BGB haben.

I. Einigung
A und B müssten sich zunächst über den Abschluss eines Kaufvertrages geeinigt haben. Eine Einigung setzt zwei inhaltlich übereinstimmende, in Bezug aufeinander abgegebene Willens-erklärungen, namentlich Angebot und Annahme gem. §§ 145 ff. BGB, voraus.

1. Angebot des A
Die E-Mail des A an B am 11.6.2019 könnte ein Angebot enthalten. Ein Angebot ist eine empfangsbedürftige Willenserklärung, durch die dem anderen ein Vertragsangebot so angetragen wird, dass das Zustandekommen des Vertrages nur noch von dessen Einverständnis abhängt.
Dazu müssten die wesentlichen Vertragsbestandteile (essentialia negotii) enthalten sein. Die essentialia negotii bei einem Kaufvertrag sind der Kaufpreis, die Kaufsache und die Vertragsparteien. Die E-Mail an B enthält die erforderlichen Angaben und das Angebot ist damit hinreichend inhaltlich bestimmt.

A bietet dem B (Vertragsparteien) das Fahrrad (Kaufsache) zum Preis von 400€ (Kaufpreis) an. Damit sind alle essentialia negotii enthalten.
Mithin liegt mit der Mail des A ein Angebot vor.

2. Annahme des B am 11.06.2019
Ferner müsste B dieses Angebot auch angenommen haben. Eine Annahme ist eine grundsätzlich empfangsbedürftige Willenserklärung, durch die der Empfänger sein vorbehaltloses Einverständnis mit dem Angebot erklärt.

Vorliegend teilt B dem A am Telefon mit, dass er das Fahrrad gerne nehme. Ihm seien die 400€ aber zu viel und somit nimmt er dieses Angebot nicht an.

Die Aussage des B, er bezahle 300€ gilt gem. § 150 Abs. 2 BGB als neues Angebot.

3. Annahme des A am 11.06.2019
A erklärt ausdrücklich, dass ihm dies zu wenig sei. Mithin lehnt er das neue Angebot des B ausdrücklich ab.

4. Neues Angebot des B am 13.06.2019
In seiner E-Mail vom 13.6.2019 macht der B dem A ein neues Angebot auf Abschluss eines Kaufvertrages über das Fahrrad zu einem Preis von 400€. A hat sich jedoch nicht dazu geäußert und somit liegt keine Annahme seitens des A vor.

5. Zwischenergebnis
A und B haben sich nicht über den Abschluss eines Kaufvertrages geeinigt.

II. Ergebnis
B hat gegen A keinen Anspruch auf Übergabe und Übereignung des Fahrrads aus einem Kaufvertrag gem. § 433 Abs. 1 S. 1 BGB.