Verwaltungsrecht
A. Einleitung
Das Verwaltungsrecht ist neben dem Verfassungsrecht ein wichtiger Bestandteil des öffentlichen Rechts.
Dabei umfasst es die Gesamtheit aller Rechtsgrundsätze, die den Aufbau und die Tätigkeitsbereiche der öffentlichen Verwaltung regeln. Hauptaufgabe des Verwaltungsrechts ist die Ausführung der Gesetze durch den Staat. Die Verwaltungstätigkeit lässt sich in drei wesentliche Gruppen unterteilen.
Zum einen die Eingriffsverwaltung, welche in die Rechte von Bürger*innen durch beispielsweise Auferlegungen von Verpflichtungen eingreift.
Die Leistungsverwaltung, welche hingegen anders als die Eingriffsverwaltung den Bürger*innen zubilligend gegenübersteht. Der Leistungsverwaltung zuzuordnen sind unteranderem die Sozialverwaltung oder die Förderungsverwaltung, bspw. Bundesagentur für Arbeit, Amt für Ausbildungsförderung.
Als letzte Verwaltungstätigkeit ist die Gewährleistungsverwaltung zu nennen.
Für das Verwaltungsrecht existiert keine eindeutige Kodifikation, vielmehr verteilt sich das Verwaltungsrecht über eine Vielzahl von Gesetzen, Verordnungen, Satzungen, Richtlinien und Verwaltungsvorschriften.
Im Verwaltungsrecht wird zwischen dem allgemeinen und dem besonderen Verwaltungsrecht unterschieden.
Zum allgemeinen Verwaltungsrecht finden sich im Verwaltungsverfahrensgesetz des Bundes oder der Länder weitreichende Regelungen. Das Allgemeine Verwaltungsrecht regelt die grundlegenden Rechtsinstitutionen und Verfahrensweisen. Zum allgemeinen Verwaltungsverfahrensrecht gehören insbesondere der Erlass eines Verwaltungsaktes, einer Satzung, einer Rechtsverordnung oder eines öffentlich-rechtlichen Vertrages, sowie auch die die Organisation der Verwaltung oder die Durchsetzung von Verwaltungsentscheidungen.
Das besondere Verwaltungsrecht umfasst viele verschiedene Reglungsbereiche und ist dabei auf eine bestimmte Verwaltungsaufgabe angepasst. Als Beispiele für das besondere Verwaltungsrecht zu nennen sind das Kommunalrecht, das Ausländer- und Asylrecht, das Polizei- und Ordnungsrecht und das Baurecht.
B. Der Verwaltungsakt
Das Hauptelement des Verwaltungsrechts ist der Verwaltungsakt, das Pendant dazu stellt der Realakt dar. Der Verwaltungsakt zählt zwar zum allgemeinen Verwaltungsrecht, spielt allerdings auch eine wichtige Rolle für das Verwaltungsprozessrecht, da nur bei Vorliegen eines Verwaltungsaktes bestimmte Klagearten statthaft sind.
Der Verwaltungsakt ist in § 35 VwVfG geregelt und stellt jede Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Reglung eines Einzelfalls auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist, dar.
Bei einem Verwaltungsakt kann zwischen befehlenden, rechtsgestaltenden sowie feststellenden Verwaltungsakten unterschieden werden. Verwaltungsakte können sowohl belastend als auch begünstigend wirken.
Prüfungsmaßstab:
I. Hoheitliche Maßnahme II. Behörde III. Regelung IV. Einzelfall V. auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts VI. Außenwirkung |
C. Anwendungsfall:
Nachdem es zu häufigen Demonstrationen vor Metzgereien von Tieraktivist*innen kam und Mitarbeiter*innen bedroht und angegriffen wurden, trat am 04. Mai 2022 das Gesetz zum Schutz von Metzgereien in Kraft. § 3 des Gesetzes besagt, dass öffentlichen Versammlungen außerhalb von Ruf- und Sichtweite von Metzgereien verlegt werden müssen.
Einige Tage später versammeln sich vor einer Metzgerei 20 Mitglieder*innen des Tiervereins F und halten dort eine sog. „Mahnwache“ ab. Sie halten Schilder hoch auf denen Parolen abgedruckt sind, wie zum Beispiel: „Mörder“, „Auch Tiere haben ein Leben“, „Metzger sollten gemetzelt werden“. Daneben tragen sie selbst gedichtete Texte zur Abschreckung der Kund*innen vor.
Die Mahnwache wird nach ordnungsgemäßer Anhörung der F von der zuständigen Behörde an einen anderen Ort außerhalb von Ruf- und Sichtweite zur Metzgerei verlegt.
Handelt es sich bei der Verlegung um einen Verwaltungsakt?
Fraglich ist, ob es sich bei der Verlegung um einen Verwaltungsakt gem. § 35 VwVfG handelt.
I. Hoheitliche Maßnahme
Dafür müsste es sich bei der Verlegung, um eine hoheitliche Maßnahme handeln.
Eine Maßnahme stellt ein Handeln oder Tun dar. Hoheitlich ist die Maßnahme, wenn sie auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts erfolgt. Die Handlung der Behörde, die durch die Verlegung getätigt wurde, erfolgte auf Grundlage des Gesetz zum Schutz von Metzgereien. Eine hoheitliche Maßnahme liegt somit vor.
II. Behörde
Die Handlung müsste zudem durch eine Behörde vollzogen worden sein. Eine Behörde ist jede staatliche Stelle, die Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnimmt. Die Verlegung der F erfolgte durch die zuständige Behörde. Aufgrund der gegebenen Zuständigkeit der Behörde ist nicht weiter darauf einzugehen, um welche Behörde es sich konkret handelt. Demnach wurde die Handlung von einer Behörde vollzogen.
III. Regelung
Zu klären ist, ob die Maßnahme zum Zweck einer Reglung ergangen ist. Eine Reglung im Rahmen des Verwaltungsaktes meint, dass das behördliche Handeln darauf gerichtet sein muss, eine einseitige verbindliche Rechtsfolge zu setzen, gemeint sind damit Rechte des Betroffenen, welche unmittelbar begründet, geändert, aufgehoben, mit bindender Wirkung festgestellt oder verneint werden. Die Verlegung wurde aufgrund des Gesetzes zum Schutz von Metzgereien veranlasst, demnach sollen öffentliche Versammlungen außerhalb von Ruf- und Sichtweite verlegt werden. Eine Maßnahme zum Zweck einer Regelung wurde somit getroffen.
IV. Einzelfall
Fraglich ist, ob ein Einzelfall vorliegt. Ein Einzelfall wird durch den Empfängerkreis und dessen Inhalt definiert. Von dem Erlass der Maßnahme sind die 20 Mitglieder*innen der F betroffen, sie sollen aufgrund ihrer Versammlung vor einer Metzgerei an einen anderen Ort verlegt werden. Die konkrete Situation, sowie der individuelle Personenkreis sind bestimmbar. Ein Einzelfall ist somit gegeben.
V. Auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts
Zudem müsste die Maßnahme dem öffentlichen Recht zuzuordnen sein. Eine Maßnahme wird auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts getroffen, wenn die Beteiligten zueinander in einem hoheitlichen Verhältnis der Über- und Unterordnung stehen. Die zuständige Behörde steht zur F in einem Über- und Unterordnungsverhältnis und verlegt nach ordnungsgemäßer Anhörung die F an einen Ort außerhalb von Ruf- und Sichtweite im Sinne des § 3 Gesetz zum Schutz von Metzgereien. Die Maßnahme ist dem öffentlichen Recht zuzuordnen.
VI. Außenwirkung
Die hoheitliche Maßnahme muss im Weiteren auf eine Außenwirkung gerichtet sein. Die getroffene Regelung soll nicht nur darauf abzielen, im Bereich der Behörde Wirkung zu zeigen, sondern muss darauf gerichtet sein, unmittelbar die Rechtsposition von natürlichen oder juristischen Personen verbindlich zu gestalten oder festzustellen. Durch die Maßnahme der Verlegung der „Mahnwache“ der F wird unmittelbar eine Rechtsfolge herbeigeführt. Demnach ist die Maßnahme auf eine Außenwirkung gerichtet.
VII. Ergebnis
Die Verlegung stellt eine auf den Einzelfall bezogene, hoheitliche Maßnahme einer Behörde zur Regelung auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts mit Außenwirkung dar. Ein Verwaltungsakt liegt demnach vor.
D. Werkzeuge
Verwaltungsakt (§ 35 VwVfG)
| Ein Verwaltungsakt stellt jede Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Reglung eines Einzelfalls auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist, dar. |
Befehlende Verwaltungsakt | Befehlende Verwaltungsakte verpflichten zu einem bestimmten Verhalten. |
Rechtsgestaltende Verwaltungsakte | Rechtsgestaltende Verwaltungsakte begründen, verändern oder beseitigen ein konkretes Rechtsverhältnis. |
Feststellende Verwaltungsakte | Feststellende Verwaltungsakte stellen die im Gesetz formulierte Rechtslage für den Einzelfall verbindlich fest. |
Hoheitliche Maßnahme
| Eine Maßnahme stellt ein Handeln oder Tun dar. Hoheitlich ist die Maßnahme, wenn sie auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts erfolgt. |
Behörde
| Eine Behörde i.S.d. Verwaltungsverfahrensrecht ist jede staatliche Stelle, die Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnimmt (vgl. § 1 VwVfG) |
Reglung
| Eine Reglung im Rahmen des Verwaltungsaktes meint, dass das behördliche Handeln darauf gerichtet sein muss, eine einseitige verbindliche Rechtsfolge zu setzen, gemeint sind damit Rechte des Betroffenen, welche unmittelbar begründet, geändert, aufgehoben, mit bindender Wirkung festgestellt oder verneint werden. |
Auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts | Eine Maßnahme wird auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts getroffen, wenn die Beteiligten zueinander in einem hoheitlichen Verhältnis der Über- und Unterordnung stehen. |
E. Wiederholung