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Zivilrechtlicher Notstand, §§ 228, 904 BGB

A. Einführung

Das Zivilrecht statuiert Rechtfertigungsgründe, die gegenüber § 34 StGB spezieller sind. Zu unterscheiden sind der defensive Notstand gem. § 228 BGB und der aggressive Notstand gem. § 904 BGB.

 

B. Zivilrechtlicher Notstand

I. Defensiver Notstand, § 228 BGB

Beim defensiven Notstand geht es um die Gefahrabwehr durch Einwirkung auf die gefahrschaffende Sache selbst, z. B. beim Tierangriff. Wenn das Rechtsgut beschädigt wird, von dem die Gefahr ausgeht und nicht ein unbeteiligtes Gut, erklärt sich die Kennzeichnung als Defensivnotstand. Der Defensive Notstand beruht auf der Sozialbindung des Eigentums. Der Eigentümer trägt grundsätzlich die Verantwortung dafür, dass seine Sache keine Gefahrenquelle für Dritte darstellt. Diese Verantwortung stuft das Gesetz höher ein als das Interesse des Eigentümers an der Erhaltung der Sache. Die von dem Gut ausgehende Gefahr ist nicht von § 32 StGB erfasst, da es sich bei der ausgehenden Gefahr nicht um einen menschlichen Angriff handelt. Wird dagegen bspw. ein Tier, das i.S.d. § 90a BGB als Sache behandelt wird, von einem Menschen als Angriffswerkzeug genutzt, handelt es sich um einen menschlichen Angriff und § 32 StGB ist einschlägig.

Die Einwirkung auf die gefahrschaffende Sache ist nicht rechtswidrig, auch wenn der Eingreifende die Gefahr verschuldet hat. Hat der Eingreifende die Gefahr verschuldet, ist er zum Schadensersatz verpflichtet, § 228 Abs. 2 BGB.

Beispiel: Bei einem Unfall wird der Zaun auf Antons Grundstück beschädigt. Sein großer Wachhund Rex bricht dabei aus dem Grundstück des Anwesens aus. Einige Straßen weiter rennt Rex mit gefletschten Zähnen auf Viktor zu. Um den drohenden Bissen zu entgehen, stößt Viktor den Hund eine Eisenstange gegen die Schnauze. Der Hund erleidet dadurch schwere Verletzungen, denen er erliegt. Anton ist kein Unbeteiligter, auf dessen Kosten sich Viktor vor den drohenden Bissverletzungen rettet. Zwar kann Anton nichts für den Unfall, Rex ist jedoch sein Hund und von eben diesem geht die Gefahr aus. Daher treffen Anton weitergehende Duldungspflichten, als einen Unbeteiligten. Wie weit die Duldungspflicht im Defensivnotstand reicht ist Frage einer Interessenabwägung.

 

1. Notstandslage

Voraussetzung der Rechtfertigung ist die Notstandslage. Eine solche ist gegeben, wenn die Gefahr der Verletzung eines notstandsfähigen Rechtsguts durch eine fremde Sache droht.

Eine Sache ist fremd, wenn sie nicht im Alleineigentum des Täters steht und nicht herrenlos ist.

 

a) Drohende Gefahr

Erforderlich ist die auf den tatsächlichen Umständen gegründete Wahrscheinlichkeit eines drohenden Schadens. Die Gefahr muss nicht gegenwärtig sein. Eine bloß unbestimmte Möglichkeit eines künftigen Schadenseintritts genügt hingegen nicht. Es muss jedoch nicht abgewartet werden, ob ein Schaden tatsächlich eintritt. Es darf daher bspw. eine Maßnahme gegen einen fortgelaufenen Hund getroffen werden, wenn er nicht gerade jemanden verfolgt. Es genügt nicht allein ein rechtswidriger Zustand zum Auslösen der Notstandslage. Für die Notstandslage ist erforderlich, dass bei Nichteingreifen eine neue Rechtsgutsverletzung eintreten oder eine bereits erfolgte Rechtsgutsverletzung verschlimmert wird.

§ 228 StGB ist nicht anwendbar bei sozialadäquaten Beeinträchtigungen, die nach allgemeiner Bewertung keiner rechtlichen Missbilligung unterliegen und denen die Betroffenen deshalb nicht durch Beschädigung oder Zerstörung der Sache entgegentreten dürfen. Dies gilt bspw. für allergieauslösende Wirkungen von Pflanzen und Tieren in der Nachbarschaft.

 

b) Notstandsfähiges Rechtsgut

Alle rechtlich geschützten Interessen sind notstandsfähig, Vermögensinteressen eingeschlossen.

Liegt eine Gefahr für ein notstandsfähiges Rechtsgut eines Dritten vor, besteht unter den oben genannten Voraussetzungen eine Notstandshilfelage i.S.d. § 228 BGB. Die Nothilfe darf sich jedoch nicht gegen den erkennbaren Willen des Inhabers der individuellen Rechtsposition richten, da es erlaubt ist eigene Rechte aufzugeben.

Die Gefährdung von Allgemeininteressen löst ebenfalls keine Notstandslage aus.

 

2. Notstandshandlung

Die Notstandshandlung erfasst die Beschädigung oder Zerstörung der Sache, von der die Gefahr ausgeht. Die Beschädigung ist eine nicht unerhebliche Verletzung der Substanz, die die Sache in ihrer Brauchbarkeit beeinträchtigt. Eine Zerstörung ist eine so weitgehende Beschädigung, dass die Gebrauchsfähigkeit der Sache vollkommen aufgehoben worden ist.

Die Notstandshandlung muss erforderlich und verhältnismäßig sein.

Die Notwehrhandlung ist erforderlich, wenn sie zur Gefahrabwehr geeignet ist und das mildeste zur Verfügung stehende Mittel darstellt, wobei im Gegensatz zu § 32 StGB eine mögliche Flucht zu ergreifen ist. Bei der Notwehr i.S.d. § 32 StGB gilt der Grundsatz, dass das Recht dem Unrecht nicht zu weichen braucht. Im Gegensatz zur Notwehr steht hier nicht die Selbstbehauptung des Rechts gegen das Unrecht zur Debatte. Eine Notstandshandlung ist geeignet, wenn es mit ihr zumindest möglich ist, das Rechtsgut zu verteidigen. Von mehreren zur Verfügung stehenden Mitteln ist dasjenige das mildeste, das am wenigsten in die gefahrschaffende Sache eingreift.

Die Notwehrhandlung ist verhältnismäßig, wenn das durch sie beeinträchtigte Interesse nicht außer Verhältnis zum geschützten Interesse steht. Dabei ist kein Interessenübergewicht erforderlich, noch muss der drohende Schaden gegenüber dem entstandenen Schaden unverhältnismäßig groß sein. Das Leben und die Gesundheit wiegen in der Abwägung mehr als der Vermögenswert der von der Notstandshandlung betroffenen Sache. Bei der Abwendung von Sachgefahren durch Beschädigung oder Zerstörung der gefährlichen Sachen darf der Notstandstäter unter Umständen sogar einen größeren Schaden anrichten, als er von der betreffenden Sache her droht. Bei Tieren ist neben ihrer rechtlichen Behandlung als Sache (vgl. § 90a BGB) der Affektionswert zu berücksichtigen. Als Affektionswert wird der Wert bezeichnet, den der Halter oder Angehörige dem Tier aus emotionalen Motiven beimessen. Der durch die Notstandshandlung verursachte Schaden darf nicht außer Verhältnis zu der Gefahr stehen, also nicht selbst nicht unverhältnismäßig groß sein. Dies ist dann der Fall, wenn sich der durch die Notstandshandlung verursachte Notstandsschaden in einer anderen Größenordnung bewegt. Grundsätzlich liegt die Verhältnismäßigkeit vor, weil die Gefahr eben von der durch die Notstandshandlung betroffenen Sache ausgeht. Ausnahmsweise kann bei einer außergewöhnlich wertvollen Sache, eine ganz leichte Körperverletzung hinzunehmen sein.

Der Schaden wäre im Beispielsfall auch dann nicht unverhältnismäßig, wenn der Hund Rex ein sehr wertvoller Rassehund ist und Viktor nur leichteste Bissverletzungen drohen. Im Übrigen kann man die Frage stellen, ob der Stoß in den Rachen des Hundes zur Anwendung der Gefahr erforderlich ist.

Beispiel: Die Tötung eines angreifenden wertvollen Hundes (1500 Euro) ist nicht gerechtfertigt, wenn sich der Angriff des Hundes auf eine Einkaufstüte mit Waren im Wert von 50 Euro richtete.

 

3. Gefahrabwendungswille

Als subjektives Rechtfertigungselement ist der Abwendungswille erforderlich. Der Täter muss mit Gefahrabwendungswillen handeln. Dazu muss er in Kenntnis der rechtfertigenden Umstände und zur Gefahrabwehr handeln.

 

Exkurs: Schadensersatzanspruch, gem. § 228 S. 2 BGB

Wurde die Gefahr von Notstandstäter verschuldet, z.B. indem er den Hund vorher angestachelt hat, gibt § 228 S. 2 BGB dem Sacheigentümer einen Anspruch auf Ersatz seines Schadens. Ein Verschulden schließt die Rechtfertigung der Tat als solche nicht grundsätzlich aus. Das Mitverschulden kann bei der Verhältnismäßigkeit des Schadens berücksichtigt werden. Bei einer böswilligen Provokation, indem bspw. der Hund zum Angriff angestachelt wird, um dessen Tötung zu legitimieren, bietet es sich an, dem Täter die Berufung auf § 228 BGB als rechtsmissbräuchlich zu versagen, wie bei § 32 StGB im Rahmen der sozialethischen Einschränkung des Notwehrrechts.

 

II. Aggressiver Notstand § 904 BGB

Beim aggressiven Notstand richtet sich die Notstandshandlung nicht gegen Sache, von der die Gefahr ausgeht, sondern gegen eine unbeteiligte Sache. Die Anforderungen an die Rechtfertigung sind daher höher als beim defensiven Notstand. Unbeteiligte können nur in engen Grenzen zur Duldung einer Rechtsgutsverletzung verpflichtet werden, damit ein anderer vor Schaden bewahrt wird. Dabei spricht man von Mindestsolidarität, die den Bürgern gebietet, im wechselseitigen Interesse bestimmte Beeinträchtigungen zu ertragen. Jede Gesellschaft ist darauf angewiesen, ihre Bürger in einem bestimmten Rahmen zur Wahrung überindividueller Interessen in die Pflicht zu nehmen.

Beispiel: Bei einem Unfall mit schwer verletzten Personen ist Paul nicht bereit, sein Smartphone zur Verfügung zu stellen, damit Hilfe gerufen werden kann. Die Rechtsordnung stellt eine Möglichkeit bereit, ihn zu diesem Minimum an menschlicher Solidarität zu zwingen. § 323c StGB liegt ebenfalls der Gedanke der Mindestsolidarität zugrunde, mit dem Unterschied, dass über eine Duldung von Rettungsmaßnahmen hinaus eine Hilfeleistung verlangt wird. Die Beeinträchtigungen, die dem Unbeteiligten als Folge einer von ihm zu duldenden Notstandstat auferlegt werden können, sind im Einzelfall anhand einer Interessenabwägung zu konkretisieren.

§ 904 BGB beruht auch auf dem Aufopferungsgedanken. Dabei muss der Eigentümer einer Sache, die nicht Gefahrenquelle ist, eine erforderliche Einwirkung auf seine Sache dulden. Er ist nicht dazu berechtigt, die Einwirkung des anderen auf die Sache zu verbieten. Das Vorliegen einer Duldungspflicht bedeutet, dass das Verhalten des Gegenübers gerechtfertigt ist. Dafür wird dem duldenden ein Schadensersatzanspruch als Ausgleich gewährt.

 

1. Notstandslage

Die Notstandslage setzt eine gegenwärtige Gefahr der Verletzung eines notstandsfähigen Rechtsguts voraus.

 

a) Gefahrenquelle

Die Quelle der Gefahr ist irrelevant. Es kann sich um von Menschen verursachte Einwirkungen oder um Naturgewalten handeln. Nicht als gefahrdrohende Sachen i.S.d. § 228 BGB, sondern § 904 BGB sind einzuordnen: Ein Damm, der bei einem Unwetter große Regenmassen anstaut (Gefahrenquelle sind die Regenmassen), Netze im Meer, die mit anderen Netzen zu verwickeln drohen (Gefahrenquellen sind der Seegang und Sturm).

Hinsichtlich der Richtung und dem Ziel der Gefahr trifft § 904 BGB keine Regelungen. Es ist daher unerheblich, ob sich die Gefahr gegen denjenigen richtet, der die Einwirkung vornimmt, oder gegen einen anderen. Handelt es sich bei der Abwehr um eine Gefahr die dem Einwirkenden droht, handelt es sich um einen Aggressivnotstand. Droht die Gefahr nicht dem Einwirkenden, sondern einem Dritten, handelt es sich um Aggressivnotstandshilfe.

Es spielt keine Rolle, ob der Handelnde oder ein anderer die Gefahr verschuldet oder nicht verschuldet hat. Ferner ist es nicht wichtig, ob die Gefahr vorhersehbar war oder nicht. Jedoch kann im Rahmen des möglichen Schadensersatzes nach § 904 S. 2 BGB, § 254 BGB analog angewendet werden, wenn der Eigentümer selbst zur Gefahrentstehung beigetragen hat.

Notstandsfähig sind eigene und fremde Rechtsgüter aller Art. Der Aggressivnotstand richtet sich jedoch nicht gegen die Sache, von der die Gefahr ausgeht, da in diesem Fall § 228 BGB einschlägig ist.

 

b) Gegenwärtige Gefahr

Die Gefahr muss im Gegensatz zu § 228 BGB nicht nur drohen, sondern gegenwärtig sein. Eine Gefahr ist gegenwärtig, wenn die Gefahr in nächster Zeit zu einem Schaden führen kann und ein Abwarten zu einer Verringerung der Abwehrmaßnahmen führt. Rasches Eingreifen muss erforderlich sein. Für die Abgrenzung von bereits vergangenen Gefahren und nur zukünftig drohenden Gefahren sind zwei Punkte ausschlaggebend: Die Wahrscheinlichkeit des Eintritts des gefährlichen Ereignisses (ob) und den vermutlichen Zeitpunkt des Eintritts (wann). Bei der gegenwärtigen Gefahr ist für beide Daten ein hoher Wahrscheinlichkeitsgrad und Grad der zeitlichen Nähe notwendig.

Über die Dauer der Gefahr sagt das Merkmal der Gegenwärtigkeit nichts aus. Regelmäßig sind gegenwärtige gefahren von relativ kurzer Dauer (z.B. Sturm, Gewitter). Es gibt jedoch auch Gefahren, die sich über eine längere Zeit hinziehen (z.B. Blindgänger, einsturzgefährdetes Gebäude). Solche Gefahren sind gegenwärtig, wenn der Zeitpunkt des Schadenseintritts zwar ungewiss ist, mit seinem Eintritt aber jederzeit gerechnet werden muss.

 

2. Notstandshandlung

Die Notstandshandlung stellt eine unmittelbare oder mittelbare Einwirkung auf eine nicht die gegenwärtige Gefahr schaffende, fremde Sache dar, die notwendig und verhältnismäßig sein muss. Die Einwirkung ist weit zu verstehen. Darunter fällt bspw. die Zerstörung, Beschädigung, Veränderung, Weggabe, Verlagerung oder der Gebrauch der Sache, das Niederreißen eines fremden Zauns oder Eindringen in ein fremdes Gebäude zum Feuerlöschen. Die Einwirkung kann unmittelbar oder mittelbar erfolgen, wie bspw. ist das Öffnen einer Schleuse, das zur Vermeidung eines Dammbruchs führt und dazu führt, dass das herausströmende Wasser den anliegenden Obstanbau vernichtet, eine Einwirkung auf das überflutete Land, obwohl die Handlung sich nicht unmittelbar gegen das Land richtet.

Die Notstandshandlung muss notwendig sein, was begrifflich der Erforderlichkeit entspricht. Die Notwehrhandlung ist notwendig, wenn sie zur Gefahrabwehr geeignet ist und das mildeste zur Verfügung stehende Mittel darstellt, wobei im Gegensatz zu § 32 StGB auch die mögliche Flucht zu ergreifen ist. Die taugliche Maßnahme und die sachgerechte Auswahl mehreren geeigneten Maßnahmen sind nach obj. Maßstäben zu beurteilen.

Die Notstandshandlung ist verhältnismäßig, wenn das durch sie beeinträchtigte Interesse nicht außer Verhältnis zum geschützten Interesse steht. Es erfolgt daher eine Interessenabwägung. Auf der einen Seite ist der Sachschaden zu berücksichtigen, der dem Eigentümer infolge der Einwirkung entsteht. Demgegenüber müssen auf der anderen Seite die Einbußen, die dem betroffenen Rechtsgut drohen, als erheblich höherwertig einzuschätzen sein. Der drohende Schaden muss gegenüber dem aus der Einwirkung entstehenden Schaden unverhältnismäßig groß sein. Diese Anforderung fällt im Vergleich zu § 228 BGB deutlich strenger aus.

Zunächst kommt es auf die Art des betroffenen Rechtsguts an. Ist das betroffene Rechtsgut gleichfalls eine Sache oder ein vermögenswerter Gegenstand, sind die Werte der beiden Verluste in Geld abzuschätzen. Unverhältnismäßigkeit des drohenden Schadens liegt vor, wenn der abzuwendende Schaden an der bedrohten Sache mindestens 50 % höher ist als der durch die Einwirkung dem Eigentümer entstehende Schaden. Bei Tieren ist neben ihrer rechtlichen Behandlung als Sache (vgl. § 90a BGB) der Affektionswert zu berücksichtigen. Die Einwirkung i.S.d. § 904 BGB ist unverhältnismäßig, wenn der Wert des geschützten Tieres ebenso hoch ist wie der Wert der zerstörten Sache. Ist das bedrohte Rechtsgut keine Sache oder kein sonstiger Vermögensgegenstand, ist die Güterabwägung nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen vorzunehmen. Dabei ist das Rechtsgut Leben immer erheblich höherwertiger gegenüber hohen Sachverlusten. Das Gleiche gilt für schwere Körper- oder Gesundheitsverletzungen. Immaterielle Interessen und höchstpersönliche Rechtsgüter haben gegenüber materiellen Interessen regelmäßig Vorrang. Bei leichtesten Körperverletzungen kann es an der erheblichen Höherwertigkeit fehlen, wenn auf der anderen Seite die Zerstörung einer sehr wertvollen Sache abgewendet wird.

 

3. Gefahrabwendungswille

Letztlich muss der Täter der Gefahr mit Abwendungswillen entgegengetreten sein. Dazu muss er in Kenntnis der rechtfertigenden Umstände und zur Gefahrabwehr handeln.

 

4. Widerstand gegen den aggressiven Notstand

§ 904 BGB gewährt ein echtes Eingriffsrecht. Liegen seine Voraussetzungen vor, darf die Sache dem Eigentümer gegebenenfalls mit Gewalt weggenommen werden. Leistet der Eigentümer gegen die rechtmäßige Wegnahme der Sache aktiven Wiederstand, so handelt es sich dabei um einen gegenwärtigen rechtswidrigen Angriff. Zwar rechtfertigt § 904 BGB keine Körperverletzung, in dem Fall kommt allerdings Notwehr i.S.d. § 32 StGB in Betracht. Bsp.: Nach einem Unfall mit schwer verletzten Personen ist Paul nicht bereit den Rettungsdienst zu verständigen oder sein Smartphone zur Verfügung zu stellen, damit Hilfe gerufen werden kann. Versucht Ben ihm sein Smartphone zu entwinden, ist dieser Versuch nach § 904 BGB gerechtfertigt. Reagiert Paul darauf mit Schlägen, begründet er damit eine Notwehrlage. Ben ist nach § 32 StGB gerechtfertigt, wenn er diesen rechtwidrigen Wiederstand mit erforderlichen Mitteln, wie einem Faustschlag, bricht.

 

Exkurs: Schadensersatzanspruch, § 904 S. 2 BGB

Dem Eigentümer, der die Wegnahme, Beschädigung oder Zerstörung seiner Sache dulden muss steht nach § 904 S.2 BGB ein Schadensersatz zu.

 

C. Werkzeug

Prüfungsaufbau

Defensiver Notstand § 228 BGB

I. Notstandslage (objektiv)

Von einer Sache ausgehende drohende Gefahr für ein Rechtsgut

drohende Gefahr: Zustand, in dem nach den konkreten Umständen der Eintritt des Schadens ernstlich zu erwarten ist.

II. Notstandshandlung (objektiv)

1.Beschädigung oder Zerstörung der Sache von der die Gefahr ausgeht

2.Erforderlichkeit

a) Geeignetheit

Eine Notstandshandlung ist geeignet, wenn es mit ihr zumindest möglich ist, das Rechtsgut zu verteidigen.

b) Mildestes Mittel

Von mehreren zur Verfügung stehenden Mitteln ist dasjenige das mildeste, das am wenigsten in die gefahrschaffende Sache eingreift.

3.Verhältnismäßigkeit

Interessenabwägung: Der drohende Schaden darf nicht außer Verhältnis zur drohenden Gefahr stehen. Grundsätzlich liegt die Verhältnismäßigkeit vor, weil die Gefahr von der Sache ausgeht. Ausnahmsweise kann bei einer besonders wertvollen Sache, eine leichte Körperverletzung hinzunehmen sein.

III.  Gefahrabwendungswille (Subjektiv)

Handeln in Kenntnis der rechtfertigenden Umstände und zur Gefahrabwehr.

 

Aggressiver Notstand § 904 BGB

I. Notstandslage (objektiv)

Es droht eine gegenwärtige Gefahr für ein notstandsfähiges Rechtsgut.

Gefahr: Zustand, in dem nach den konkreten Umständen der Eintritt des Schadens ernstlich zu erwarten ist. Die Gefahr geht nicht von der fremden beeinträchtigten Sache aus.

II. Notstandshandlung (objektiv)

1.Einwirkung auf eine fremden Sache (Ingebrauchnahme, Beschädigung, Zerstörung)

2.Notwendigkeit

a) Geeignetheit

Eine Notstandshandlung ist geeignet, wenn es mit ihr zumindest möglich ist, das Rechtsgut zu verteidigen.

b) Mildestes Mittel

Von mehreren zur Verfügung stehenden Mitteln ist dasjenige das mildeste, das am wenigsten in die Rechtsgüter des Angreifers eingreift.

3.Verhältnismäßigkeit

Interessenabwägung: Der drohende Schaden der Notstandshandlung darf nicht außer Verhältnis zum drohenden Schaden der Gefahr stehen. Der drohende Schaden muss gegenüber dem durch den Eingriff verursachten Schaden unverhältnismäßig groß sein.

III. Gefahrabwendungswille (Subjektiv)

Handeln in Kenntnis der rechtfertigenden Umstände und zur Gefahrabwehr.