Tötungsdelikte
A. Einleitung
Tötungsdelikte geraten regelmäßig in den Fokus der Öffentlichkeit. Gesellschaftliche Bedeutung erlangen diese Delikte – auch Kapitalverbrechen genannt – wegen der oftmals „grausamen“ Begehungsweise bzw. wegen ihrer „besonderen Verwerflichkeit“.
Der polizeilichen Kriminalstatistik des Bundeskriminalamts zufolge erfasste die Polizei im Jahre 2018 901 Mordfälle und 1.570 Fälle des Totschlags bzw. der Tötung auf Verlangen. Die Aufklärungsquote im Bereich des Mordes lag bei 95,3 %, die Aufklärungsquote in Fällen des Totschlags bzw. der Tötung auf Verlangen lag bei 96,5 %.
Der nachfolgende Beitrag beschäftigt sich mit der Systematik der Tötungsdelikte und der Anwendung des Gelernten in kleinen Fällen. Näher begutachtet werden zunächst die Straftatbestände des Mordes, des Totschlags und der Tötung auf Verlangen. Sodann erfolgt eine Begutachtung des Straftatbestandes der fahrlässigen Tötung und zuletzt erfolgt eine schematische Darstellung der wesentlichen Erfolgsqualifikationen.
B. Tötungsdelikte
I. Vorsätzliche Tötungsdelikte
1. Totschlag, § 212 StGB
Der Totschlag ist ein vorsätzliches Tötungsdelikt und mit einer Mindestfreiheitsstrafe von 5 Jahren bedroht. Der Straftatbestand des Totschlags ist ein Erfolgsdelikt. Die Prüfung des § 212 StGB gliedert sich – wie üblich – in Tatbestandsmäßigkeit, Rechtswidrigkeit und Schuld.
Tatbestandsmäßige Voraussetzung ist zunächst die Tötung eines anderen Menschen. Dies meint jede zurechenbare Verkürzung menschlichen Lebens. Ein Suizid – mithin die Selbsttötung – ist in Deutschland nicht strafbar und stellt somit keinen Totschlag dar.
Die Tathandlung muss kausal für den Erfolgseintritt sein und der Taterfolg muss dem Täter objektiv zurechenbar sein. Als subjektive Tatbestandsvoraussetzung muss Vorsatz – zumindest dolus eventualis – gegeben sein.
Im Rahmen der Rechtswidrigkeit gibt es keine Besonderheiten, es gelten die allgemeinen Rechtsfertigungsgründe. Hinsichtlich der Schuldfrage gilt es zu beachten, dass eine verminderte Schuldfähigkeit i.S.v. § 20 StGB ab einer Blutalkoholkonzentration (BAK) von 2,2 ‰ und eine Schuldunfähigkeit in der Regel ab einer BAK von 3,3 ‰ zur Tatzeit angenommen werden kann, wobei die Schuldfrage letzten Endes immer eine Einzelfallfrage bleibt und somit die individuellen Gegebenheiten mit einbezogen werden müssen. Begründet wird diese erhöhte Anforderung an die BAK mit der gesteigerten Hemmschwelle bei der Begehung eines Tötungsdelikts (sog. Hemmschwellentheorie). Im Übrigen sind auch hier die allgemeinen Entschuldigungsgründe zu beachten.
2. Mord, § 211 StGB
Weit verbreitet ist der Irrglaube, dass ein Mord immer geplant, also vorsätzlich begangen wird und der Totschlag hingegen eine Affekttat, d.h. eine ungeplante, von Emotionen geleitete Tat ist. Diese Ansicht entstammt dem US-amerikanischen Strafrecht und hat mit der Situation in Deutschland nichts gemeinsam. Auch bei einem Totschlag handelt es sich um ein vorsätzliches Tötungsdelikt – fehlt es am Vorsatz, so bleibt nur noch Raum für eine Strafbarkeit wegen fahrlässiger Tötung. Der Mord hingegen baut auf dem Straftatbestand des Totschlags auf und setzt voraus, dass zu der vorsätzlichen Tötung die Verwirklichung eines Mordmerkmals hinzutreten muss, durch das die Tat einen besonderen Unrechtsgehalt erreicht, welcher sie von einem Totschlag abgrenzt.
Der Straftatbestand des Mordes ist ebenfalls ein Erfolgsdelikt mit der Rechtsfolge einer lebenslangen Freiheitsstrafe. Entgegen dem Irrtum vieler Personen bedeutet eine lebenslange Freiheitsstrafe wie hier bereits herausgearbeitet keine zeitige Freiheitsstrafe von maximal 15 Jahren.
Tatbestandliche Voraussetzung ist zunächst die kausale und objektiv zurechenbare Tötung eines anderen Menschen i.S.d. § 212 Abs. 1 StGB. Hinzutreten muss ein Mordmerkmal. Differenziert werden muss zwischen täterbezogenen und tatbezogenen Mordmerkmalen. Die Merkmale der 2. Gruppe des § 211 Abs. 2 StGB sind tatbezogene Mordmerkmale, mithin Heimtücke, Grausamkeit sowie die Begehung der Tat mittels gemeingefährlicher Mittel dar.
Heimtücke
Heimtückisch handelt, wer die Arg- und Wehrlosigkeit des Opfers in feindlicher Willensrichtung ausnutzt. Arglos ist, wer sich keines Angriffs versieht und wehrlos ist, wer infolge seiner Arglosigkeit in seiner Verteidigung stark eingeschränkt ist.
Umstritten ist hierbei lediglich das Merkmal der feindlichen Willensrichtung. Dieses dient dazu, mitleidsmotivierte Tötungen aus dem Anwendungsbereich des § 211 StGB herauszunehmen, da ansonsten eine Verurteilung wegen Mordes aufgrund von Heimtücke erfolgen müsste.
Die Arglosigkeit des Opfers ist in den Fallgruppen der Schlafenden, der Betrunkenen, der Bewusstlosen und der Säuglinge besonders genau zu untersuchen.
Beispiel: T versteckt sich auf einem Hochsitz und erschießt die vorbeireitende O mit einem gezielten Kopfschuss aus 150 m Entfernung
Grausamkeit
Grausam tötet, wer dem Opfer zur Tötung bewusst mehr körperliches oder seelisches Leid zufügt, als für den Tötungsakt erforderlich ist.
Beispiel: T hält den O über 3 Tage gefangen, foltert ihn und tötet ihn anschließend mit einem gezielten Kopfschuss.
Gemeingefährliche Mittel
Gemeingefährliche Mittel sind solche, deren Wirkung auf Leib oder Leben vieler bzw. mehrerer Menschen durch den Täter nicht beherrschbar ist, weil er die Ausdehnung der Gefahr beim Einsatz des Mittels nicht in seiner Gewalt hat.
Beispiel: T zündet in der Innenstadt einen Sprengsatz. Es sterben 3 Menschen durch die Wirkungen der Detonation.
Die Prüfung der Mordmerkmale der ersten und dritten Gruppe des § 211 Abs. 2 StGB erfolgt im subjektiven Tatbestand. Deren Verwirklichung verlangt zunächst den Vorsatz auf die objektiven Umstände des § 212 StGB sowie den Vorsatz auf die Mordmerkmale der 2. Gruppe. Sodann erfolgt die Prüfung der Mordmerkmale der ersten und dritten Gruppe:
Ermöglichungsabsicht
Ermöglichungsabsicht liegt vor, wenn die Tötung begangen wird, um eine andere Straftat zu ermöglichen.
Beispiel: T tötet den O, um seine wertvolle Gemäldesammlung zu entwenden.
Verdeckungsabsicht
In Verdeckungsabsicht handelt, wer zielgerichtet entweder die Aufdeckung einer Tat oder aber die Identifizierung des Täters verhindern will.
Beispiel: T tötet seineGroßmutter O mit einem gezielten Stich in den Hals, da diese ihn erwischt hat, wie er ihren Schmuck und ihr Bargeld stehlen wollte.
Mordlust
Mordlust ist gegeben, wenn jemand aus Freude am Töten bzw. aus Freude an der Vernichtung eines Menschenlebens einen Mord begeht.
Beispiel: Dem T ist langweilig und er wollte schon immer eine Leiche sehen. Von dieser Motivation getragen erwürgt er die an der Bushaltestelle wartende O.
Zur Befriedigung des Geschlechtstriebs
Zur Befriedigung des Geschlechtstriebs tötet, wer im Tötungsakt selbst geschlechtliche Befriedigung sucht, wer tötet um danach seine sexuelle Lust an der Leiche zu befriedigen oder wer die Tötung seines Sexualobjekts zumindest in Kauf nimmt, um typischerweise den Geschlechtsverkehr durchführen zu können.
Habgier
Habgier bedeutet ein rücksichtsloses Streben nach Vermögensvorteilen um den Preis eines Menschenlebens.
Beispiel: T tötet seinen Vater O, um vorzeitig an das Erbe zu gelangen.
Sonst niedrige Beweggründe
Niedrig sind alle Beweggründe, die nach allgemeiner sittlicher Wertung auf tiefster Stufe stehen, durch hemmungslose Eigensucht bestimmt und deshalb besonders verachtenswert sind.
Beispiel: Tötung eines Menschen aus rassistischer Gesinnung.
Liegen die objektiven und subjektiven Tatbestandsvoraussetzungen vor, erfolgt die Prüfung der Rechtswidrigkeit und der Schuld. Diesbezüglich gelten die oben getätigten Ausführungen.
4. Tötung auf Verlangen, § 216 StGB
Der Straftatbestand der Tötung auf Verlangen ist ein Privilegierungstatbestand zum Straftatbestand des Totschlags nach § 212 StGB. Bei einer Verurteilung gem. §§ 212, 216 StGB droht eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu 5 Jahren.
Der objektive Tatbestand setzt zunächst die Verwirklichung einer kausalen und dem Täter zurechenbaren Tötung eines anderen Menschen voraus. Sodann ist ein ausdrückliches und ernsthaftes Verlangen des Getöteten erforderlich. Ausdrücklich ist das Verlangen, wenn es in eindeutiger, nicht misszuverstehender Weise erhoben worden ist. Ernstlich ist das Verlangen, wenn es von dem freien Willen des Opfers getragen und zielbewusst auf die Tötung gerichtet ist. Das Verlangen wiederum ist vergleichbar mit dem Bestimmen im Rahmen der Anstiftung, sodass der später Getötete den Täter zu der Tat bestimmen – d.h. in ihm den Tatentschluss zur Tötung hervorrufen – muss. Das Verlangen ist umfassender als eine Einwilligung zu verstehen, es muss eine kommunikative Einwirkung seitens des später Getöteten auf den Täter erfolgen.
Zuletzt ist die Tatherrschaft des Täters als Abgrenzung zur straflosen Beihilfe zum Suizid erforderlich. Tatherrschaft hat inne, wer den Geschehensablauf planvoll und lenkend in den Händen hält. Der Bundesgerichtshof (BGH) hingegen stellt dagegen zur Entscheidung über die Täterschaft (in Abgrenzung zur bloßen Teilnahme) überwiegend auf den Willen des Täters ab. Täter ist danach, wer die Tat als eigene will.
Der subjektive Tatbestand ist erfüllt, sofern Vorsatz gegeben ist. Hinsichtlich der Rechtswidrigkeit und Schuld gelten die o.g. Ausführungen.
Sollte eine Strafbarkeit wegen Tötung auf Verlangen einschlägig sein, so entfaltet diese eine Sperrwirkung. Dies bedeutet, dass eine Bestrafung wegen anderer Tötungsdelikte ausgeschlossen ist. Liegen die Voraussetzungen des § 216 StGB vor, so ist der Täter privilegiert.
II. Fahrlässige Tötung, § 222 StGB
Die fahrlässige Tötung gem. § 222 StGB ist ein als Fahrlässigkeitsdelikt ausgestaltetes Erfolgsdelikt mit einem Strafrahmen von bis zu 5 Jahren Freiheitsstrafe oder Geldstrafe.
Tatbestandlich setzt die fahrlässige Tötung zunächst eine kausale Fremdtötung voraus. Hinzutreten muss sodann ein objektiver Sorgfaltspflichtverstoß. Dieser ist gegeben, wenn der Täter objektiv die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht gelassen hat und der Taterfolg objektiv vorhersehbar war. Letzteres ist der Fall, wenn der Taterfolg nicht außerhalb jedweder Lebenswahrscheinlichkeit lag.
Ist auch diese Voraussetzung gegeben, folgt die Prüfung der objektiven Zurechenbarkeit des Erfolges. Diese ist gegeben, wenn erstens die verletzte Norm gerade vor dem eingetretenen Schaden schützen sollte und zweitens, wenn ein Pflichtwidrigkeitszusammenhang besteht. Dieser besteht, sofern sich im konkreten Taterfolg gerade die rechtlich missbilligte Gefahr verwirklicht hat, die der Täter durch seine Sorgfaltspflichtverletzung geschaffen hat.
Sofern der Tatbestand gegeben ist, erfolgt die Prüfung der Rechtswidrigkeit, im Rahmen derer es keine Besonderheiten zu beachten gibt. Im Rahmen der Schuld gilt es die Schuldfähigkeit sowie den subjektiven Fahrlässigkeitsvorwurf zu erörtern.
III. Erfolgsqualifikationen
Eine Erfolgsqualifikation ist erfüllt, wenn der Täter zumindest fahrlässig i.S.d. § 18 StGB (bzw. wenn das Gesetz dies fordert „leichtfertig“, d.h. grob fahrlässig) durch die Verwirklichung des Tatbestandes eine schwere Folge – vorliegend im Rahmen der Tötungsdelikte den Tod einer anderen Person – hervorgerufen hat.
Beispielhaft wird der Tatbestand des § 227 StGB nachfolgend erläutert:
1. Körperverletzung mit Todesfolge, § 227 StGB
Eine Körperverletzung mit Todesfolge ist gegeben, sofern durch die Körperverletzung der Tod des Betroffenen verursacht wurde. Gemäß § 227 Abs. 1 StGB ist eine Freiheitsstrafe von bis zu 3 Jahren vorgesehen.
Die Verwirklichung des § 227 StGB setzt zunächst ein tatbestandlich verwirklichtes Körperverletzungsdelikt als Grunddelikt voraus. Das Grunddelikt kann eine einfache oder eine gefährliche Körperverletzung sein. Sodann erfolgt die Prüfung der Erfolgsqualifikation. Dies setzt zuerst den Eintritt des Todes voraus. Dieser muss dem Täter objektiv zurechenbar sein und auch kausal auf dem Grunddelikt beruhen. Sodann ist ein tatbestandsspezifischer Gefahrzusammenhang zwischen dem Grunddelikt und der schweren Folge erforderlich. Dieser ist gegeben, sofern der qualifizierte Erfolg gerade aufgrund der durch die Verwirklichung des Grunddelikts begründeten typischen Gefahr eingetreten ist. Weiterhin müsste dem Täter zumindest Fahrlässigkeit i.S.d. § 18 StGB hinsichtlich der schweren Folge vorgeworfen werden können. Dies ist der Fall, wenn die schwere Folge objektiv vorhersehbar war und sie auf einer objektiven Sorgfaltspflichtverletzung des Täters beruht.
Im Rahmen der Rechtswidrigkeit sind keine Besonderheiten zu beachten. Im Rahmen der Schuld ist der subjektive Fahrlässigkeitsvorwurf zu erörtern.
2. Sonstige erfolgsqualifizierte Delikte
Außerdem finden sich auch in anderen Abschnitten des StGB erfolgsqualifizierte Delikte, die den fahrlässigen bzw. leichtfertigen Eintritt einer schweren Folge (des Todes) besonders unter Strafe stellen. Zu nennen sind:
Raub mit Todesfolge, §§ 249 Abs. 1, 251 StGB
Aussetzung mit Todesfolge, § 221 Abs. 1, Abs. 3 StGB
Nachstellung mit Todesfolge, § 238 Abs. 1, Abs. 3 StGB
Brandstiftung mit Todesfolge, § 306c StGB
C. Werkzeuge
Prüfungsaufbau: Totschlag, § 212 Abs. 1 StGB
I. Tatbestandsmäßigkeit 1. Objektiver Tatbestand II. Rechtswidrigkeit III. Schuld |
Prüfungsaufbau: Mord, §§ 211, 212 Abs. 1 StGB
I. Tatbestandsmäßigkeit 1. Objektiver Tatbestand II. Rechtswidrigkeit III. Schuld |
D. Anwendung
Sachverhalt Fall 1: Alkoholiker A ist mit seiner Ehefrau E verheiratet. Da A nicht dazu bereit ist, sich von seinem Alkoholproblem zu lösen und sich einen Job zu suchen, droht die E endgültig damit, sich von ihrem Mann scheiden zu lassen. Infolge der Drohung kam es erneut zu häuslicher Gewalt, zudem drohte der A der E mit den Worten „Ich stech‘ dich ab, du Hure!“ damit, die E umzubringen. E alarmierte die Polizei und A wurde von den Beamten rechtmäßig gem. § 34a Abs. 1 PolG NRW der Wohnung verwiesen. Weiterhin sprachen diese ein Rückkehrverbot für 7 Tage aus und leiteten gegen den A ein Ermittlungsverfahren wegen Körperverletzung ein.
Nach Ablauf von 2 Tagen taucht der A erneut vor dem Haus der E auf, um mit ihr zu sprechen. Er will seine Frau dazu bringen, sich wieder mit ihm zu versöhnen. Für den Fall, dass die E allerdings seinen Versöhnungsversuch ablehnt, würde er seine Drohung umsetzen. Hierzu trägt er ein Jagdmesser mit einer Klingenlänge von 14 cm in der Jackentasche.
E lehnte den Versöhnungsversuch ab, drehte sich um und ging wieder ins Haus hinein. A lief ihr hinterher, zückte sein Messer und stach der E zunächst sechsmal in den Rücken und sodann, als die E sich umdrehte, weitere 18 Mal in den Bauch und den Hals. E verstirbt umgehend und A verlässt den Tatort. Er konnte jedoch binnen kurzer Zeit von der Polizei festgenommen werden.
Fallfrage: Wie hat sich A nach dem StGB strafbar gemacht? Etwaig erforderliche Strafanträge sind gestellt.
[Hinweis: Der A ist bei Tatbegehung lediglich leicht alkoholisiert (BAK= 0,4 ‰). Etwaige Beleidigungsdelikte, die Bedrohung, die Körperverletzungsdelikte sowie Verstöße gegen das WaffG sind nicht zu prüfen.]
Lösung
A. Strafbarkeit des A wegen Mordes gem. §§ 212 Abs. 1, 211 StGB Indem der A insgesamt 24-mal auf die E einstach, könnte er sich wegen Mordes gem. § 212 Abs. 1, 211 StGB strafbar gemacht haben. I. Tatbestandsmäßigkeit 1. Objektiver Tatbestand Fraglich ist, ob ein Mordmerkmal der 2. Gruppe einschlägig ist. In Betracht kommt das Mordmerkmal der Heimtücke. Heimtückisch handelt, wer die Arg- und Wehrlosigkeit des Opfers in feindlicher Willensrichtung ausnutzt. Arglos ist, wer sich keines Angriffs versieht. Wehrlos ist, wer infolge seiner Arglosigkeit in seiner Verteidigung stark eingeschränkt ist. Vorliegend drohte der A zwar, die E umzubringen. Diese Drohung lag jedoch schon einige Zeit zurück und es bestanden Zweifel an der Ernsthaftigkeit der Aussage. E kehrte dem A nach Beendigung des Gesprächs ihren Rücken zu. Dies zeigt, dass sie sich keines Angriffes versah. A stach der E das Messer zunächst von hinten in den Rücken, sodass die E infolge ihrer Arglosigkeit auch wehrlos war und sich somit aufgrund des Überraschungseffektes nicht verteidigen konnte. Anschließend stach er noch von vorne auf die E ein. Somit handelte der A heimtückisch 2. Subjektiver Tatbestand Fraglich ist, ob zusätzlich ein Mordmerkmal der 1. und / oder 3. Gruppe gegeben ist. In Betracht kommt das Merkmal des niedrigen Beweggrundes. Niedrig sind alle Beweggründe, die nach allgemeiner sittlicher Wertung auf tiefster Stufe stehen, durch hemmungslose Eigensucht bestimmt und deshalb besonders verachtenswert sind. Der A tötete seine Ehefrau, weil sich diese von ihm scheiden lassen wollte. Die wesentlichen Umstände für die Scheidung wurden durch A in Form seiner Arbeitslosigkeit, seiner Alkoholabhängigkeit sowie durch seine Neigung zu häuslicher Gewalt geschaffen. Diese Umstände fließen zwar in die Bewertung mit ein, können jedoch nach höchstrichterlicher Rechtsprechung nicht maßgeblich zur Bewertung des Vorliegens des Mordmerkmals des niedrigen Beweggrundes sein. Eine Tötung aus dem Grunde, dass sich der Ehepartner scheiden lassen möchte, ist zwar verwerflich. Die Verwerflichkeit liegt jedoch bei jedem vorsätzlichen Tötungsdelikt vor. Eine darüberhinausgehende gesteigerte Verwerflichkeit, die die Tat auf die tiefste sittlichste Stufe senkt, ist indes nicht zu erkennen. Mithin handelte der A nicht aus niedrigen Beweggründen. Weitere verwirklichte Mordmerkmale sind nicht ersichtlich, insbesondere kann die Tat nicht als grausam klassifiziert werden. II. Rechtswidrigkeit, Schuld Insbesondere kann aufgrund der geringen Alkoholisierung des A zur Tatzeit (BAK = 0,4 ‰) keine verminderte Schuldfähigkeit infolge des Alkoholkonsums gegeben sein. B. Ergebnis |
Sachverhalt Fall 2: M und F sind seit 65 Jahren verheiratet. Während M sich bester Gesundheit erfreut, ist die F schwerstkrank. Sie leidet an COPD, ist querschnittsgelähmt und bedarf wegen weiterer gravierender Krankheiten einer 24-Std.-Betreuung durch ihren Mann. Die F entschließt sich nach reiflicher Überlegung dazu, aus dem Leben zu scheiden. Da sie sich nicht selbst umbringen kann, bittet sie ihren Ehemann darum. Nach einem langen Gespräch, in welchem die F dem M ihre Beweggründe mitteilt und ausdrücklich darum bittet, getötet zu werden, entschließt sich der M dazu, dem Willen seiner Frau Folge zu leisten. Er holt seine Schusswaffe – für die er keine waffenrechtliche Erlaubnis hat – aus dem Nachttisch, lädt diese durch, setzt sie am Schädel der F an und drückt ab. F verstirbt binnen Sekunden. Die durch die Nachbarn aufgrund des Schusses alarmierte Polizei findet die Leiche der F vor, neben ihr kniet der M, der die Schusswaffe noch immer umklammert. M wird vorläufig festgenommen.
Fallfrage: Wie hat sich M nach dem StGB strafbar gemacht?
Lösung
A. Strafbarkeit des M wegen Totschalgs gem. § 212 Abs. 1 StGB Indem der M seiner Ehefrau F mit einer Schusswaffe in den Kopf schoss, woraufhin diese verstarb, hat er eine vorsätzliche, ihm zurechenbare Fremdtötung kausal verwirklicht. Dem M könnte allerdings die Privilegierung des § 216 StGB zugutekommen. Ferner war das Tötungsverlangen seitens der F auch kausal für die Tötung der Ehefrau durch M. Weiterhin wurde durch das Tötungsverlangen seitens der F in dem M der Tatentschluss zur Tötung hervorgerufen, mithin wurde der M durch die F zur Tötung bestimmt. Zuletzt ist auch Vorsatz hinsichtlich der Tötung gegeben, sodass M insgesamt tatbestandsmäßig handelte. An der Rechtswidrigkeit der Tat und der Schuld des M bestehen keine Zweifel. Somit hat sich der M wegen Tötung auf Verlangen gem. §§ 212, 216 StGB strafbar gemacht. |
F. Widerholungsfragen