Erbrecht
A. Einführung
Wenn ein Mensch stirbt, sind seine Angehörigen nicht nur mit der Trauer, sondern auch mit vielen rechtlichen Fragen konfrontiert: Wem gehören das Geld und das Auto des Verstorbenen? Was passiert mit dem Haus? Wer muss die Schulden bezahlen? Zur Beantwortung solcher Fragen, ist auf die Regelungen zum Testament (sog. Verfügung von Todes wegen) sowie die gesetzlichen Bestimmungen vermögensrechtlicher Art zum Lebensende zurückzugreifen.
B. Grundlagen des Erbrechts (§§ 1922 ff. BGB)
Mit dem Tod einer Person (Erblasser*in), also dem Erbfall, geht das Vermögen (Erbschaft) der Erblasser*innen als Ganzes auf eine oder mehrere andere Personen (Erben) über, vgl. § 1922 Abs. 1 BGB. Dieser ganzheitliche Vermögensübergang der Erbschaft oder des Nachlasses wird als Universalsukzession bezeichnet.
Bei diesem Vermögensübergang gehen alle vererblichen Rechte und Pflichten des oder der Erblasser*in auf die Erben über, vgl. § 1967 Abs. 1, 2 BGB. Hat der oder die Erblasser*in mehrere Erben (Erbengemeinschaft), gehört der Nachlass als Ganzes allen zu gleichen Teilen. Es findet keine Einzelrechtsnachfolge statt, vgl. § 2032 Abs. 1 BGB.
I. Universalsukzession
Die Universalsukzession ist kein rechtsgeschäftlicher Erwerb, sondern ein Erwerb kraft Gesetzes. Der Übergang der Rechte und Pflichten der Erblasser*innen findet unabhängig von der Kenntnis oder dem Willen der Erben, zum Todeszeitpunkt der Erblasser*innen statt. Die Erbschaft ist kein Anspruchsgegenstand (§ 194 Abs. 1 BGB), weil sie „automatisch“, d.h. unmittelbar auf die Erben übergeht. Das Erbrecht kennt jedoch auch Ansprüche, z.B. den Vermächtnisanspruch (§ 2147, s.u.) oder den Pflichtteilsanspruch (§ 2303 Abs. 1 S. 1, s.u.).
Beispiel: Erblasser E war Eigentümer eines Grundstücks und eines Bootes. Für den Erwerb des Bootes hat er ein Darlehen aufgenommen, welches er nicht vor seinem Tode zurückzahlen konnte. Seine Tochter T ist seine einzige Erbin.
Die T ist mit dem Tod des E Eigentümerin des Grundstücks und des Bootes geworden. Durch den Erbfall wurde sie jedoch auch Schuldnerin der Darlehensforderung, weil das Vermögen des E als Ganzes kraft Gesetzes, § 1922 Abs. 1 BGB auf die Erbin (T) überging.
Wichtig ist, dass die Universalsukzession nicht die Rechte und Pflichten der Erblasser*innen erfasst, die höchstpersönlich und damit nichtvererblich sind. Höchstpersönlich sind z.B. die elterliche Sorge, der Nießbrauch § 1061 S. 1 BGB oder eine Vereinsmitgliedschaft (§§ 38, 40 S. 1 BGB).
II. Erbfähigkeit
Natürliche und juristische Personen können Erben sein. Erbe oder Erbin kann nur eine zur Zeit des Erbfalls existierende Person sein, § 1923 Abs. 1 BGB. Wer beim Erbfall bereits gezeugt aber noch nicht geboren wurde (Nasciturus), wird rechtlich so behandelt, als habe er oder sie beim Erbfall bereits gelebt, wenn er oder sie später tatsächlich lebend geboren wird, vgl. § 1923 Abs. 2 BGB.
III. Grundbegriffe des Erbrechts
Die Erblasser können durch Verfügung von Todes wegen bestimmen, wer Erbe oder Erbin und wer Vermächtnisnehmer*in werden soll. Verfügungen von Todes wegen können einseitige (Testament, § 1937 BGB) oder zweiseitige (Erbvertrag, § 1941 Abs. 1 BGB) Rechtsgeschäfte sein, wobei der entscheidende Unterschied in der Bindung an das Rechtsgeschäft liegt. Ein Testament können Erblasser*innen frei widerrufen, einen Erbvertrag dagegen nicht.
Unterlassen die Erblasser*innen die Bestimmung von Erben durch Verfügung von Todes wegen (gewillkürte Erbfolge), tritt die gesetzliche Erbfolge i.S.d. §§ 1922 ff. BGB ein. Die gesetzliche Erbfolge ist gegenüber der gewillkürten Erbfolge nachrangig (= subsidiär). Grundsätzlich ist zunächst die freie Entscheidung der Erblasser*innen zu beachten. Gesetzliche Erben sind die Verwandten und Ehepartner*innen der Erblasser*innen.
Testierfreiheit bedeutet, dass die Erblasser*innen hinsichtlich der Verfügungen von Todes wegen frei sind. So können diese beispielsweise bestimmen wer die Erbin oder der Erbe werden soll oder zu welchem Bruchteil die bestimmten erben sollen.
Das Erbrecht ist ein in Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG gewährleistetes Rechtsinstitut und ein daraus abzuleitendes Individualrecht. Durch die Institutsgarantie sind die Grundsätze des Erbrechts der Veränderung durch den Gesetzgebers entzogen. Die Grundsätze sind die Testierfreiheit und die Familiengebundenheit des Vermögens. Letztere äußert sich in der Ausrichtung des gesetzlichen Erbrechts und dem Pflichtteilsrecht (s. § 2303 BGB).
IV. Gesetzliche Erbfolge
Hat der Erblasser die Erbfolge nicht durch Testament (§ 1937 BGB) oder Erbvertrag (§ 1941 Abs. 1 BGB) bestimmt, tritt die sonst subsidiäre gesetzliche Erbfolge ein. Dies gilt auch dann, wenn die Erblasser*innen nur über einen Teil der Erbschaft eine Verfügung von Todes wegen getroffen haben, vgl. § 2088 BGB.
Gesetzliche Erben sind die Verwandten der Erblasser*innen (§§ 1924 ff. BGB), der/die Ehepartner*innen (§§ 1931 ff. BGB) oder der Staat (§ 1936 BGB). Adoptivkinder der Erblasserin oder des Erblassers haben die Rechtsstellung eines leiblichen Kindes und gehören auch zu den gesetzlichen Erben, vgl. § 1754 Abs. 1, 2 oder § 1767 Abs. 2 S. 1 BGB. Dagegen begründet die Schwägerschaft (§ 1590 Abs. 1 S. 1 BGB) kein gesetzliches Erbrecht.
Welche Verwandten des Erblassers oder der Erblasserin gesetzliche Erben sind, richtet sich nach §§ 1924 Abs. 1, 1925 Abs. 1, 1926 Abs. 1, 1928 Abs. 1 und 1929 Abs. 1 BGB. Diese Vorschriften sind im Grundsatz Ausdruck des sog. Parentel-Systems (Parentele = Eltern(teil)). Es werden Erben erster, zweiter, dritter, vierter Ordnung sowie weiterer Ordnungen unterschieden.
In anderen Rechtsordnungen herrscht das sog. Gradualsystem vor. Wer die gesetzlichen Erben sind, bestimmt sich dort nach dem Grad der Verwandtschaft.
V. Gewillkürte Erbfolge
Die gewillkürte Erbfolge ist gegenüber der gesetzlichen Erbfolge vorrangig. Dies folgt aus der Testierfreiheit, der Ausdruck der Privatautonomie ist. Die Erblasser*innen können für die Zeit nach ihrem Tode rechtswirksam über das eigene Vermögen bestimmen.
Die Testierfreiheit ist durch zwingende Vorschriften des Erbrechts beschränkt, wobei von einem Typenzwang gesprochen werden kann. Der Erblasser muss sich an die im Gesetz vorgesehenen Verfügungen halten. (Verträge unter Lebenden hingegen können im Rahmen der Vertragsfreiheit kombiniert und nach dem Willen der Parteien abgeändert werden. Es kann also auch Verträge geben, die nicht im BGB vorgesehen sind).
Ebenso sind die für alle Rechtsgeschäfte geltenden §§ 134, 138 Abs. 1 BGB zu beachten.
Verfügungen von Todes wegen können besonders bei bedingten Erbeinsetzungen sittenwidrig sein. Stellt der Erblasser oder die Erblasserin die Erbeinsetzung unter eine Bedingung, die vom Verhalten des oder der Bedachten abhängt und die Entscheidung der Befolgung eine Ausübung eines verfassungsrechtlich geschützten Freiheitsrechts ist, wird die Bedingung vom Maßstab der guten Sitten durch die Werteordnung des Gesetzes mitbestimmt. Erforderlich ist dann eine Abwägung zwischen der Testierfreiheit des oder der Erblasser*in und der Entschließungsfreiheit des oder der Bedachten. Werden die Bedachten durch die Bedingung unzumutbarem Druck ausgesetzt, ist die Bestimmung nichtig. Dabei handelt es sich um eine Einzelfallentscheidung wobei insbesondere der Wert der Zuwendung und die wirtschaftlichen Verhältnisse der Bedachten beurteilt werden.
Die Verfügung von Todes wegen erfasst jede testamentarische oder erbvertragliche Anordnung der Erblasser*innen in Bezug auf sein Vermögen, die mit dem Tode wirksam werden soll.
VI. Testament
Ein Testament ist eine einseitige Verfügung von Todes wegen. Dabei handelt es sich um eine nichtempfangsbedürftige Willenserklärung. Das Testament ist ein sowohl in formeller (§ 2064 BGB) als auch in materieller (§ 2065 BGB) Hinsicht höchstpersönliches Rechtsgeschäft. Eine Stellvertretung bei der Testamentserrichtung ist ausgeschlossen.
Die Fähigkeit ein Testament zu errichten, zu ändern oder aufzuheben (Testierfähigkeit), besitzt, wer das 16. Lebensjahr vollendet hat, § 2229 Abs. 1 BGB. Eine testierfähige minderjährige Person bedarf nicht der Zustimmung der gesetzlichen Vertreter*innen, § 2229 Abs. 2 BGB. Dies bedeutet eine entsprechende Modifizierung der Vorschriften des allgemeinen Teils (§§ 104 ff. BGB). Minderjährige, die testierunfähig sind, können nicht ihre Eltern veranlassen, für sie ein gültiges Testament zu errichten, vgl. § 2064 BGB.
Testierunfähig i.S.d. § 2229 Abs. 4 BGB ist auch, wer wegen krankhafter Störung der Geistesfähigkeit, Geistesschwäche oder Bewusstseinsstörung nicht imstande ist, die Bedeutung seiner Willenserklärung einzusehen und nach dieser Einsicht zu handeln. Entscheidend ist der Zustand der Testierenden im Zeitpunkt der Testamentserrichtung. Es wird angenommen, dass in lichten Augenblicken errichtete Verfügungen wirksam sind.
Ein gültiges Testament setzt Testierwillen, also Rechtsgeltungswillen der Testierenden voraus. Dessen Vorliegen ist im Einzelfall nach § 133 BGB zu ermitteln. Das Testament ist eine Willenserklärung. Enthält das Erbrecht keine Sondervorschriften, sind die des Allgemeinen Teils anwendbar. Hatte der Erblasser Testierwillen, ist durch Auslegung zu ermitteln, welchen Inhalt das Testament hat. Dabei ist nicht vom Empfängerhorizont, sondern vom Verständnishorizont der Erblasser*innen auszugehen.
Die Testamentserrichtung kann als ordentliches Testament oder als Nottestament (§§ 2269, 2250, 2251 BGB) erfolgen.
Nottestamente gelten als nicht errichtet, wenn seit ihrer Errichtung mehr als drei Monate verstrichen und der oder die Erblasser*in noch lebt, § 2252 Abs. 1 BGB. Ordentliche Testamente bleiben dagegen gültig.
Das ordentliche Testament kann als öffentliches Testament vor einer Notarin oder einem Notar oder als eigenhändiges Testament (sog. Privattestament) errichtet werden, § 2231 BGB. Die Formen sind in ihrer Wirksamkeit gleich. Eine Ausnahme gilt für Minderjährige und Leseunkundige, die nur ein öffentliches Testament errichten können, § 2237 Abs. 4 BGB. Sie bedürfen der Beratung durch Notare in besonderer Weise.
Das öffentliche Testament wird von einem Notar oder einer Notarin errichtet, vgl. §§ 2232, 3322 BGB und BeurkG.
Bei der Errichtung eines Privattestaments muss der Erblasser oder die Erblasserin die Verfügung im Ganzen handschriftlich abfassen und unterschreiben, § 2247 Abs. 1 BGB. Die Verfügung kann innerhalb eines Briefes oder anderer Schriftstücke errichte sein. Welches Schreibmaterial oder Schreibwerkzeug genutzt wird, ist gleichgültig. Ein Stempel ersetzt eine Unterschrift nicht.
Beispiel: T erleidet einen Herzanfall in einem Restaurant. Sie bittet ihre Begleitung um einen Stift und schreibt auf eine Serviette: „Mein Sohn Sebastian soll alles erben. T. Bauer.“ Dann stirbt sie. Das Privattestament ist wirksam errichtet.
Das Testament soll auch die Angabe von Ort und Zeit der Errichtung enthalten, § 2247 Abs. 2 BGB. Es soll auch mit Vor- und Familiennamen des Erblassers unterschrieben sein, § 2247 Abs. 3 S. 1 BGB. Die Nichtbefolgung der Soll-Vorschriften ist grundsätzlich unerheblich.
Die Nichtbefolgung dieser Vorschriften ist nur schädlich, wenn sich aus dieser Zweifel an der Urheberschaft oder Gültigkeit des Testaments ergeben, § 2247 Abs. 3 S. 2, Abs. 5 BGB. Eine Selbstbenennung am Anfang des Testaments stellt dabei keine gültige Unterschrift dar. Wann nachträgliche Zusätze eine neue Unterschrift erfordern ist umstritten. Handelt es sich bei den Berichtigungen um Erläuterungen, so sind diese ohne neue Unterschrift gültig. Werden zusätzliche Verfügungen vorgenommen, erfordern sie eine Unterschrift.
Das Testament kann jederzeit widerrufen werden. Dabei kann sich der Widerruf auf das gesamte Testament oder auf einzelne Verfügungen beziehen. Einer Begründung bedarf es nicht. Der Widerruf kann durch Testament erfolgen, welches die Aufhebung des früheren Testaments zum Inhalt hat, § 2254 BGB. Auch wenn das neue Testament das ältere nicht ausdrücklich widerruft, hebt es das ältere insoweit auf, als das er in Widerspruch mit ihm steht, § 2258 Abs. 1 BGB.
Der Widerruf kann auch durch konkludentes Handeln erfolgen. Dies ist dann der Fall, wenn die Erblasser*innen das Testament zerreißen, verbrennen oder sonst vernichten. Aus der Handlung muss sich allerdings ein Aufhebungswille ergeben, § 2255 S. 1 BGB. Ein öffentliches Testament kann dadurch widerrufen werden, dass der Erblasser oder die Erblasserin sich jenes aus der amtlichen Verwahrung zurückgeben lassen, § 2256 Abs. 2 S. 1 BGB.
VII. Das Vermächtnis
Ein Vermächtnis ist eine Verfügung von Todes wegen, durch die der oder die Erblasser*in einer anderen Person ein Recht auf einen Vermögensgegenstand einräumt, ohne diese Person als Erbin oder Erben einzusetzen iSd. § 1939 BGB. Gemäß § 2174 BGB entsteht für die oder den Bedachten sodann ein Anspruch auf Leistung des Vermächtnisgegenstandes.
Der Gegenstand geht jedoch nicht unmittelbar im Erbfall auf die oder den Vermächtnisnehmer*in über, sondern muss erst durch ein Rechtsgeschäft unter Lebenden von der oder dem Beschwerten übertragen werden. Darunter versteht man die Erfüllung des Vermächtnisses.
Mit einem Vermächtnis beschwert werden können iSd. § 2147 BGB die Erben oder Vermächtnisnehmer*innen. Vermächtnisnehmer*innen sind die Begünstigten des Vermächtnisses. Diese sind sodann zur Leistung verpflichtet.
Beispielsfall: E testiert: „Ich setze meinen Neffen A und meine Nichte B sowie meine Ehefrau F als meine Erben ein. Das Haus soll meine Frau erhalten.“
Lösung: Die Zuwendung eines Gegenstandes ist im Zweifel ein Vermächtnis (§ 1939 BGB) i.S.d. § 2087 II BGB. Macht das Haus den wesentlichen Wert des Nachlasses aus, dann liegt eine Erbeinsetzung der F neben A und B als Miterben vor. Hier ist jedoch mangels weiterer Angaben von einem Vermächtnis auszugehen.
VIII. Das Pflichtteilsrecht
Die Testierfreiheit gestattet es den Erblasser*innen die Erbfolge selber zu bestimmen, z.B. durch Errichtung eines Testaments (s.o.). Das bedeutet im Gleichzug, dass sie die freie Wahl haben gesetzliche Erben von der Erbfolge auszuschließen. Diese Freiheit wird durch das sog. Pflichtteilsrecht eingeschränkt. Das Pflichtteilsrecht wird verfassungsrechtlich durch die Art. 14 I GG, der Erbrechtsgarantie und dem Schutz der Familie iSd. Art. 6 I GG gewährleistet.
Pflichtteilsberechtige Personen sind gem. § 2303 I 1, II 2 BGB die Abkömmlinge, Eltern und Ehepartner*innen der oder des Verstorbenen. Ein Anspruch auf Pflichtteil aus § 2303 I 1 BGB besteht dann, wenn eine pflichtteilsberechtigte Person durch Verfügung (z.B. durch Testament oder Erbvertrag) von der Erbfolge ausgeschlossen ist. Hat z.B. eine Mutter nur eines ihrer zwei Kinder testamentarisch zum alleinigen Erben gemacht, steht dem anderen Abkömmling zumindest ein Anspruch auf den Pflichtteil aus § 2303 I 1 BGB zu.
Die Pflichtteilsquote ergibt sich aus dem halben Wert des Erbteils, § 2303 I 2 BGB. Zur Berechnung muss mithin festgestellt werden, wie hoch der Erbteil der Berechtigten bei gesetzlicher Erbfolge gewesen wäre.
Wurde hingegen ein Erbteil hinterlassen, der aber nicht der gesetzlich erforderlichen Höhe, d.h. weniger als dem halben Wert des Erbteils entspricht, so besteht ein Anspruch auf einen Zusatzpflichtteil in Höhe des fehlenden Wertes gem. § 2305 BGB.
Erblasser*innen können den Pflichtteil iSd. §§ 2303 ff. BGB nur unter sehr engen Voraussetzungen einschränken oder gar ausschließen, vgl. §§ 2333 ff. BGB. Eine Pflichtteilsentziehung findet nur in den selteneren Fällen einer schweren Straftat gegen die Person der Erblasser*in oder dieser nahe stehenden Personen statt.
Beispielfrage: Welche Nachlassgegenstände kann ein überlebender Ehegatte verlangen, der zuvor testamentarisch enterbt wurde?
Antwort: Keine – Dem Ehegatten steht lediglich der Pflichtteil in Höhe des halben Wertes des gesetzlichen Erbteils zu, § 2303 II 1 BGB. Der Pflichtteilsanspruch stellt dabei einen reinen Geldanspruch gegen die Erbengemeinschaft dar, der durch den Tod der Ehegattin (dem Erbfall) entstand, § 2317 I BGB. Konkrete Gegenstände oder Dinge können danach nicht beansprucht werden, wenn diese sich nicht schon zu Lebzeiten im Miteigentum des Ehegatten befanden.
IX. Ausschlagung der Erbschaft
Die Erbschaft kann auch freiwillig ausgeschlagen werden, d.h. der oder die Erben können sich freiwillig gegen diese entscheiden. Das Ausschlagungsrecht wird ausgeübt durch höchstpersönliche, form- und fristgerechte Erklärung des Ausschlagungsberechtigten, vgl. §§ 1942 ff. BGB. Der zeitliche Rahmen der Ausschlagung richtet sich dabei nach § 1944 BGB.
X. Der Erbschein
Der Erbschein, geregelt in §§ 2353 ff. BGB stellt die Legitimationsgrundlage für die Erb*innen dar. Der Erbschein ist dabei das Zeugnis eines oder einer Erb*in über den Erbanspruch und die Höhe. Das Nachlassgericht muss diesen gem. §§ 2353 BGB ausstellen.
Es handelt sich dabei jedoch nur um eine Bescheinigung. Die tatsächliche Erblage kann anders sein. Gem. § 2365 BGB gilt die Richtigkeitsvermutung, die jedoch widerlegt werden kann.
C. Werkzeuge
Universalsukzession | Erwerb des Nachlasses kraft Gesetzes. Der Übergang aller Rechte und Pflichten des Erblassers oder der Erblasserin im Todeszeitpunkt des Erblassers. Die Universalsukzession erfasst nicht Rechte und Pflichten des Erblassers oder der Erblasserin, die höchstpersönlich und damit nichtvererblich sind. |
Verhältnis zwischen gesetzlicher und gewillkürter Rechtsfolge: | Die gesetzliche Erbfolge ist gegenüber der gewillkürten Erbfolge subsidiär. |
Gesetzliche Erben: | Gesetzliche Erben können die Verwandten der Erblasser*innen (§§ 1924 ff. BGB), der Ehepartner*innen (§§ 1931 ff. BGB) oder der Staat (§ 1936 BGB) sein. Adoptivkinder der Erblasser*innen haben die Rechtsstellung eines leiblichen Kindes des Erblassers oder der Erblasserin und gehören auch zu den gesetzlichen Erben, vgl. § 1754 Abs. 1, 2 oder § 1767 Abs. 2 S. 1 BGB. Dagegen begründet die Schwägerschaft (§ 1590 Abs. 1 S. 1 BGB) kein gesetzliches Erbrecht. |
Testierfähigkeit | Die Fähigkeit ein Testament zu errichten, zu ändern oder aufzuheben (Testierfähigkeit), besitzt, wer das 16. Lebensjahr vollendet hat, § 2229 Abs. 1 BGB. Testierunfähig i.S.d. § 2229 Abs. 4 BGB ist, wer wegen krankhafter Störung der Geistesfähigkeit, Geistesschwäche oder Bewusstseinsstörung nicht imstande ist, die Bedeutung seiner Willenserklärung einzusehen und nach dieser Einsicht zu handeln. Es wird angenommen, dass in lichten Augenblicken errichtete Verfügungen wirksam sein können. |
D. Anwendung
Beispielsfall: Nachdem Tod ihres Mannes erzieht F ihre Kinder S und T allein. Finanziell hält sie sich mit unterschiedlichen Jobs über Wasser, ist jedoch mit der Erziehung überfordert. Nach vielen Streitigkeiten mit ihren Kindern setzt sie ein Testament auf und ihren Freund A als Alleinerben ein. Die Kinder, mit denen sie sich verstritten hat, sollen dabei nichts erhalten. Ihr Nachlass beträgt 20.000 Euro. Wie ist die Rechtslage für die (nun herangewachsenen) Kinder?
Lösung:
F hat den A als Alleinerben i.S.d. § 1937 BGB eingesetzt und ihn somit zu den testamentarischen Erben gemacht. Grundsätzlich wären S und T Alleinerben gem. der gesetzlichen Erbfolge i.S.d. §§ 1924 I, IV BGB. Durch die Einsetzung des Freundes A wurden die „Kinder“ jedoch enterbt. Sie haben jedoch weiterhin einen Anspruch auf den Pflichtteil i.S.d. § 2302 I BGB. Der Pflichtteil entspricht i.S.d. § 2303 I BGB die Hälfte des gesetzlichen Erbteils, d.h. 5.000 Euro. S und T hätten gem. der gesetzlichen Regelungen jeweils einen Anspruch auf 10.000 Euro gesetzlichen Erbes gehabt. |