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11/17 - Stefanie Müller

Alumna Stefanie Müller
Foto: Corinna Micha
Nach ihrem Magisterabschluss eröffnete Stefanie Müller eine Buchhandlung.

Alumna Stefanie Müller entdeckte in ihrem Kiez einen leer stehenden Laden und hatte plötzlich eine Idee für ihre berufliche Zukunft: Gemeinsam mit einer Freundin gründete sie 2011 den Buchladen „Viktoriagarten“. Im September 2017 wurde das Geschäft mit dem „Deutschen Buchhandelspreis“ ausgezeichnet.   


Ein gutes Buch? Immer gerne. Aber gleich eine ganze Buchhandlung? Das war eigentlich nicht der Plan von Stefanie Müller. Von 2001 bis 2011 hatte sie in Potsdam Italienische Philologie, Anglistik und Soziologie studiert, sich nebenbei in verschiedenen Verlagen verdient gemacht. Doch dabei erkannte die 35-Jährige auch: „Die Verlagsbranche ist ein hartes Geschäft. Ich wusste, dass nach dem Studienende ein schlecht bezahltes Volontariat nach dem anderen auf mich wartet.“ Eine berufliche Alternative entdeckte sie beim Rundgang durch ihren Stadtteil Potsdam West. Seit zwei Jahren stand hier ein Ladenlokal leer. Die Sprachwissenschaftlerin fragte sich: „Warum macht hier eigentlich niemand einen Buchladen auf? Den könnte das Viertel doch dringend brauchen.“

Bücher statt Wurst

Müller erinnerte sich auch an ihre Bekannte Andrea Schneider und deren Traum von einer eignen Buchhandlung. Ihr Tatendrang war geweckt: „Ich wusste: Wenn, dann nur hier. Wenn, dann nur mit ihr.“ Schneider ist gelernte Buchhändlerin und brachte Praxiserfahrung mit, die Potsdamer Alumna steuerte Wagemut bei: „Zu dem Zeitpunkt hatte ich ja nichts zu verlieren, weil ich nicht wusste, was ich nach dem Magister machen soll.“ Müller hatte zwar bereits zwei Jahre in einem Buchladen gejobbt, aber die unternehmerische Verantwortung war für beide Gründerinnen Neuland. „Business-Plan erstellen, Fördergelder beantragen, Verträge aufsetzen – das war alles neu für mich. Aber ich fand es interessant und es ist auch etwas, in das man gut reinwachsen kann“, blickt sie zurück.

Im Juni 2011 gab die Potsdamerin ihre Magisterarbeit ab, im November öffnete der Laden. Die Gründerinnen hängten ein Banner in die Schaufenster: „Bücher statt Wurst“, in Anspielung an die Fleischerei, die den Laden vor dem Leerstand genutzt hatte. Mit der Namensgebung setzten sie einen Kontrapunkt zu den Wurstwaren: „Viktoriagarten“ erinnert an einen ehemaligen Kulturort in Potsdam West, der jetzt brach liegt. „Wir wollten etwas Neues schaffen, das an das Alte erinnert“, begründet Müller.

Fünf Frauen mit 13 Kindern

Mit ihrer Geschäftspartnerin plante sie eine typische Kiezbuchhandlung, die sich an den Interessen der Nachbarn orientiert. Das ist schwer genug: Zahlreiche Kinder leben in dem Viertel, aber auch die Bewohner des naheliegenden Altenheims kommen vorbei. Darüber hinaus beheimatet Potsdam West viele Kreative, die ihre eigenen Werke in der Auslage sehen wollen. Am Anfang sei das oft ein Spagat gewesen, berichtet die Geschäftsführerin. Inzwischen weiß sie, was sie sich zutrauen kann und was bei den Kunden ankommt. Sie besucht Büchermessen, überprüft regelmäßig die Verlagsprogramme und sucht das Fachgespräch mit Autoren und Vertrieblern: „Dass wir dieses handverlesene Sortiment immer wieder neu zusammenstellen können, ist das größte Glück meines Jobs.“

Dieses Glück empfinden auch die Kunden. Von Anfang an wird der Laden gut angenommen, die Gründerinnen können schnell Unterstützung einstellen. Fünf Frauen arbeiten inzwischen im Viktoriagarten. „Fünf Mütter mit 13 Kindern“, lacht Müller. Sie selbst hat ihr zweites Kind einen Monat nach der Ladeneröffnung bekommen. Selbstständigkeit und Familie gehen in ihrem Fall besonders gut zusammen, findet sie: „Wir alle kennen die Situation, dass mal ein Kind krank wird und man kurzfristig ausfällt. Dann springt eben eine andere ein.“

Ein Ort zum Schauen und Lesen

Sechs Jahre nach seiner Gründung ist die Buchhandlung ein fester Bestandteil des Kiezlebens geworden. „Nachmittags ist Rush-Hour“, grinst die Inhaberin. Dann treffen sich die Erwachsenen in der Café-Ecke, die Kinder durchstöbern das große Sortiment für den Nachwuchs. „Hier darf angeschaut und gelesen werden“, ist das Credo der Gründerinnen, die den wertvollen Verkaufsplatz mit zahlreichen Sitzgelegenheiten ausgestattet haben. Hin und wieder komme es sogar vor, dass die Kleinen im Laden ganze Geschichten verschlingen. Die Romanistin sieht das entspannt: „Hauptsache, die Kinder lesen. Der Laden läuft so gut, dass wir auch mal ein Eselsohr verkraften können.“

Nicht nur die Kunden belohnen die offene Haltung der Gründerinnen: Im September 2017 wurde der Laden mit dem Deutschen Buchhandelspreis ausgezeichnet. Rund 500 Literaturläden hatten sich beworben, ein Fünftel darf sich jetzt mit dem begehrten Siegel der „hervorragenden Buchhandlung“ schmücken. Gelobt wurden das kulturelle Angebot, das Sortiment und die Leseförderung, für die sich die Viktoriagärtnerinnen engagieren. Mit der Ehre verbunden sind 7.000 Euro Preisgeld. Damit soll endlich ein richtiges Schild für den Laden angefertigt werden, das die Klebefolie ersetzt. Und der Rest? Da muss Müller nicht lange überlegen: „Davon kaufen wir natürlich Bücher.“  

Text und Foto: Corinna Micha I Alumni-Team
Veröffentlicht: November 2017