Zum Hauptinhalt springen

09/15 - Stephanie Kowitz-Harms

Alumna Stephanie Kowitz-Harms: gibt als Kulturschaffende verschiedenen Bildungsprojekten in Hamburg Profil.
Foto: privat

Vermittlungsarbeit ist das Steckenpferd der Historikerin Stephanie Kowitz-Harms, die an der Universität Potsdam studiert und promoviert hat. Als Projektmanagerin entwickelt und leitet sie seit einigen Jahren unterschiedliche Bildungsprojekte und ist dabei mit der Bandbreite öffentlichkeitswirksamer Strategien genauso vertraut wie mit der jüdischen Geschichte und Kultur in Hamburg. So besetzt sie nicht zuletzt mit ihren Erfahrungen und ihrem Wissen in jenen Bereichen eine Nische in der Bildungsarbeit in Hamburg. Mit der zweifachen Mutter sprechen wir im Folgenden über ihren Werdegang und ihre Freiberuflichkeit.


Wie haben Sie Ihre Studienzeit in Potsdam empfunden?
1997 habe ich begonnen, in Potsdam Geschichte als Hauptfach, sowie Jüdische Studien und Germanistik in den Nebenfächern zu studieren. Ich hatte einen engen Kontakt zu Professorinnen und Professoren, auch zu den wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und erlebte das Studieren so in einer sehr angenehmen, fast familiären Atmosphäre. Während des Studiums habe ich ein Auslandssemester in Polen verbracht und dort einen Sprachkurs an der Katholischen Universität Lublin besucht. Nach dem Studium habe ich dann bis 2011 erfolgreich in Potsdam promoviert.

Wussten Sie bereits vor oder während Ihres Studiums, welches Berufsfeld Sie sich erschließen wollten?
Nein, überhaupt nicht. Während meines Studiums und auch noch zu Beginn der Promotion war für mich relativ klar, dass ich in der Wissenschaft oder in einem wissenschaftlichen Institut arbeiten möchte. Doch je länger ich an der Dissertation arbeitete, desto deutlicher wurde, dass ich für diese Art der Arbeit nicht geeignet bin. Ich brauche den Kontakt und den Austausch mit anderen Menschen, die Abwechslung und regelmäßige Erfolgserlebnisse. Erst durch einige glückliche Zufälle und Projekte, die ich übernehmen konnte, habe ich gemerkt, was ich wirklich möchte und gut kann: Projekte managen, meine Kompetenz im Bildungsbereich einbringen, Kontakte knüpfen, Konzepte entwickeln und Unterstützer für meine Ideen gewinnen. Das ich jetzt auf diese Weise arbeiten kann, erfüllt mich mit großer Freude und einem gewissen Stolz.

Wußten Sie schon vor oder während des Studiums, in welchem Berufsfeld Sie arbeiten wollen?
Nicht konkret. Wahrscheinlich haben sich auch viele schon einmal die Frage gestellt, welchen Beruf  man mit dem Gelernten ergreifen soll. Doch was man im Studium besonders lernt, ist ja Methodik oder eine Art, zu denken. Man erwirbt während eines Studiums eine bestimmte, theoretische Basis, auf die man dann die Praxis erst aufsattelt. Das ist etwas, was ich erst hinterher richtig verstanden habe. Das, was ich schlussendlich heute mache, nämlich Wissenschaftsmanagement, kristallisierte sich für mich dadurch heraus, dass ich beruflich an Hochschulen geblieben und dort sozusagen von Thema zu Thema weitergewandert bin.

Woran arbeiten Sie aktuell und wie können wir uns das, was Sie tun, vorstellen?
Seit September 2011 bin ich selbständig und habe mich inzwischen als freiberufliche Projektmanagerin im Bildungsbereich etabliert. So leite ich derzeit drei Projekte parallel. Eines davon ist das Schülerprojekt „Geschichtomat“ am Institut für die Geschichte der deutschen Juden in Hamburg. Hier führe ich ein kleines Team von zehn Freiberuflern, bereite Projektwochen vor, pflege die Website, konzipiere und führe Lehrerfortbildungen durch, erstelle weiterführende Materialien und bin für die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit sowie für das Fundraising zuständig.

Was genau ist der "Geschichtomat"?
Der „Geschichtomat“ ist ein deutschlandweit einzigartiges Schülerprojekt zur Vermittlung jüdischer Geschichte und Kultur in Hamburg. Im Rahmen von Projektwochen gehen Schülerinnen und Schüler in ihrem Stadtteil auf Spurensuche: Sie recherchieren, treffen sich mit Zeitzeugen, besuchen Museen und Archive oder führen Interviews mit Experten. Die Ergebnisse ihrer Recherchen halten sie in Form von Videos, Texten und Fotos fest, die sie in einem digitalen Stadtplan verorten. Das Projekt ist erstmalig im Februar 2013 umgesetzt worden. Seitdem haben über 300 Schülerinnen und Schüler mehr als 70 Videoclips realisiert. Die Projektwochen werden jeweils von einer Kulturvermittlerin und zwei Medienpädagogen begleitet, die die Jugendlichen bei der Recherche unterstützen, Interviewfragen mit ihnen vorbereiten, das Schneiden der Videos oder die Bearbeitung der Bilder erklären und zum Abschluss gemeinsam die Videos im Internet hochladen.

Was sind die anderen Projekte, die Sie ansprachen?
Zum anderen bin ich Koordinatorin des MINTforum Hamburg, das die Aktivitäten in den Bereichen Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik bündelt und Akteure aus Schule, Hochschule, Behörden, Unternehmen und Stiftungen miteinander vernetzt. Zu meinen Aufgaben gehören hier u.a. die Pflege der Website, die Organisation von verschiedenen Veranstaltungsformaten und die Netzwerkarbeit. Darüber hinaus habe ich gemeinsam mit einer Kollegin das Projekt „Hamburg Memory“ ins Leben gerufen, bei dem sich Jugendliche mit dem Thema der Erinnerung in unterschiedlichen Darstellungsformen beschäftigen. Neben diesen festen Verpflichtungen halte ich gelegentlich Vorträge, moderiere Veranstaltungen und schreibe kleinere Aufsätze oder Rezensionen.

Wie koordinieren Sie Ihre Freiberuflichkeit und Ihre Projekte?
Mein Arbeitsalltag ist bunt und abwechslungsreich: Ich nutze zwei verschiedene Büros und meinen heimischen Arbeitsplatz. Ich habe keine festen Arbeitszeiten oder festgelegte Bürotage, sondern entscheide in der Regel wochenweise, wann ich in welchem Büro arbeite. Die einzigen Konstanten sind mein Laptop, sowie mein Handy.

Das klingt nicht unbedingt einfach.
Auch wenn diese Arbeitsweise auf den ersten Blick recht anstrengend klingt und manchmal auch ist, so schätze ich die Flexibilität und die Vielseitigkeit sehr. Es bereitet mir große Freude, mit sehr verschiedenen Kollegen zusammenzuarbeiten, in unterschiedlichen Strukturen und Zusammenhängen zu wirken, über ein breites Netzwerk zu verfügen und auch immer wieder neue Ideen entwickeln und umsetzen zu können.

Pflegen Sie eine besondere Arbeitskultur?
Als Freiberuflerin arbeite ich definitiv anders als ein angestellter Mitarbeiter. Das hat Vor- und Nachteile. Zu den positiven Aspekten gehört in erster Linie die Flexibilität, die ich gerade als Mutter sehr zu schätzen weiß: Ich muss mich an keine festgelegten Urlaubszeiten halten und kann in den Ferien oder wenn ein Kind krank ist, auch von zu Hause arbeiten. Darüber hinaus kann ich in der Regel selbst entscheiden, welche Aufgaben ich übernehme und wo ich die Prioritäten setze.

Wo sehen Sie die Nachteile?
Zu den Nachteilen zählen vor allem die überdurchschnittlich hohen Abgaben und die damit verbundene fehlende Absicherung. Gerade im Bildungsbereich ist es kaum möglich, Stundensätze zu erzielen, die von Steuer- und Sozialgesetzgebung für Freiberufler vorausgesetzt werden. So bleibt im Verhältnis nur relativ wenig Geld übrig, um sich für längere Krankheitsfälle und insbesondere für das Alter abzusichern. Freiberuflichkeit ist also sicherlich nicht für jeden und nicht in jeder Lebenssituation geeignet.

Was war Ihnen bei Ihren ersten Schritten in der Berufswelt hilfreich?
Ich glaube, gerade Geisteswissenschaftler haben es besonders schwer, sich einen Überblick über mögliche Berufsfelder und -perspektiven zu verschaffen. Im Verlauf meines Studiums habe ich verschiedene Praktika absolviert, u.a. in einem Archiv, in einem Verlag und in einer Bibliothek. Am Ende wusste ich jeweils, dass ich diesen Job niemals ausüben möchte. Vielmehr habe ich von verschiedenen, praktischen Tätigkeiten während meines Studiums profitiert. Ich war seit dem zweiten Semester als studentische Hilfskraft an verschiedenen Lehrstühlen und Instituten tätig. Hier habe ich viele wichtige Kontakte geknüpft, Einblicke in unterschiedliche Arbeitsgebiete erhalten und Selbstvertrauen für meinen weiteren beruflichen Werdegang gewonnen.

Haben Sie ganz herzlichen Dank für dieses Gespräch!

Über ihre Zeit als Promovierende mit Kind berichtete Stephanie Kowitz-Harms schon einmal 2007 in unserem Magazin Portal alumni.