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06/2023 - Eva Kimminich

Foto: Jade Evers

Frau Prof. Dr. Eva Kimminich wurde 2009 an die Universität Potsdam berufen und hatte bis zu ihrer Emeritierung im April 2023 die Professur „Kulturen romanischer Länder“ inne. Ihr außerordentliches Engagement an der Universität Potsdam reichte von Projektfahrten, der Neugründung des in Deutschland einzigartigen Masterstudienganges „(Internationale) Angewandte Kulturwissenschaft und Kultursemiotik“ und der Gründung des Virtuellen Zentrums für Kultursemiotik. Ihren Fokus legte sie auf die Verhandlung aktueller Themen, die auf politischer und gesellschaftlicher Ebene von höchster Bedeutung sind. Die Kultursemiotik, Verschwörungstheorien und Jugendkulturen sind nur einige thematischen Schwerpunkte ihres Untersuchungsfeldes.


Liebe Frau Professorin Kimminich, gibt es etwas, an das Sie sich besonders gerne erinnern, wenn Sie über die 14 Jahre Ihres Wirkens an der Universität Potsdam nachdenken?

Die Zusammenarbeit mit den Studierenden hat mir am meisten Freude gemacht; zu sehen, wie sie Ideen und Methoden aufgreifen und daraus selbstständig und kreativ eine Aufgabenstellung oder gemeinsame Konzepte entwickeln, sei es für die Filmdokumentationen unseres studiengangseigenen TV-Formats Kulturen im Fokus, für Erklärvideos und Podcasts oder für eine Ausstellung im Bildungsforum. In diesem Sommersemester nutzen die Studierenden das Vertiefungsseminar „Klimawandel-Kulturwandel“ zur Erarbeitung eines von ihnen konzipierten Thementags, der am 6. Juli in der Mensa in Griebnitzsee stattfinden wird. Es wird viel geboten, das kann ich bereits verraten. Ein besonderes Highlight waren auch für mich die Exkursionen nach Mali und ins Val Sesia im Piemont. Letztere ist zum Dauerbrenner geworden, weil die Studierenden eine völlig andere Lebensweise erleben können und wir auch viel Zeit für Gespräche haben. Das ermöglicht einen intensiven Gedankenaustausch, so dass auch Ideen für zukünftige Studierendenprojekte oder für Masterarbeiten dabei entstanden sind. Darüber hinaus habe ich viel über die jeweiligen Jahrgänge und ihre Weltsicht gelernt.

Im Jahr 2017 wurde der von Ihnen entwickelte Masterstudiengang „(Internationale) Angewandte Kulturwissenschaft und Kultursemiotik“ gegründet. Ein Jahr später wurde dieser von der Uni Potsdam als bester Studiengang ausgezeichnet. Welche konkreten Inhalte und Chancen sehen Sie als das Ziel dieses Studienganges?

Aufbau und Inhalte des Studiengangs sind praxis- und gesellschaftsbezogen. Die auf 30 beschränkten Studienplätze garantieren eine gezielte Betreuung sowie die Teambildung innerhalb der Jahrgänge. Die Studierenden werden vom ersten Semester an mit berufsfeldbezogenen Expert*innen zusammengebracht und müssen selbst aktiv werden. Bereits das erste Semester ist sehr intensiv. Sie erlernen die Grundlagen und Methoden, die sie im Rahmen der Internationalen Woche der Semiotik bereits Ende des Semesters mit kleinen Aufgaben in Anwendung bringen müssen. Dabei unterstützten wir sie und ihre jeweiligen Projekte. Nach den Vertiefungsseminaren ist das 3. Semester für das Praktikum vorgesehen, aus dem heraus sie ihre berufsfeldspezifischen Masterarbeiten entwickeln können. Beispielsweise haben zwei Studierende im Haus für Brandenburg-Preußische Geschichte Objekte für das Archiv der kleinen Leute mit Text und Filmdokumentationen aufgearbeitet. Dazu haben sie sich in die semiotische Museumsdidaktik eingearbeitet. Ihre Masterarbeiten sind fester Ausstellungs-Bestandteil im HbpG. Eine andere Studierende hat für Bavariafiction ein Konzept umweltfreundlicher Filmproduktion entwickelt und wurde als Green-Consultant übernommen. Diese Beispiele zeigen, dass der sehr gut besetzte Studiengang den Studierenden den Einstieg ins Berufsleben unterstützt. Wir setzen auf Qualität, nicht auf Quantität.

Im Rahmen des Studienganges stellten Sie zusammen mit Ihren Studierenden die jährlich stattfindende „Internationale Woche der Semiotik“ auf die Beine und riefen das „Virtuelle Zentrum für Kultursemiotik“ ins Leben. Mögen Sie uns kurz diese Projekte beschreiben?

Die Idee für die Internationale Woche der Semiotik hat zwei Ziele: Zum einen die Gesellschaftsrelevanz der Kultursemiotik und ihrer Analysen über die Wissenschaftscommunity hinaus bekannter zu machen und zum anderen, die Studierenden von Anfang an sowohl mit der Fach-Community als auch mit außeruniversitären Expert*innen möglicher Berufsfelder zusammenzubringen. Dabei sind die Studierenden selbst als Kommunikator*innen und Expert*innen für ihre Themenausschnitte aktiv. Auf diese Weise wachsen sie bereits im ersten Semester in die Anwendung kultursemiotischen Arbeitens hinein.

Das virtuelle Zentrum für Kultursemiotik bietet Einblicke in unsere Aktivitäten und in die Ergebnisse unserer Analysen und Forschungen. Ab diesem Herbst wird dort auch meine Einführung in die Kultursemiotik mit dem Titel Symbolische (Ver)formungen für die Studierenden unseres Studiengangs zur Verfügung stehen. Es handelt sich um eine anwendungsbezogene und interaktive Lehr- und Lernplattform, die einige zentrale Konzepte und Modelle der christlich-kapitalistisch geprägten Kultur in ihrer Wirkungsweise semiotisch beleuchtet. Der auch als Buch erhältliche Text ist mit unserer Mediathek verlinkt, sodass Begriffe und Theorien mit originellen Erklärvideos, Podcasts und Filmdokumentationen der Studierenden während der Lektüre veranschaulicht werden. Die Mediathek der Plattform wächst mit den Seminararbeiten der Studierenden der kommenden Generationen und stellt auf diese Weise immer aktuelle Beispielanalysen bereit.

Welche Chancen sehen Sie in der Kultursemiotik als Forschungsmethode?

Kultursemiotik befasst sich mit der Erzeugung und Nutzung von Bedeutungen. Sie hilft zu verstehen, wie sich eine Gesellschaft entwickelt (hat), wie mit Konzepten, Begriffen, Symbolen oder Bildern Wirklichkeiten entworfen und geschaffen wurden und werden. Sie legt offen, wie mit Metaphern manipuliert wird, sei es im Journalismus, im Marketing oder im Populismus. Kultursemiotik deckt Gedankengebäude jeder Art auf, daher kann sie auch dazu beitragen gesellschaftlichen Wandel zu optimieren.

In Ihrer Forschung haben Sie sich intensiv mit der Thematik der Verschwörungstheorien auseinandergesetzt, einem leider immer einflussreicher werdenden Problem. Konnten Sie im Laufe Ihrer Auseinandersetzungen mit Verschwörungstheorien eine Idee entwickeln, wie mit ihnen am besten umzugehen ist?

Im Rahmen unserer Arbeitstagungen zum Thema Verschwörungserzählungen haben wir auch öffentliche Vorträge angeboten, die auch von Verschwörungserzähler*innen besucht wurden. Die Diskussion mit ihnen hat sehr deutlich gemacht, wie schwierig es ist, Zugang zu ihren Gedankengängen zu erhalten. Sachargumente, die automatisch als Ablehnung interpretiert werden, prallen am dualistischen Weltbild ab. Menschen, deren Weltbild durch Verschwörungserzählungen getragen wird, sind schwer davon abzubringen. Prävention ist daher entscheidend. Denjenigen, die durch widersprüchliche Informationen verunsichert sind, können Faktenchecks angeboten werden. In dieser Hinsicht gibt es inzwischen viele sehr gute Angebote, die für Aufklärung sorgen. Schulen und Bildungsinstitutionen müssten dieses Problemfeld noch mehr berücksichtigen. Ansonsten braucht es Geduld, Zuhören, nach der Quelle der Informationen fragen, diese in Frage stellen, eine Gegentheorie aufstellen oder ähnliches.

Sehen Sie noch weitere Kernthemen Ihrer Forschung an der Universität Potsdam?

Im Laufe meiner Forschungen war mir Jugendkultur, insbesondere die Hip-Hop-Kultur, ein besonderes Anliegen. Als Ende der 1990er Jahre vor allem in Frankreich und in der afrikanischen Frankophonie überall gerappt wurde, meist mit gesellschafts- und rassismuskritischen Texten, habe ich ein Forschungsprojekt beantragt. So konnte ich diese kreative und engagierte Kultur und ihre Akteur*innen im Verlauf von 3 Jahren in Feldstudien kennen- und verstehen lernen. Die Rolle des Rap während der Unruhen in der Pariser Banlieue, Rap und Demokratie in Mali und im Senegal, die Rolle des Rap im arabischen Frühling in Tunesien oder die komplexen körperlichen Ausdrucksfiguren des Breakdance waren mit spannenden Begegnungen und aufschlussreichen Gesprächen verbunden. Als ich als Romanistin mit den Forschungen begann, rümpften einige Fachkolleg*innen die Nase, da es sich um keine kanonische Gattung handelte, als dann mein erstes Buch dazu, "Rap more than words" erschien, kam es dann in den Seminaren für die Lehramtsstudierenden zum Einsatz. Inzwischen gibt es zahlreiche Promotionen zum Rap und zur Hip-Hop-Kultur. Ich kann Nachwuchswissenschaftler*innen nur raten, ihrer intellektuellen Neugier zu vertrauen, nur so ändert sich der Themenkanon eines Fachbereichs.

Worauf freuen Sie sich nun, nach Ihrer Emeritierung, in den kommenden Jahren?

Aufs Wandern, auf Zeit für Freund*innen und Ausstellungsbesuche, Zeit für Naturschutz, meine Tiere und meinen Garten, fürs Zeichnen und auch für etwas, das ich noch nicht gemacht habe, mal sehen, was das sein wird….

Haben Sie vielen Dank für diese interessanten Einsichten und alles Gute für Sie!

 


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Referentin Alumni-& Beziehungsmanagement

 

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