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07/15 - Muriel Kim Helbig

Alumna Muriel Kim Helbig: Leitet als Wissenschaftsmanagerin die Fachhochschule Lübeck.
Foto: Pressestelle FH Lübeck

Die promovierte Diplompsychologin Muriel Helbig leitet als Präsidentin seit fast einem Jahr die Fachhochschule Lübeck. Nach ihrem Studium der Psychologie an der Universität Potsdam und ihrer Promotion an der Universität Jena erarbeitete sich die 40-jährige Wissenschaftsmanagerin ihre Expertise in der (Post-)Doktorandenqualifizierung der Universität Jena und als Leiterin des Dezernates Internationale Beziehungen an der Bauhaus-Universität Weimar. Mit Dr. Muriel Helbig sprechen wir über ihre Erfahrungen, ihre Perspektiven und über ihre Zeit nach der Babypause im präsidialen Amt als Leiterin einer Hochschule.


Wie haben Sie die Wahl Ihres Studienortes Potsdam getroffen?
Aus den USA kommend, hatte ich mir vorgenommen, in Deutschland zu studieren. So bin ich nach der Schule 1994 hierher geflogen, um mir vier oder fünf Hochschulen anzuschauen und mich dann für eine zu entscheiden. Da ich aus einer eher kleinen Schule in den USA kam, fürchtete ich mich ein wenig vor meiner Vorstellung von einer großen, anonymen Uni in Deutschland und hatte daher erst einmal kleine und mittelgroße Unis vor Augen. Und ich wollte unbedingt in den Neuen Bundesländern studieren.

So kam ich also damals am Potsdamer Bahnhof an, und da stand an der Brücke ein Buchhändler mit rotem Schal, der einen begrüßte, als würde er einen ewig kennen, und hinter dem Hotel Mercure spielte eine Blaskapelle. Da wusste ich, dass ich dort bleiben wollte - in einer Stadt, die mich so willkommen hieß. Als ich dann auch noch ans Neue Palais mit dem schönen Schlosspark kam, hatte ich es plötzlich sehr, sehr eilig: Ich dachte, wenn noch mehr Menschen mitbekommen würden, wie schön es in Potsdam ist, dann bekäme ich nie die Zulassung für das Psychologie-Studium in Potsdam. All die Fragen nach Studienschwerpunkten, Profilen oder Kompetenzen der Lehrkräfte, die man klugerweise eigentlich stellen sollte, habe ich mir damals nicht gestellt, sondern wollte einfach sofort in Potsdam anfangen. Es war eine reine Bauchentscheidung.

Wie haben Sie Ihre Studienzeit an der Universität Potsdam empfunden?
Gleich zu Beginn des Studiums wurde unser Fachbereich Psychologie nach Golm verlegt. Dort war für Alle alles neu: die Zugverbindungen, die Professorinnen und Professoren, die Räumlichkeiten. Ich habe mich ganz schnell entschieden, in die Fachschaft zu gehen, weil ich das Gefühl hatte, dabei sein zu können, wenn etwas bewegt wird. Auch habe ich früh studentische Hilfskraftstellen angenommen und dadurch rasch Einblicke bekommen und Einbindungen in das Studium erfahren. Das kann ich nur jedem empfehlen.

Wußten Sie schon vor oder während des Studiums, in welchem Berufsfeld Sie arbeiten wollen?
Nicht konkret. Wahrscheinlich haben sich auch viele schon einmal die Frage gestellt, welchen Beruf  man mit dem Gelernten ergreifen soll. Doch was man im Studium besonders lernt, ist ja Methodik oder eine Art, zu denken. Man erwirbt während eines Studiums eine bestimmte, theoretische Basis, auf die man dann die Praxis erst aufsattelt. Das ist etwas, was ich erst hinterher richtig verstanden habe. Das, was ich schlussendlich heute mache, nämlich Wissenschaftsmanagement, kristallisierte sich für mich dadurch heraus, dass ich beruflich an Hochschulen geblieben und dort sozusagen von Thema zu Thema weitergewandert bin.

Sie sind im vergangenen Jahr als erste Präsidentin der Fachhochschule Lübeck in den Norden Deutschlands gegangen. Wo verorten Sie den Schwerpunkt Ihrer heutigen Arbeit?
Tatsächlich im Wissenschaftsmanagement. Das ist ein passender und schöner Begriff.
Als ich nämlich 2013 die Stellenausschreibung für Lübeck las, interessierten mich zwei Aspekte besonders. Im ersten Satz dieser Ausschreibung stand, dass die Fachhochhochschule Lübeck eine der drittmittelstärksten in Deutschland sei, was für mich eine unglaubliche Dynamik erkennen ließ. Der zweite relevante Punkt war die Anforderung, dass die gesuchte Person Erfahrungen aus dem Wissenschaftsmanagement mitbringen sollte, was sehr deutlich machte, dass nicht unbedingt nur eine habilitierte Person zur Besetzung der Stelle in Frage kam. Der Text hat mich angesprochen und meine Bewerbung hat geklappt! Ich war neugierig auf mehr.


Vor wenigen Monaten sind Sie zum zweiten Mal Mutter geworden, haben in Ihrer neuen Tätigkeit drei Monate Babypause genommen und sind recht bald wieder in die Arbeit eingestiegen. Wie bringen Sie Ihr Elternsein und die Verpflichtungen als Präsidentin in Einklang?
Mein Mann macht gerade ein komplettes Jahr Elternzeit, kümmert sich Vollzeit um unsere Kinder, und ich nehme in der Tat meine Verpflichtungen an der Hochschule wieder wahr. Jetzt schauen wir, dass es für uns alle gut funktioniert und organisieren uns so, dass es allen guttut. Dazu gehört auch, dass ich jeden Mittag Zeit mit unserem kleinen Kind verbringe und mir dafür freihalte.

Und Dienstreisen?
Wir haben jetzt schon unsere ersten Dienstreisen hinter uns! Unsere Tochter kennt die Landeshauptstadt Kiel nun besonders gut, von Land und vom Wasser. Aber wir zwei Damen waren auch schon alleine in Berlin auf einem Empfang. Und vor kurzem waren wir eine ganze Woche dienstlich unterwegs und haben dabei 2200 km im Dienstwagen hinter uns gebracht, mein Mann als Begleitperson, Baby im Gepäck.

Ich selbst finde das Elternsein-Dürfen unglaublich wichtig, egal in welcher Position man sich befindet. So ein Tanker wie eine Hochschule kann es aushalten, dass Eltern auch Eltern sein und einfach Zeit mit ihren Familien verbringen wollen. Wenn man die gesamte Lebenszeit betrachtet, ist die Phase mit kleinen Kindern eh nur kurz und begrenzt.

Welche Arbeitsweisen tragen Sie in Ihre Tätigkeit als Leiterin Ihrer Hochschule hinein?
Ich wünsche mir, dass wir eine Atmosphäre schaffen, in der wir gut, professionell und mit Freude zusammenarbeiten. Da geht es nicht um Wohlfühligkeit oder Kuschligkeit, sondern um eine Stimmung, die unsere Hochschule voranbringen kann. Dazu gehört für mich auch, dass man effizient ist, sich nicht stundenlang in ergebnislosen Sitzungen verliert. In der Fülle an Aufgaben, die auf einen zukommen, ist es wichtig, zu selektieren und Prioritäten zu setzen.

Wir haben an der Hochschule Platz für unterschiedliche Typen, Themen und Lebensläufe, aber Ziel muß es sein, dass wir uns alle so erhalten, dass wir bestmöglich tätig sein können. Und das geht nur, wenn man Freude am Arbeitsplatz hat. So ist unser Hauptjob im Präsidium: ein Umfeld zu schaffen, in dem alle gut arbeiten können. Am besten wäre es, wenn die Mitarbeiter unserer Hochschule das Gefühl haben, dass ihre Hochschule gut vertreten und geführt wird und sie sich auf ihre originären Aufgaben konzentrieren können.

Was würden Sie vor dem Hintergrund Ihrer Erfahrungen Studierenden mit auf den Weg geben, die gerade ihre ersten Schritte in der Berufswelt vor sich haben?
Ich glaube, dass man ganz viel ausprobieren sollte: studentische Hilfskraftstellen annehmen, verschiedene Praktika machen, einfach in viele Bereiche hineinschnuppern. Auslandsaufenthalte sind ebenfalls wertvolle Erfahrungen, auch wenn man möglicherweise im Vorfeld gar keinen so großen finanziellen Spielraum sieht. Dann versucht man es vielleicht in einem Land, in dem die Lebenshaltungskosten geringer sind.

Zudem habe ich die Erfahrung gemacht, dass es hilfreich sein kann, seine eigene berufliche Situation oder Vorstellungen auch immer mal wieder zu hinterfragen. Ist das, was ich gerade mache, für mich selbst sinnvoll? Passt es zu dem, was ich perspektivisch tun möchte? Und wenn man etwas Neues in Angriff nimmt, darf man gern auch ein wenig frech sein und nicht zu zaghaft agieren oder zu viel darüber nachdenken.

Würden Sie eigentlich noch einmal studieren?
Mit meinem heutigen Wissen würde ich tatsächlich gern noch einmal Psychologie studieren. Natürlich kann ich mir auch noch andere spannende Studiengänge vorstellen. Aber als ich studierte, ahnte ich noch nichts von meinem heutigen Beruf. Jetzt fände ein zweites Studium der Psychologie im Hinblick auf meinen heutigen Berufsalltag total spannend.

Halten Sie noch den Kontakt nach Potsdam?

Auf jeden Fall, Potsdam bleibe ich verbunden! Wir haben dort gute Freunde, und nach dem Studium haben mein Mann und ich sogar in Potsdam geheiratet, obwohl wir damals beide schon in Jena arbeiteten und lebten. Zudem sind meine Eltern vor einigen Jahren nach Potsdam gezogen, weil es einfach eine so lebenswerte Stadt ist.

Haben Sie ganz herzlichen Dank für dieses Gespräch!

Über ihren beruflichen Werdegang berichtete Muriel Helbig bereits 2009 in unserem Magazin Portal alumni.