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05/2023 - Erika Urbich

Erika Urbich ist unsere Alumna des Monats Mai. Foto: Stefanie Peter

Erika Urbich begann im Jahr 1954 ihre Ausbildung zur „Gärtnerin für Gemüsebau und Zierpflanzenbau (unter Glas und Folie)“ am Botanischen Garten der heutigen Universität Potsdam. Nach drei Lehrjahren prägte sie über die kommenden fünf Jahrzehnte hinweg auch als Gartenmeisterin den Garten maßgeblich. Heute ist Erika Urbich ein lebendiges Archiv rund um den Potsdamer Botanischen Garten. Ihren Wissensschatz teilte sie mit uns und berichtete von vergangenen Zeiten und dem großen Zusammenhalt aller Mitwirkenden, durch die sich aus einem Tisch voller Sukkulenten der einzige Botanische Garten im Land Brandenburg mit einem kompletten Angebot entwickelt hat.


Frau Urbich, vier Jahre nach der Eröffnung des Botanischen Gartens begann Ihre Ausbildung dort. Wie erinnern Sie sich heute an diese ersten Jahre?

Also, das war eine komplett andere Zeit. Wir hatten einen damaligen Chef, Herrn Seidelmann, der war, wie man sich einen Inspektor vorstellt. Mit Hut, Sakko, heller Hose… Und wenn der auftauchte, verschwanden wir alle, damit wir nicht viel gefragt werden konnten (lacht).

Aber wir haben dort eine rundum sehr qualifizierte Ausbildung genossen. Wir durchliefen praktisch alle Abteilungen. Wir konnten als Lehrlinge auch an den Vorlesungen teilnehmen. Der große Hörsaal wurde zu der Zeit erst gebaut, in den Kellern waren dann Labore. Den Mensabetrieb wie heute gab es noch nicht. Und als später die Uni das Essen kochte, lagerten die Kartoffeln am Neuen Palais im Keller. Schön war in den ersten Jahren auch, dass Obst, Beeren und Gemüse am Drachenberg angepflanzt wurden. Nicht nur die Meister und Inspektoren bekamen diesen Ertrag, sondern der wurde auf alle aufgeteilt – das war eine Sache der Gerechtigkeit.

Wie entwickelten sich die baulichen und vegetativen Gegebenheiten des Botanischen Gartens in seinem ersten Jahrzehnt?

Mit Herrn Müller-Stoll als Inspektor kamen viele Veränderungen zu den Baulichkeiten in Gang. Er regte zum Beispiel an, die alte Villa zu Laborräumen für Wissenschaftler umzubauen. Zudem begann der Bau der neuen Gewächshäuser, bei dem wir alle mit anpackten. Es fing mit dem Ausschippen der Fundamente und dem Zementieren an und ging weiter übers Fenster verkitten und Glas zuschneiden. Die Erstbestände an Pflanzen, die wir nach dem Krieg hatten, waren minimal. Der gesamte Bestand, es waren nur Kakteen und Sukkulenten, hätte auf einen einzigen Tisch gepasst. Später gab es den lebhaften Handel mit unseren Kulturpflanzen wie Hortensien, Amaryllis, Frauenschuh und den Orchideen mit dem damaligen Blumenladen in der Brandenburger Straße.

Die verschiedenen Erden für unsere Kulturen stellten wir selber her. Lediglich Dung wurde dazugekauft und wir brauchten Lehm. Aber rundum wurde wie verrückt gebaut, vom Drachenberg bis nach Bornim. Und bei jeder Baugrube kam grundständiger Lehm zu Tage – den bekamen wir dann.

Und wie waren die technischen Gegebenheiten zu dieser Zeit?

Die Technik war schlichtweg noch nicht da. Die größte Errungenschaft war eine alte Ameise. Das war ein Fahrzeug mit Ladefläche, auf dem man vorne stand. Zu meiner Lehrzeit gab es Gerätschaften wie unsere Hacken, Spaten und Harken. Außerdem gab es eine Kohleheizung und eine eigene Kompostanlage. Die Technik zum Mischen der Erden gab es noch nicht, so musste eben geschippt werden. Das Wasser für die Pflanzen war damals schon Parkwasser und Leitungswasser. Technik wie die Weichwasseranlage kam erst viel später dazu.

Der Park Sanssouci war bis 1950 unter sowjetischer Kontrolle. Welche Erinnerungen haben sie in diesem Zusammenhang?

Der Park war von der russischen Armee komplett unter Schutz gestellt. Damals verschwanden eine Menge Sachen, ob alte Möbel, Inventar oder Bilder. Da war es von Vorteil, dass manche der (ehemaligen) Beschäftigten in den Räumlichkeiten des Parks und an der Friedenskirche wohnten. Manche hatten konkret mit den Kunstschätzen zu tun. Sie konnten sich im Park frei bewegen und kannten sich aus. Das war gut, denn so viel Wachpersonal wie nötig gewesen wäre, war nicht da.

Der Ursprung des Pflanzenbestandes aus der gärtnerischen Betreuung des ehemaligen königlichen Schloss- und Terrassenreviers wurde durch detaillierte Listen und dazugehörige Topfbeschriftungen dokumentiert. Zu einem gewissen Prozentsatz wurden sie noch in den Botanischen Garten Moskaus geliefert. So ergaben sich die Anfänge von den Botanischen Sammlungen und ein Bestand an Orchideen.

Und gab es in den folgenden Jahrzehnten noch weitere Entwicklungen innerhalb des Gartens, bei denen Sie maßgeblich mitgewirkt haben?

Wir hatten immer Lehrlinge bei uns, die alle Bereiche, also Freiland wie Gewächshaus, durchliefen. Die Ausbildung der Lehrlinge war auch meine Aufgabe. Ein Lehrling wurde später der Direktor im Botanischen Garten in München-Nymphenburg.

Mein eigener Arbeitsbereich waren in erster Linie Palmen, Begonien, Gesnerien und Insektivoren. Aus 330 Gärten weltweit bezogen wir Saatgut. So kamen viele der Palmensamen aus den Heimatländern zu uns. Und aus den Kakteen und Sukkulenten, unter denen auch altweltliche und neuweltliche Euphorbien waren, wurde Stück für Stück immer mehr.

Außerdem verkauften wir die ersten Jahre noch Pflanzen. Die erwirtschafteten Gewinne konnten wir für die Schädlingsbekämpfung einsetzen. Bis dahin mischten wir noch selbst Zigaretten (wegen des Nikotins) und Schmierseife gegen die Schildläuse an. Die chemischen Giftmittel waren natürlich unheimlich teuer und manchmal auch schwer zu beziehen.

Wie empfanden Sie die personelle Aufstellung im Botanischen Garten?

Es ist so, dass jede Abteilung nur so gut war und ist, wie jede oder jeder von den Mitarbeitenden ersetzbar ist, egal ob Lehrling, Gartenbaugehilfe oder den Meister anvisierend. Wenn ich nach drei Wochen wiederkam, ging es meinen Farnen noch immer gut, das hat nur so geklappt hat. Das kleinste Rad im Kreislauf war wichtig, um die Pflanzen zu pflegen, und dafür braucht es einfach gute Leute. In der Wendezeit wurden wir alle mehrfach evaluiert, um zu sehen, ob wir für den Garten tragbar oder belastend wären. Gerechnet an der Quadratmeteranzahl, hätten wohl sechs Gärtner für den ganzen Betrieb reichen müssen. Dabei hatten wir in unseren besten Zeiten 35 Mitarbeitende inklusive der Auszubildenden und der Hilfskräfte, die nur Schildläuse bei den Orchideen absammelten.

Welche Rolle spielten persönlichen Verbindungen und Beziehungen bei der Entwicklung des Botanischen Gartens?

Ein gutes Beispiel ist Frau Benthien, die heute das Haus Kakteen und Sukkulenten führt. Ihr Opa war der frühere Inspektor am Botanischen Garten, Herr Tolks. Verwandtschaftliche Verbindungen fanden sich viel unter den Mitarbeitenden im Botanischen Garten. Ich muss auch an Sven Liebrenz denken. Er lernte bei uns und ist heute der Chef für den Garten der Liebermann-Villa – einen besseren Fundus kann man nicht haben. Der Botanische Garten war immer ein großes Gemeinschaftsprojekt mit viel Zusammenhalt und Engagement. 

Sie waren auch in der Potsdamer Biosphäre aktiv und kümmerten sich um den Pflanzenbestand. Zudem boten Sie Führungen durch die Orchideenausstellung an.

Ja, zur Biosphäre kam ich, als sich diese gerade schrittweise entwickelte. Jemand verwies auf mich als Technische Leiterin und ich wurde avisiert. Zu der Zeit war ich schon Rentnerin. Für die Pflanzen hatte ich alles an Wissen, was ich brauchte, und wenn es mal ein Problem gab, hatte ich den direkten Draht zu den Wissenschaftlern am Botanischen Garten.

Erinnern Sie sich gerne an diese Zeit im Botanischen Garten und der Biosphäre zurück?

Ja, sehr. Es ist wirklich so, dass ich immer gerne arbeitete, trotz des weiten Weges von Rehbrücke aus.

Heute sind Sie aktives Mitglied im Freundeskreises des Botanischen Gartens. Wie gestaltet sich ihr konkretes Wirken dort?

Im Freundeskreis bin ich das vierte Gründungsmitglied. Die Gründung des Freundeskreises war sicher ein glücklicher Grund dafür, dass unsere Stellen durch die Evaluationen nicht wegfielen. Der Freundeskreis organisiert Veranstaltungen, stellt selber aus, sorgt für die Beköstigung und für die Aufsicht der Orchideen von Gastausstellern. Manchmal bekommen wir Schenkungen, oder finanzieren neue Bestände. Es ist wirkungsvoll, dass es diesen Freundeskreis gibt.

Am Rande berichtete Frau Urbich von Geburtstagsständchen, Anrufen und Blumen, die ihr die Mitarbeitenden des Botanischen Gartens anlässlich ihres kürzlich stattgefundenen Ehrentages machten und brachten – ein Zeichen desjenigen Zusammenhaltes und gegenseitigen Interesses, welches auch den Botanischen Garten seit Jahrzehnten prägt.

Vielen Dank für das nette Gespräch!

Interview: Stefanie Peter

 


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Referentin Alumni-& Beziehungsmanagement

 

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