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04/15 - Matthias Weidemann

Alumnus Matthias Weidemann: kümmert sich mit seiner Werbeagentur um die kommunikativen Belange seiner Kunden.
Foto: privat

Der studierte Politikwissenschaftler Matthias Weidemann lebt heute in Spanien und berät mit seiner kleinen Agentur auf der Insel La Palma Werbekunden aus ganz unterschiedlichen Branchen. Nach seinem Studium der Politikwissenschaften an der Universität Potsdam arbeitete Matthias Weidemann unter anderem einige Jahre als Wissenschaftlicher Mitarbeiter im Deutschen Bundestag in Berlin, bevor er vor fünf Jahren beschloss, neue Wege einzuschlagen. Mehr über die beruflichen Perspektiven des heute 37-Jährigen erfahren wir im folgenden Gespräch.


Können Sie sich daran erinnern, als Sie das erste Mal nach Potsdam kamen?
Es war ein schöner Sommertag im Jahr 2000, an dem ich das erste Mal zum Campus Am Neuen Palais kam, um meine Bewerbungsunterlagen abzugeben. Das war schon ein anderes Ambiente, zumal ich mich am Tag zuvor in der sogenannten „Rostlaube“ auf dem Campus der Freien Universität Berlin gründlich verlaufen hatte. In Potsdam wirkte alles so familiär, das gefiel mir sofort. Schließlich hatte ich noch dieses Bild von einem Uni-Campus im Kopf, wie man es aus amerikanischen Filmen kennt: Man sitzt irgendwo auf einer Wiese zwischen herrschaftlichen Gebäuden und grübelt dabei über die Lage der Welt und die Fragen des Lebens. So ein Campus-Feeling habe ich gesucht, und dachte, dies in Potsdam gefunden zu haben. Leider stellte sich dann recht schnell heraus, dass die WiSo-Fakultät ganz woanders ist. Ich glaube, ich war erst wieder Am Neuen Palais, als ich mein Diplomzeugnis abholen wollte.

Wie haben Sie in Potsdam studiert und Ihre Studienzeit erlebt?
Irgendwie hat man als Student immer das Gefühl, voranzukommen, selbst wenn man gerade drei Tage lang überhaupt nichts getan hat. Aber man weiß, dass man eines Tage seinen Abschluss haben wird und bis dahin noch etwas Narrenfreiheit genießt. Diese Unbeschwertheit des Alltags, fern von späteren Verpflichtungen wie Beruf oder Familie, daran erinnere ich mich gerne zurück. Meine Oma sagte immer „Lehrjahre sind keine Herrenjahre“, aber meine Erfahrung war eher das Gegenteil. Sowohl das Studium selbst als auch meine Studienzeit in Potsdam war glaube ich die unbeschwerteste Zeit in meinem Leben.

Welche beruflichen Stationen waren besonders prägend für Ihren Werdegang?
Die Zeit im Bundestag war für mich sicherlich der berühmte Sprung ins kalte Wasser, bei dem man anfangs tief untertaucht und erst allmählich lernt, in welche Richtung man sich freischwimmen kann. Drei Jahre Jahre lang arbeitete ich als Wissenschaftlicher Mitarbeiter eines Bundestagsabgeordneten in Berlin und hatte das Glück, einen Abgeordneten als Chef zu haben, der menschlich einwandfrei und korrekt war, was leider nicht immer der Fall ist. Mit meinen beiden Kollegen habe ich mich ebenfalls sehr gut verstanden, und wir haben uns immer als Team gesehen. Gerade als Berufsanfänger ist es wichtig, sich von Fehlern nicht entmutigen zu lassen und zu lernen, auch in schwierigen Situationen souverän zu bleiben. Man darf nicht vergessen, dass der Arbeitsalltag in einem Abgeordnetenbüro sehr hektisch sein kann und man gleichzeitig möglichst fehlerfrei arbeiten muss, denn eine falsche oder lückenhafte Vorbereitung fliegt einem mit relativer Sicherheit schnell um die Ohren. Zudem ist das Arbeitspensum gerade in den Sitzungswochen oft sehr hoch. Wenn dann dein Abgeordneter im Ausschuss sitzt und sich kurz vor seiner Berichterstattung zu dir umdreht und fragt, wo denn nun sein Sprechzettel sei, dann kennt nach der Ausschusssitzung jeder deinen Namen.
Die damals gesammelten Erfahrungen helfen mir heute im Alltag, denn auch wenn man heute mal besonders viele E-Mails zu beantworten hat oder ein Projekt kurz vor der Ziellinie strauchelt – man gerät nicht mehr so schnell aus der Ruhe und sieht vieles gelassener.

Was machen Sie aktuell beruflich und wie dürfen wir uns das, was Sie tun, vorstellen?

Seit ein paar Jahren habe ich eine kleine Werbeagentur auf der Insel La Palma und lebe dadurch die meiste Zeit des Jahres auf den Kanarischen Inseln. Mit einem kleinen Team stellen wir die Inhalte für Webseiten in mehreren europäischen Ländern bereit, betreuen diese und kümmern uns um die Kommunikation mit den Endkunden unserer Auftraggeber. Da ist zum Beispiel ein Versandhaus für Gesundheitsprodukte dabei, eine Immobilienagentur oder ein kleines Versicherungsunternehmen. Da wir nahezu alles über das Internet abwickeln, muss ich glücklicherweise nicht jeden Tag ins Büro fahren, sondern arbeite auch viel von Zuhause aus. Dabei verwischen die Grenzen zwischen Freizeit und Arbeit, was einem andererseits aber auch viele Freiheiten bietet.

Jene verschwimmenden Grenzen zwischen Arbeit und Freizeit sind ja vielerorts Thema, auch auf Ihrer Insel?

Es ist nicht immer leicht, man muss sich Grenzen ziehen. Grundsätzlich versuche ich, nie an Wochenenden zu arbeiten und auch möglichst nur tagsüber für unsere Kunden ansprechbar zu sein – das klappt natürlich nicht immer. Da viele unserer Kunden in ganz Europa sind, spielt das Inselgefühl da leider ebenfalls nur eine untergeordnete Rolle. Das ist die Kehrseite davon, überall arbeiten zu können und immer erreichbar zu sein. Gleichzeitig bietet es einem privat eine hohe Flexibilität, wenn beispielsweise mal das Kind krank ist oder ähnliches - ein klarer Vorteil. Ich finde es angenehm, mein eigener Herr über meinen Tagesablauf zu sein, doch dass ich wirklich mit dem Notebook am Strand sitze, ist die absolute Ausnahme.

Wurden Sie während Ihres Studiums der Politikwissenschaften an der Universität Potsdam in irgendeiner Weise angeregt, einen bestimmten Arbeitsmarkt für sich zu entdecken oder besonders dabei unterstützt oder vorbereitet?
Das ist vielleicht zu viel verlangt für eine Uni, aber ich erinnere mich an einige Veranstaltungen, bei denen sich Unternehmen bei uns Studenten vorgestellt hatten. Mir persönlich haben Praktika mehr geholfen, herauszufinden, welche Aufgaben mir eher liegen und welche nicht. Ich weiß, dass Praktika nicht bei allen einen guten Ruf genießen, doch um sich selbst mal ausprobieren zu können, gibt es meines Ereachtens kaum bessere Möglichkeiten – gerade dann, wenn man sich noch unsicher ist  angesichts der vielfältigen und zahlreichen Möglichkeiten, die einem zu Beginn des Berufslebens offen stehen.

Sie arbeiten jetzt in einem Ihren Studien sehr fernen Arbeitsumfeld...
Abgesehen von einem Internetportal, für das wir derzeit politische Interviews führen, ist die Politik in der Tat nicht mehr so präsent in meinem Alltag. Es gibt aber viele Dinge, die sich im Arbeitsalltag ähneln, und als Politikwissenschaftler ist das interdisziplinäre Denken schließlich Grundlage des Studienaufbaus, von dem man später in vielen Lebenslagen profitieren kann. Ob man nun eine Pressemitteilung zu einem lokalpolitischen Thema oder zu einem neuen Produkt verfasst, ist am Ende des Tages nicht wirklich entscheidend. Auch in meiner Zeit im Bundestag war es doch auch nicht immer die große Weltpolitik, mit der man täglich zu tun hatte, man vergisst das manchmal.

Was würden Sie machen, wenn Sie gerade noch einmal Ihre ersten Schritte in der Berufswelt vor sich hätten?
Ich habe damals oft gedacht, ich müsse mich für den einen Beruf bzw. Job entscheiden, den ich dann mein Leben lang ausübe. Dadurch wird die Entscheidung natürlich nicht leichter, denn jede Aufgabe birgt ihre Herausforderungen - aber auch ihre langweiligen Routinen. Wenn man sich die Dinge innerlich ein bisschen offen hält und sagt, hey ich probier das mal aus und wenn es nix für mich sein sollte, habe ich zumindest gute Erfahrung gesammelt, dann trifft man seine beruflichen Entscheidungen vielleicht hin und wieder mehr aus dem Bauch heraus. Und wenn man am Ende des Tages nicht nur nach beruflichem Erfolg, sondern nach einem glücklichen Leben strebt, sind solche Bauchentscheidungen vielleicht nicht das Schlechteste. Schließlich lässt sich so etwas Unplanbares wie das Leben nur schwer rational im Voraus erörtern, erst das Unwägbare macht doch den Reiz aus.

Haben Sie herzlichen Dank für dieses Gespräch!