02/18 - Sven Gruse
Alumnus Sven Gruse hat seinen Job bei einem Münchner Finanzkonzern gekündigt und ist mit einem selbst umgebauten Auto um die Welt gefahren. Zurück in seiner Geburtsstadt Potsdam hat er einen beruflichen Neuanfang gewagt: Als Unterwasserfotograf schießt er blubbernde Porträts von Hunden, Babys und Hochzeitspaaren.
Wenn Sven Gruse mit der Arbeit beginnt, muss er erst einmal abtauchen: Der 40-jährige arbeitet als Unterwasserfotograf. Mit Neoprenanzug und Kamera lauert er unter der Wasseroberfläche auf seine Modelle und wartet auf den einen, magischen Moment. Vor seine Linse schwimmt dabei so einiges: Der Potsdamer porträtiert Hunde, er lichtet staunende Schwimm-Babys ab und er hat bereits zahlreiche Hochzeitspaare in ihrer Schwebephase festgehalten. „Im Prinzip eignet sich alles, was nicht wasserscheu ist“, lacht der Fotograf.
Überraschungen lauern
Eine halbe Stunde Zeit und Experimentierfreude brauchen seine Schwimmpartner, doch der Aufwand lohnt, findet Gruse: „Durch Licht und Spiegelung entstehen im Wasser einzigartige Effekte.“ Im Handyzeitalter habe jeder bereits unzählige Fotos von sich und seinen Liebsten. „Aber die Unterwasserbilder zeigen eine ganz neue Perspektive.“ Zum Teil ist der Fotograf immer wieder selbst überrascht von den Ergebnissen: „Hunde schauen teilweise unter Wasser süß aus, teilweise kommt in den Fotos das domestizierte Raubtier heraus. Diese Motive kann man nicht planen.“
Erlebnisse festhalten und sie den Menschen schenken, das ist jetzt das berufliche Ziel von Sven Gruse. Gestartet war er vor dreißig Jahren mit einem ganz anderen Plan: An der Universität Potsdam studierte der Brandenburger Betriebswirtschaftslehre und heuerte mit dem Diplom bei einem großen bayerischen Finanzdienstleister an. Zehn Jahre lang entwickelte er dort Vertriebsstrategien und managte große Fonds. „Ich hatte Freude an der Dynamik und Komplexität dieses Jobs“, blickt Gruse zurück. Die Zeit neben dem Job nutzte er für lang ersehnte Reisen und auch für das neue Hobby Tauchen, das Gruse auf seiner ersten Thailand-Reise für sich entdeckt hatte.
Gruse legte den Tauchschein ab und arbeitete nebenberuflich als Tauchlehrer. Und er träumte von weiteren Fernreisen. 2013 schließlich kehrte er seinem bisherigen Leben den Rücken, kündigte seinen Job und machte sich auf in die weite Welt. „Mir war einfach klar: jetzt oder nie“, blickt der Potsdamer zurück. Seine Maxime: „Ich mache die Dinge, die mir Spaß machen. Für alles andere ist das Leben zu kurz.“ Dass er dem Aufbruch sein sicheres Einkommen opfern musste, treibt Gruse nicht um. Seine ersten Berufserfahrungen hatte der Diplom-Kaufmann am Ende der .com-Blase gemacht: „Ich habe erlebt, wie schnell die vermeintliche Sicherheit dahin ist. Deshalb finde ich es eher ungewöhnlich, nicht das zu machen, was einem wichtig ist.“
Eine große Reise
2013 kauft sich Sven Guse einen kleinen Lastkraftwagen und baut ihn für die große Reise selbst um. Eineinhalb Jahre ist er gemeinsam mit seiner Freundin unterwegs; 48.000 Kilometer durch 24 Länder, darunter Russland, die Mongolei, China, Indien, Kambodscha, Malaysia und Myanmar. Vor und nach der großen Fahrt zieht es ihn wieder nach Thailand, ins Tauchparadies. Von Anfang an hat der Potsdamer bei seinen Tauchgängen auch die Kamera dabei: „Ich wollte einfach alle Erlebnisse festhalten“, erklärt er seine Motivation.
Einen Fotografie-Kurs oder gar eine Ausbildung an der Linse hat Guse nie gemacht. Der Autodidakt sucht lieber den Austausch mit erfahrenen Unterwasserfotografen und setzt auf ständiges Ausprobieren. Die Strategie geht auf. Immer häufiger wird der Potsdamer auf seiner langen Fahrt um Bilder gebeten. Schließlich gestaltet er Wandkalender mit seinen Reisefotos, die er heute in großen Online-Shops anbietet. Mit den Kunden kommt die Idee, den Business-Anzug langfristig gegen den Neoprenanzug einzutauschen. 2016 macht sich Gruse mit der Unterwasserfotografie selbstständig.
Aktuell pendelt der 40-Jährige zwischen Potsdam und München, immer auf der Suche nach Kunden. Über Messen, Veranstaltungen und Kooperationspartner versucht er, wasserfeste Geschäftspartner zu finden. „Die Idee ist kein Selbstläufer“, sieht er selbstkritisch. Dazu kommt: Die Shootings im Wasser sind aufwändig, zum Teil wird ein komplettes Fotostudio unter Wasser aufgebaut. Doch den studierten Kaufmann ficht das alles nicht an. „Es sind so tolle Bilder entstanden und deshalb glaube ich dran, dass das funktioniert“, erklärt er zuversichtlich. Noch befindet sich das Business in der Gründungsphase und muss sich beweisen. Und wenn dieser Plan nicht aufgeht? „Dann glaube ich dran, dass sich etwas anderes finden wird. Ich bin immer bereit, mich vom Leben überraschen zu lassen.“
Sven Gruse studierte an der Universität Potsdam von 1997 bis 2002 Betriebswirtschaftslehre und schloss mit einem Diplom ab.
Text: Corinna Micha
Veröffentlicht: Februar 2018