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02/2024 - Jennifer Zietz

Jennifer Zietz
Photo: 1. FC Union Berlin

Jennifer Zietz begann schon früh und in ihrer Heimatstadt Rostock mit dem Fußball. Sie spielte dann viele Jahre für den Bundesligisten 1. FFC Turbine Potsdam und war dort zeitweise Kapitänin. Mit der deutschen Nationalmannschaft wurde sie 2009 Europameisterin. Parallel zu ihrer sportlichen Laufbahn studierte sie Sportwissenschaft und Management an der Universität Potsdam. Seit Februar 2023 ist Jennifer Zietz sportliche Leiterin der ersten Frauenmannschaft des 1. FC Union Berlin.


Liebe Frau Zietz, wie haben Sie Ihre Studienzeit an der Universität Potsdam in Erinnerung? Stehen Sie noch mit Kommiliton:innen oder anderweitig mit der UP in Kontakt?

Die Unizeit war schön, anstrengend und lehrreich. Wir hatten genau zu dieser Zeit unsere erfolgreichste Phase im Fußball. Ich war oft unterwegs und digitale Vorlesungen waren damals noch nicht so verbreitet. Dank meiner Kommiliton:innen hatte ich gute Unterstützung und konnte den Lehrstoff stets mitverfolgen. Kontakt habe ich noch zu einigen wenigen aus der Unizeit, zum harten Kern sozusagen.

Sie blicken auf eine langjährige Karriere im Vereins- und Spitzenfußball zurück. Welche Erfahrungen waren für Sie in diesen Jahren besonders einprägsam? An welche Momente erinnern Sie sich gerne?

Ich konnte viele schöne und prägende Erlebnisse und Erfahrungen sammeln. Natürlich waren die ersten Titelgewinne, der Abi-Abschluss, das Gefühl, das Diplom in der Hand zu haben sehr schöne unvergessliche Momente. Aber dem gegenüber stehen auch die Momente, in denen man sich zurückkämpfen musste nach Verletzungen, die langen Nächte auf Reisen, in denen man sich auf die Klausuren vorbereitet hat.

Wie sah Ihr Studium an der UP aus? Wie war es für Sie, neben dem Profi-Sport in Seminaren zu sitzen? Inwiefern hat Sie Ihr Studium an der UP auf Ihre späteren Jobs vorbereitet?

Mein Studium hat mich auf die Arbeit, die ich jetzt ausführe, gut vorbereitet. Ich bin im Sportmanagement, genau wie mein Schwerpunkt im Studium. Dennoch muss man ehrlich sagen, dass sich zum einen viel verändert hat, aber auch, dass es in der Praxis doch anders ist als die Theorie je beschreiben kann. Ich habe von vielen Inhalten und Themen gehört, das Alltagsgeschäft und seine eigene „Note“ einzubringen sind dennoch anders. 

Nach Abschluss Ihres Studiums und der Beendigung Ihrer Karriere als Spielerin waren Sie zunächst acht Jahre bei der AOK tätig. Was veranlasste Sie nun dazu, zum Fußball zurückzukehren?

Ich bin der AOK sehr dankbar, ich konnte dort meine ersten beruflichen Schritte machen. Ich durfte mich weiterentwickeln und zu einer Führungskraft wachsen. Ich konnte mir Gedanken darübermachen, was ich eigentlich für eine Führungskraft sein möchte. Zudem hat es mir sehr viel Spaß gemacht mit den Kolleg:innen in der AOK. Dennoch habe ich gemerkt, dass es mich durch mein Tun im Sportmarketing immer wieder zum Fußball gezogen hat. Die Erfahrungen, die ich sammeln durfte, wollte ich weitergeben. Ich möchte etwas bewegen, entwickeln, weil ich genau weiß, was für eine Fußballerin gut ist und was es braucht, um erfolgreich zu sein.

Seit Februar 2023 sind Sie sportliche Leiterin der ersten Frauenmannschaft beim 1. FC Union. Was reizt Sie besonders an Ihrer neuen Tätigkeit? Können Sie uns einen kurzen Einblick in Ihren Arbeitsalltag gewähren? Kommen Sie selbst eigentlich noch dazu, Fußball zu spielen?

Wie schon gesagt, ich habe zum einen jahrelange Erfahrung als Leistungssportlerin, ich durfte international und national spielen. Und diese möchte ich weitergeben. Der Frauenfußball bewegt sich gerade sehr, viele Mannschaften haben tatsächlich ernsthaftes Interesse daran. Aber dennoch sind die Anforderungen und Forderungen von Frauen nicht gleich denen, die Männer benötigen, obwohl es Fußball ist. Und das kann ich doch am besten nachvollziehen und einen Rahmen schaffen, in einem Verein, in dem sich die Spielerinnen weiterentwickeln können - als Fußballerin und als Person. Wir haben ein tolles Team, starke Spielerinnen und riesige Akzeptanz im Verein. Der Präsident, die Geschäftsführer haben ehrliches Interesse daran, den Frauenfußball in Berlin und darüber hinaus mitzugestalten. Dennoch müssen wir mit Erfolgen diese Unterstützung zurückzahlen.  Zu meinen Aufgaben gehört, das ganze Thema Vertragsmanagement, Kaderplanungen, Aufbau optimaler Bedingungen, Gespräche mit dem Berater, den Spielerinnen, dem Trainer, dem Partner, den Sponsoren. Ich bin dafür verantwortlich, dass die Spielerinnen einen optimalen Rahmen vorfinden, in dem sie sorgenlos Fußball spielen können. Dafür führe ich viele Gespräche über Bedürfnisse, Ergebnisse und Ziele. Ich diskutiere mit dem Präsidenten oder Geschäftsführer darüber, was wir warum benötigen. Ich gucke selbst viele Spiele, komme aber dennoch sehr selten dazu, selber zu spielen.

Auf welche eventuellen Probleme sind Sie bisher gestoßen? Gibt es Herausforderungen, mit denen Sie sich als Frau konfrontiert sehen, denen Ihre männlichen Kollegen hingegen nicht ausgesetzt sind?

Das erste war es zu sagen, dass das Training abends um 19 Uhr nicht förderlich und optimal ist, um leistungsorientierten Fußball zu spielen. Wir haben den Spielerinnen, die den Traum und auch das Potential haben, Fußballerin zu werden, Profiverträge angeboten. Sie müssen nun also nicht mehr arbeiten und haben den ganzen Tag Zeit für Training und Fußball. Aber einige der Spielerinnen müssen sich an so einen Alltag gewöhnen, auch an die physische und psychische Belastung. Durch die Verstärkungen im Sommer, haben wir einen guten Mix aus Spielerinnen, die diesen Rhythmus kennen und Spielerinnen, für die es neu ist. Dennoch gibt es viele Spielerinnen, die neben dem Sport auch einen anderen Input mittels eines Studiums haben möchten.  Wir achten zudem auf das Thema Hormone, versuchen die Spielerinnen in der Belastung eng zu begleiten.  Die Infrastruktur muss zudem ausgebaut werden, und mit unserem Einzug in das NLZ des Vereins, wird sich diese verbessern. Wir haben einen Trainingsplatz mit Rasenheizung, was für die Männer normal und unabdingbar ist. Themen wie Sponsoring, finanzieller Ertrag, da sind wir gegenüber dem Männerfußball natürlich weit von entfernt. Aber unsere Marketing-Abteilung des Vereins unterstützt natürlich auch in diesem Aspekt. Es ist zudem in der Breite noch lange nicht so, dass alle Vereine wirklich ernsthaftes Interesse daran haben, den Frauenfußball voranzubringen. Die Bedingungen in den einzelnen Mannschaften sind sehr unterschiedlich und nicht überall optimal für die Spielerinnen, um den Beruf Fußballerin auszuüben.  Frauen benötigen viel Feedback und möchten stets einen Austausch mit dem Trainerteam. Im besten Fall wöchentlich. Man ist als Trainerteam stets gefordert. Auch ich bin gefordert, weil natürlich das Interesse groß ist, was außerhalb des normalen Trainingsablaufes passiert und wie sich die Strukturen entwickeln.

Was muss und kann Ihrer Meinung nach getan werden, um mehr Gleichberechtigung im Sport und vor allem im Fußball zu erreichen?

Ich bin der Meinung, dass man genau hinterfragen muss, was wir benötigen. Nicht alles, was die Männer brauchen und haben, ist wichtig für die Frauen. Frauen ist es sehr wichtig, dass sie eine Entwicklungsperspektive als Sportlerin und auch als Mensch haben. Dass die Infrastrukturen stimmen, die Wege kurz sind, Rasenheizung für Training und Spiel vorhanden sind, medizinische Versorgung da ist. Einfache gute Rahmenbedingungen, damit sich die Spielerinnen optimal auf Training und Spiel vorbereiten können. Dazu gehört selbstverständlich eine faire Bezahlung. Eine Bezahlung, die keine schlaflosen Nächte verursacht.  Uns ist es zudem wichtig, daran zu denken, dass sich die Spielerinnen mit der sportlichen Belastung weiterentwickeln und dass sie mental gewappnet sind. Um mit Druck umgehen zu können, werden mit Hilfe einer Sportpsychologin Strategien besprochen. 

Welche privaten Pläne und beruflichen Ziele haben Sie für die Zukunft?

Privat gesund zu bleiben, trotz des umfangreichen Jobs, Zeit für die Familie zu haben. Beruflich möchte ich mit unserer Profimannschaft als erstes in die 2. Liga und dann perspektivisch in die 1. Bundesliga aufsteigen. Dafür müssen Rahmenbedingungen und Kader so geplant und gebaut werden, dass sie dieses Ziel sportlich erreichen. Und mir ist es wichtig, dass wir einen Nachwuchsbereich haben, in dem wir Spielerinnen ausbilden und in die 1. Mannschaft begleiten.

Vielen Dank für das spannende Interview. Wir wünschen Ihnen alles Gute für Ihren weiteren Weg!

 


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Referentin Alumni-& Beziehungsmanagement

 

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