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11/16 Moritz Dreher

Alumnus Moritz Dreher
Photo: Corinna Micha
Mit einem Entwicklungsplan will Moritz Dreher seine Schule attraktiver machen.

Vor zwei Jahren ist Moritz Dreher Direktor einer Schule geworden, der ein schlechter Ruf vorauseilte. Das ändert sich, denn der Pädagoge setzt auf ungewöhnliche Methoden, um Schüler und Lehrer zu einer neuen Kultur des Miteinanders zu führen. Eine gute Vorbereitung war für ihn das Studium zum Schulmanagement, das er an der Universität Potsdam absolvierte.


In der Hauptstadt ticken die Uhren anders: Wenn hier vom „Turnaround“ die Rede ist, dann geht es nicht zwingend um einen angeschlagenen Wirtschaftsbetrieb. Das gleichnamige Berliner Förderprogramm nimmt Schulen ins Visier, die den Umschwung schaffen müssen. Moritz Dreher kann vom notwendigen Neustart erzählen: Vor zwei Jahren wurde er Direktor der Kepler-Schule in Neukölln. 2014 hatten sich nur 23 Eltern für den Unterricht ihrer Kinder an der Sekundarschule entschieden; ein Tiefstand der Anmeldezahlen.


Dreher, der zuvor an Berliner Oberschulen in den Bezirken Spandau, Kreuzberg und Friedrichshain gearbeitet hatte, stellte sich der Herausforderung bewusst: „Ich wollte etwas dazu bringen, dass es besser funktioniert.“ Jetzt muss er an seiner Schule Vieles auf den Weg bringen, denn der Alltag sieht so aus: Schüler kommen zu spät, andere stören den Unterricht, viele kämpfen mit Lern- und Sprachschwierigkeiten. Dreher will für all diese Fälle Lösungen anbieten. An die Wand vor dem Direktorenzimmer hat er einen großen Schulentwicklungsplan gehängt, der alle Projekte auf einem Zeitstrahl abbildet. Mit dabei sind beispielsweise die Neuausrichtung der Sprachförderung und des Freizeitangebots, das gerade entwickelt wird. Aber diese Inhalte sind nicht das Ungewöhnliche an der Kepler-Schule. Ungewöhnlich ist, wie sie umgesetzt werden.

Zielvereinbarung statt Bestrafung

Der Schulleiter setzt auf Prozesse, an denen Lehrer, Schüler und Eltern beteiligt sind. Gearbeitet wird an einer Lösung so lange, bis möglichst viele zufrieden sind. Dreher ist überzeugt: „Eine Abstimmung, die man mit 51 Prozent gewinnt, bringt einem nichts. Denn 49 Prozent der Beteiligten sind hinterher unzufrieden.“ Alle ins Boot zu holen, das sei wichtig – aber in einer Schule besonders schwer, weiß der Pädagoge: Lehrer beispielsweise seien vor der Klasse ganz auf sich allein gestellt. Wenn sie dann eine gemeinsame pädagogische Strategie erarbeiten müssen, sei das für alle Beteiligten harte Arbeit.

Zuletzt ist dem Kollegium solch eine Übereinkunft gelungen, um die Störungen im Unterricht zu reduzieren. Neun Monate lang arbeiteten die Lehrer der Kepler-Schule an einem gemeinsamen Konzept, um Zwischenrufen und Rempeleien beizukommen, die zuvor rund ein Drittel der Unterrichtszeit blockiert hatten und von den Erziehern nicht einheitlich geahndet wurden. Jetzt folgen alle einer Prozesskette: Störungen werden von allen Aufsichtspersonen in einem fortlaufenden Plan notiert. Nach der zweiten Notiz folgt das erste Vier-Augen-Gespräch mit den Krachmachern. Der Klassenlehrer schildert dabei seine Wahrnehmung. Danach sind die Schüler an der Reihe: „Sie sollen ihr eigenes Verhalten sachlich beschreiben können und verstehen, wie ihr Verhalten auf Mitschüler und Lehrer wirkt“, erläutert Dreher das Konzept.

In einer Zielvereinbarung legen die Schüler schließlich schriftlich fest, was sie sich für die Zukunft vornehmen und welche Unterstützung sie dafür brauchen (etwa einen neuen Sitznachbarn). Außerdem gibt es die Möglichkeit zur Wiedergutmachung: Wer etwa einen Putz- und Aufräumdienst an der Schule übernimmt, kann eine Notiz wegen schlechten Benehmens tilgen. „Wer bestraft, erzeugt Aggression“, schildert der Schuldirektor. „Wir begreifen die Schüler als Teil eines Systems, von dem wir sie nicht ausschließen wollen.“

Lehrer, Direktor und Personalentwickler

Partizipation und Verantwortung, diese Grundsäulen der Schule zeigen sich überall im Schulalltag – sogar auf den Schultoiletten. Sie wurden vor einem Jahr gemeinsam renoviert, jetzt wacht ein Schülerdienst in den Pausenzeiten über die ordnungsgemäße Nutzung und Sauberkeit. Und wenn das nicht funktioniert? „Wenn ein Schüler zu mir kommt, und mir sagt, dass die Toilette nicht aufgesperrt ist, dann sage ich ihm, dass das nicht mein Problem ist“, erklärt Dreher. Der Schüler solle selbst im Aushang nach dem Säumigen suchen und ihn auf seinen Dienst hinweisen, so sein Rat. Schließlich ist auch das eine Drehers von Überzeugungen: „Eltern, Schüler und Lehrer sind nicht nur an den Entscheidungsprozessen unserer Schule beteiligt. Sie sind auch mitverantwortlich für die Umsetzung.“

Lehrer für Musik und Sport war Dreher früher. Jetzt ist er zusätzlich Schuldirektor und damit Personalentwickler, Prozessverantwortlicher und Qualitätsmanagement-Beauftragter. Eine Vorbereitung auf diese Rollen hat der 48-Jährige bei seiner berufsbegleitenden Weiterbildung erfahren: Von 2007 bis 2009 hat Dreher im Weiterbildungsbereich der Universität Potsdam „Schulmanagement“ studiert. Jeden Freitag von 15 bis 20 Uhr, dazu einen ganzen Samstag pro Monat plus Selbststudium. „Heute würde ich das gar nicht mehr schaffen, aber damals wollte ich mich unbedingt weiter entwickeln und das hat mich motiviert“, so Dreher.

Ein selbstbestimmtes Leben

Immer Präsenz zeigen, immer im Dialog bleiben, ständig die erarbeiteten Prinzipien verteidigen: „Das ist oft  anstrengend“, gibt Dreher zu. Aber der Pädagoge hat ein großes Ziel vor Augen: „Ich wünsche meinen Schülern ein selbstbestimmtes Leben.“ Und das gelinge eben nur, wenn sie lernten, Regeln zu befolgen, eigene Ziele zu formulieren und  Strategien zu entwickeln.

Dass alle auf einem guten Weg sind, zeigen die aktuellen Zahlen: Für das aktuelle Schuljahr hatte sich die Anmeldezahl verdoppelt. „Und auch bei der Anzahl und Qualität der Schulabschlüsse geht es aufwärts“, freut sich der Schulleiter. Damit es weiter so gut läuft, gilt für Dreher und seine Schüler vor allem eine Devise: „Dranbleiben, immer dranbleiben.“