Potsdamer Netzwerkstatt
Potsdamer Netzwerkstatt 2016 – Urbane Komplexität: Emotionen
Die 2. Potsdamer Netzwerkstatt fand am 24. Juni 2016 mit knapp 60 Teilnehmer(inne)n im Treffpunkt Freizeit am Heiligen See in Potsdam statt. Das Thema war „Urbane Komplexität: Emotionen“.
Wir danken allen Teilnehmerinnen und Teilnehmer für die engagierte Mitarbeit (trotz tropischer Temperaturen) sowie die vielen positiven und hilfreichen Hinweise zur Netzwerkstatt.
Diese Veranstaltung gewann den Kongresspreis 2017 in der Kategorie „Innovative und/oder außergewöhnliche Veranstaltungen“ (Preis der Landeshauptstadt Potsdam, überreicht vom Oberbürgermeister Jann Jakobs, der auch Vorsitzender des Vereins proWissen Potsdam ist).
Potsdamer Netzwerkstatt 2014 – Urbane Komplexität
Die 1. Potsdamer Netzwerkstatt fand am 11. Juli 2014 in der Schinkelhalle am Potsdamer Kulturstandort Schiffbauergasse statt. Über 80 Teilnehmer(innen) sind gekommen. Das Thema war „Urbane Komplexität mit ihren Dynamiken, Herausforderungen und Chancen“.
Wir danken allen Teilnehmerinnen und Teilnehmer für die engagierte Mitarbeit sowie das positive und hilfreiche Feedback zur Netzwerkstatt.
Die Querschnittsthemen der Netzwerkstatt 2014:
Urbane Kämpfe
Der städtische Raum ist in vielerlei Hinsicht eine Kampfzone. Er ist eine Bühne für Protest und Revolution, für Konflikt und Polarität. In ihm tragen Institutionen und Interessenvertreter(innen) – als Arme oder Reiche, als Mieter/in oder Wohnungs-eigentümer/in, als Slumbewohner/in oder Tourist(inn)en, als Arbeiter/in oder Vorstandsvorsitzende, als Bürger/in oder Politiker/in – ihre Kämpfe aus. Jeder beansprucht die knappe Ressource des öffentlichen Raumes für seine Interessen, ob es nun um die Gestaltung des Wohnraums oder den Ruf nach Anerkennung geht. Urbane Kämpfe können als Problem verstanden werden, wenn sie als Ausdruck für Unsicherheit, städtische Instabilität oder mangelnde Kommunikation gefasst werden. Sie lassen sich aber ebenso als produktive Kräfte lesen, die eine dynamische Stadtentwicklung und damit auch einen im weitesten Sinne attraktiven urbanen Raum bedingen.
Leitbilder moderner Stadtentwicklung bieten einerseits Wege des Umgangs mit Konflikt, andererseits verstärken sie Konfliktzonen. Die neoliberale Stadt polarisiert zwischen Kapital und Bürger – z.B. im Kampf um bezahlbaren Wohnraum. Die partizipative Stadt kann die Bürger(innen) zum Protest erziehen – z.B. im Kampf um die Nutzung öffentlicher Orte. Wie findet die moderne Stadt hier eine Balance? Wie viel Kampf ist sinnvoll und wann bedroht der Konflikt das Zusammensein? Welche Kämpfe sind tragisch, oder tragisch komisch, und würden besser vermieden? Ein strukturierter Blick auf urbane Kämpfe eröffnet Wege des Umgangs mit urbaner Komplexität als Ausdruck von Konflikten. Akteure erhalten Hinweise für zielgerichtetes Handeln in der Stadt und Stadtforscher/innen können klare Positionen und Analysen zu städtischen Prozessen entwickeln.
Urbane Blindheit
Bei der Fahrt mit dem Stadtbus fragen wir in der Regel nicht, was alles organisiert werden muss, damit dieses Busfahren möglich werden kann. Für diese Organisationsabläufe im „Hintergrund“ sind wir gewissermaßen blind – wir sehen sie nicht. Dahinter verbergen sich zwei interessante Aspekte urbaner Komplexität: Erstens brauchen wir diese verdeckten Organisationsabläufe nicht zu verstehen, damit der Bus uns befördert (oder auch nicht). Zweitens wären wir gar nicht in der Lage, alle Details, alle Prozesse, alle Zusammenhänge des ÖPNV zu verstehen – sie würden uns schnell überfordern. Diese Blindheit ist also normal und sie schützt. Dies gilt sowohl für das Agieren einzelner Bürger(innen) als auch für die Praxis der zahlreichen, so sehr unterschiedlich erscheinenden Organisationen des urbanen Raumes.
Stadtverwaltungen, Abfallbetriebe, Forschungs¬einrichtungen, Polizei, Schulen und Unternehmen, sie alle bearbeiten mit eigenen Logiken ganz eigene Aufgabenbereiche. Als Bürgermeister/in, Quartiermanager/in, Präventionsbeauftragte/r Verkehrsplaner/in oder als Bürger/in müssen wir bestimmte Aspekte ausblenden oder nicht genau hinschauen. Und nur weil wir das tun und indem wir der urbanen Arbeitsteilung anonym vertrauen, sie gewähren lassen, ist urbanes Leben in all seiner Vielschichtigkeit möglich.
Diese Blindheit macht aber auch abhängig, sie behindert und löst Unsicherheiten aus. Wenn Routinen unterbrochen werden, Busse z.B. regelmäßig ausfallen, die Polizei scheinbar nicht mehr ausreichend für Sicherheit sorgt, wenn Großprojekte nicht fertig werden oder Wohnbedarfe nicht erkannt und vermeintlich dringend benötigte Spielplätze nicht gebaut werden, erst dann merken wir, dass etwas nicht (mehr) funktioniert und dass Blindheit auch eine Kehrseite hat. Auf dieser Seite stehen Missverständnisse, Aneinander-vorbei-Reden oder Aneinander-vorbei-Planen, Egoismen, Vorurteile und Fehlprognosen.
Blindheit zu erkennen, sie wertzuschätzen, Blindheit bei Bedarf zu erhellen und zu verringern muss also als besondere Fähigkeit im Umgang mit urbaner Komplexität gewertet werden.
Urbane Lichtblicke
Urbanes Leben kann als große Wiege gesehen werden, die Impulse für vielfältige Entwicklungen birgt. Neben Stagnation und Festhalten an Altem finden wir in ihr auch neue Ideen mit erhellenden Perspektiven. Gerade die urbane Komplexität der Stadtgesellschaft, die Heterogenität und Mehrperspektivität städtischer Gruppen bieten ein enormes Potenzial, um gewohnte Denk- und Handlungsweisen zu irritieren und zu modifizieren. Dies erweitert den städtischen Lichtradius und schafft neue Räume für kooperative Lernprozesse. Es entstehen neue Bilder von möglichen Wirklichkeiten, die es zunächst ohne Bewertungen zu beobachten gilt. Dieses Setting regt durch seine Offenheit kreative Prozesse an und lässt das Finden von nicht bewussten Ressourcen und neuen Wegen zu.
Im Rahmen neuer Formen nachbarschaftlichen Engagements, innovativer Beteiligungsprozesse, ressortübergreifender Arbeitsgruppen oder erfolgreicher Leuchtturmprojekte etablieren sich neue vernetzende Strukturen. Dadurch werden kontextgebundenes Denken und Handeln aufgebrochen, interaktive Lernprozesse angeregt und ganzheitliche Perspektiven entwickelt. Wo Licht ist, ist aber auch Schatten: Mit Erfolgen sind entstehende Begehrlichkeiten verbunden. Neue Konflikte zwischen aktiven und verantwortungsbereiten Bürger/innen, neuen kreativen Akteuren sowie Politik und Stadtverwaltung können sich abzeichnen. Es entstehen Unsicherheiten und Ängste, die häufig nicht offensiv benannt werden.
Wie können wir Räume und Strukturen schaffen oder Handlungsebenen miteinander verbinden, in denen sich alle Beteiligten mit der Gestaltung des urbanen Zusammenlebens auseinandersetzen? Wie können wir (noch) mehr Offenheit und Toleranz gegenüber anderen Lebensentwürfen ermöglichen, unabhängig von Lebensbiographien und Religionszugehörigkeiten? Und wie können wir daraus eine gesamtgesellschaftliche Ressource generieren? Welche Kommunikationsformen und Mittel sind nötig, um ein Verständnis ohne Verlustängste zu erreichen? Wie können wir künftig Prozesse ausbalancieren, um aus Differenzen gemeinsam neue Alternativen zu erzeugen?