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Joseph Dalton Hooker
Foto: Butterworth
Joseph Dalton Hooker war von 1865 bis 1885 Direktor von Kew Gardens bei London, der britischen Zentrale kolonialer Botanik. Er betrieb in dieser Zeit maßgeblich die imperiale Zentralisierung von Wissen.7

Koloniale Botanik und ihre Auswirkungen

Im Gegensatz zur heutigen Zeit spielte während der kolonialen Expansion die Wissenschaft der Botanik eine übergeordnete Rolle. Pflanzliche Rohstoffe waren eine wertvolle Ware. Die kolonialen Gewinne hingen dabei von der genauen Erforschung und Identifizierung profitabler Pflanzen sowie ihrer Anbaubedingungen ab.1

Die koloniale Botanik bezeichnet das Studium, die Benennung, den Anbau und die Kommerzialisierung von Pflanzen im kolonialen Zusammenhang. Sie entstand während der Kolonisierung durch die europäischen Imperien und betrachtete die Natur vorwiegend als zu nutzende Ressource.2 Mit dem Anstieg des globalen Handels erschloss die Botanik fortlaufend weitere Regionen, Hand in Hand mit der Ausdehnung der Kolonien.2

Dabei spielte auch der Zugriff auf das mit diesen Ressourcen verbundene Wissen eine wesentliche Rolle. Indigenes oder lokales Wissen und Praktiken wurden für die kommerzielle Ausbeutung und Wissensproduktion einfach angeeignet und somit überschrieben.2 Die Missachtung vorhandener Traditionen und die Reduktion auf den Profit führen bis heute zu schwerwiegenden Problemen.3

Joseph Dalton Hooker
Foto: Butterworth
Joseph Dalton Hooker war von 1865 bis 1885 Direktor von Kew Gardens bei London, der britischen Zentrale kolonialer Botanik. Er betrieb in dieser Zeit maßgeblich die imperiale Zentralisierung von Wissen.7
zwei Blätter und Blüten
Foto: Michael Burkart
Welwitschia mirabilis

Der österreichische Arzt und Botaniker Friedrich Welwitsch, der in portugiesischen Diensten sieben Jahre lang die Kolonie Angola botanisch erforschte, entdeckte diese höchst eigentümliche Pflanze im Jahre 1859 in der Nähe von Cabo Negro in Angola4,5. In einem Brief an die Royal Botanic Gardens Kew, London, berichtete er im August 1860 erstmals darüber, zweifellos eine der sensationellsten „Entdeckungen“ des 19. Jahrhunderts. 1862 sandte er Joseph Dalton Hooker Material für die wissenschaftliche Beschreibung und empfahl den Namen Tumboa nach einer einheimischen Bezeichnung. Hooker erschien das jedoch unpassend für diese extrem außergewöhnliche Pflanze, eine Benennung nach dem europäischen „Entdecker“ fand er passender. Welwitsch stimmte der Ehrung brieflich zu6.

Die Erstbeschreibung in den „Transactions of the Linnean Society“ umfasst fast 50 Seiten Text sowie 14 Abbildungstafeln, 2 davon farbig.6 Bereits Umfang und Ausstattung dieser Publikation verdeutlichen den wissenschaftlichen Rang von Welwitschs Fund.

In Angola wird diese Pflanzenart n'tumbo genannt, was so viel wie „Stumpf“ bedeutet. Die Nama nennen sie ǃkharos oder auch khurub, die Damara nyanka. Die Herero nennen sie onyanga, was „Wüstenzwiebel“ bedeutet. Das Mark wurde früher gegessen, roh oder in heißer Asche gebacken. Auf Afrikaans heißt sie tweeblaarkanniedood, was etwa „Zwei-Blatt-kann-nicht-sterben“ bedeutet.8

Welwitschien können vermutlich über 1.000 Jahre alt werden, besitzen aber nur zwei Blätter, die ihr ganzes Leben lang am Grunde weiterwachsen, während sie an der Spitze zurücksterben. Insgesamt werden sie kaum 1,50 m hoch. Es sind nacktsamige Pflanzen, sie gehören also in die weitere Verwandtschaft der Nadelbäume. Es handelt sich um lebende Fossilien; Überreste ähnlicher Pflanzen haben sich in Sedimenten erhalten, die vor über 100 Millionen Jahren im heutigen Brasilien abgelagert wurden.9

Referenzen

[1] Batsaki, Yota; Cahalan, Sarah Burke; Tchikine, Anatole (Hg.) (2016): The botany of empire in the long eighteenth century. Dumbarton Oaks Research Library and Collection. Washington, D.C.: Dumbarton Oaks Research Library and Collection (Dumbarton Oaks symposia and colloquia).

[2] Schiebinger, Londa; Swan, Claudia (Hg.) (2007): Colonial botany. Science, commerce, and politics in the early modern world. University of Pennsylvania Press. First paperback edition. Philadelphia: University of Pennsylvania Press.

[3] Gottschlich, Daniela; Hackfort, Sarah; Schmitt, Tobias; Winterfeld, Uta von (2022): Handbuch Politische Ökologie 110. DOI: 10.14361/9783839456279.

[4] Klemun, Marianne (1990): Friedrich Welwitsch (1806-1872). Carinthia II 180: 11-30.

[5] Klemun, Marianne (2022): Friedrich Welwitsch: Nachleben in öffentlichen Spuren, eine Erinnerungskultur zwischen Natur und Gesellschaft. Carinthia II 212: 33-52.

[6] Hooker, J.D. (1864): On Welwitschia, a new Genus of Gnetaceae. Transactions of the Linnean society 24: 1-48 + 14 Tafeln.

[7] Endersby, Jim (2008): Imperial Nature. Joseph Hooker and the practices of Victorian Science. University of Chicago Press.

[8] Welwitschie. Wikipedia. https://de.wikipedia.org/wiki/Welwitschie, zuletzt geprüft am 27.03.2023.

[9] Dilcher, David L. et al. (2005): Welwitschiaceae from the Lower Cretaceous of northeastern Brazil. American Journal of Botany 92(8): 1294-1310.

zwei Blätter und Blüten
Foto: Michael Burkart
Welwitschia mirabilis