Körperverletzungsdelikte
A. Einführung
Körperverletzungsdelikte machen mit ca. 10 % an der Gesamtkriminalität einen gewichtigen Teil der Kriminalität in Deutschland aus. Nach der polizeilichen Kriminalstatistik des Bundeskriminalamts für das Jahr 2018 wurden insgesamt 554.635 Fälle der Körperverletzung erfasst, die Aufklärungsquote betrug in diesem Deliktsbereich 88.5 %. Die Zahl an erfassten Körperverletzungsdelikten ist im Vergleich zum Vorjahr um 0.7 % (absolut: – 3.871 Fälle) rückläufig (PKS BKA, Jahrbuch 2018, Band 4: „einzelne Straftaten“, Tabelle 01, S. 43.).
Schutzgut der Körperverletzungsdelikte ist die körperliche Unversehrtheit, geregelt sind die Körperverletzungsdelikte somit im 17. Abschnitt des StGB (§§ 223 – 231 StGB) als „Straftaten gegen die körperliche Unversehrtheit“. Der nachfolgende Beitrag beschäftigt sich somit mit dem Grundtatbestand der (einfachen) Körperverletzung, der Qualifikation der gefährlichen Körperverletzung sowie mit deren Erfolgsqualifikationen und dem Fahrlässigkeitstatbestand.
B. Körperverletzungsdelikte
I. (Einfache) Körperverletzung, § 223 StGB
Die (einfache) Körperverletzung nach § 223 Abs. 1 StGB stellt das Grunddelikt der Körperverletzungsdelikte dar und ist ein Erfolgsdelikt. Der Strafrahmen reicht von Geldstrafe bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe.
Die Tatbestandsmäßigkeit setzt zunächst einen Taterfolg voraus. Dies kann gem. § 223 Abs. 1 StGB eine körperliche Misshandlung oder eine Gesundheitsschädigung sein. Eine Gesundheitsschädigung meint das Hervorrufen oder das Steigern eines pathologischen – d.h. krankhaften – Zustandes. Die körperliche Misshandlung erfasst jede üble und unangemessene Behandlung, durch die das körperliche Wohlbefinden bzw. die körperliche Integrität nicht nur unerheblich herabgesetzt wird.
Dieser Taterfolg muss vom Täter in kausaler und ihm objektiv zurechenbarer Weise herbeigeführt worden sein.
Zuletzt ist Vorsatz erforderlich. Handelte der Täter hingegen nicht vorsätzlich, bleibt nur noch Raum für die Prüfung einer fahrlässigen Körperverletzung nach § 229 StGB.
Im Rahmen der Rechtswidrigkeit besteht neben der Rechtfertigung durch die allgemeinen Rechtfertigungsgründe (§§ 32, 34 StGB) die Möglichkeit der Rechtfertigung durch Einwilligung. Hierbei ist der Einwilligungstatbestand des § 228 StGB beachtlich: Hiernach wird das allgemeine Schema der rechtfertigenden Einwilligung um den Punkt der „guten Sitten“ ergänzt. Somit ist die Tat nicht rechtswidrig, sofern sie nicht gegen die guten Sitten – das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden – verstößt. Besondere Relevanz kommt der rechtfertigenden Einwilligung bei gefährlichen Sportarten wie etwa dem Boxkampf zu.
Hinsichtlich der Schuldfrage gelten die allgemeinen Schuldausschließungsgründe der §§ 20, 21 StGB, 3 JGG sowie der Entschuldigungsgrund gem. § 35 StGB.
Im Rahmen der Körperverletzungsdelikte sind jedoch die Strafverfolgungsvoraussetzungen – die strafprozessualen Voraussetzungen für die Verfolgung einer Straftat – zu beachten: Erforderlich ist gem. § 230 Abs. 1 StGB, dass der Geschädigte einen Strafantrag gestellt hat. Die einfache Körperverletzung ist ein relatives Antragsdelikt, sodass die Polizei bzw. Staatsanwaltschaft auch bei fehlendem Strafantrag ein Strafverfahren einleiten kann, sofern ein besonderes öffentliches Interesse gegeben ist.
II. Gefährliche Körperverletzung
Die gefährliche Körperverletzung nach § 224 StGB stellt eine Qualifikation zur einfachen Körperverletzung nach § 223 StGB dar. Der Strafrahmen des Delikts erstreckt sich von sechs Monaten bis zu drei Jahren Freiheitsstrafe.
Im Rahmen der Tatbestandsmäßigkeit muss zunächst der objektive Grundtatbestand der einfachen Körperverletzung gegeben sein. Sodann erfolgt die Prüfung des Qualifikationstatbestandes. Hierzu muss der Täter zumindest eine der Handlungsalternativen des § 224 Abs. 1 Nr. 1 – 5 StGB verwirklicht haben.
§ 224 Abs. 1 Nr. 1: Beibringung von Gift oder anderen gesundheitsschädlichen Stoffen:
Die Beibringung von Gift iSd. Nr. 1 meint jeden organischen oder anorganischen Stoff, der durch chemische oder chemisch-physikalische Wirkung die Gesundheit schädigen kann. Beibringen im Sinne des § 224 Abs. 1 Nr. 1 StGB meint, den Stoff so mit dem Körper in Verbindung zu bringen, dass er seine gesundheitsschädliche Wirkung entfalten kann.
Andere gesundheitsschädliche Stoffe iSd. Nr. 1 sind Stoffe, die sich von selbst auf mechanische oder thermische Weise nachteilig auf die Gesundheit des Menschen auswirken. Hiervon erfasst werden insbesondere Glasscherben, Steine, siedendes Wasser sowie Bakterien und Viren.
§ 224 Abs. 1 Nr. 2: Waffe oder eines anderen gefährlichen Werkzeugs:
Eine Waffe iSd. Nr. 2 ist ein Gegenstand, der nach seiner Art dazu bestimmt ist, erhebliche Verletzungen von Menschen zu verursachen. (Bsp.: Schuss-, Hieb- und Stichwaffen)
Ein gefährliches Werkzeug iSd. Nr. 2 ist jeder bewegliche Gegenstand, der nach seiner objektiven Beschaffenheit und der Art seiner Verwendung im konkreten Fall dazu geeignet ist, erhebliche Verletzungen zuzufügen.
§ 224 Abs. 1 Nr. 3: hinterlistiger Überfall
Ein hinterlistiger Überfall iSd. Nr. 3 ist ein überraschender oder unerwarteter Angriff. Dieser ist hinterlistig, wenn der Täter planmäßig in einer auf Verdeckung seiner wahren Absicht berechneten Weise vorgeht, um die Abwehr des nicht erwarteten Angriffs zu erschweren.
§ 224 Abs. 1 Nr. 4: mit einem anderen Beteiligten gemeinschaftlich
Die gemeinschaftliche Begehung mit einem anderen Beteiligen gem. Nr. 4 setzt die Tatortanwesenheit mindestens zweier Personen und bewusstes und gewolltes Zusammenwirken der Anwesenden voraus.
§ 224 Abs. 1 Nr. 5: das Leben gefährdenden Behandlung
Eine das Leben gefährdende Behandlung iSd. Nr. 5 liegt vor, wenn die Tathandlung nach Art, Dauer und Intensität der Einwirkung dazu geeignet ist, das Opfer in Lebensgefahr zu bringen.
Im subjektiven Tatbestand ist (wie üblich) der Vorsatz zu prüfen. Der Täter muss einerseits das Grunddelikt und andererseits den Qualifikationstatbestand vorsätzlich verwirklichen.
Hinsichtlich der Rechtswidrigkeit und der Schuld gelten die allgemeinen Ausführungen.
III. Schwere Körperverletzung, § 226 StGB
Bei dem Tatbestand der schweren Körperverletzung handelt es sich um eine Erfolgsqualifikation mit einem Strafrahmen von einem Jahr bis zu zehn Jahren Freiheitsstrafe. Die im Vergleich zur einfachen Körperverletzung empfindlichere Strafe folgt aus der besonders erheblichen Folge, dem Taterfolg.
Tatbestandliche Voraussetzung ist zunächst das Vorliegen einer Körperverletzung iSd. § 223 StGB. Diese muss eine der in § 226 Abs. 1 Nr. 1 – 3 StGB genannten Folgen zur Folge haben.
Die Erfolge des § 226 Abs. 1 Nr. 1 StGB sind die Folgenden:
Der Verlust des Sehvermögens meint die Aufhebung der Fähigkeit, mittels der Augen Gegenstände wahrzunehmen. Eine Minderung auf 2 bis 10 % steht dem Verlust gleich.
Der Verlust des Gehörs meint den Verlust der Fähigkeit, artikulierte Laute zu verstehen.
Der Verlust des Sprechvermögens meint den Verlust der Fähigkeit zu artikuliertem Reden.
Erfasst wird der Verlust der (männlichen) Zeugungsfähigkeit und der (weiblichen) Empfängnisfähigkeit.
Die Erfolge des § 226 Abs. 1 Nr. 2 StGB sind die Folgenden:
Glied ist dabei nur ein nach außen in Erscheinung tretendes Körperteil, das eine in sich abgeschlossene Existenz mit besonderer Funktion im Gesamtorganismus erfüllt. Vorausgesetzt wird nach überwiegender Ansicht eine Verbindung des Gliedes durch Gelenke mit dem Körper. Ob ein Glied wichtig ist, hängt davon ab, ob der betroffene Körperteil für den Gesamtorganismus eine besondere Funktion erfüllt.
Die Erfolge des § 226 Abs. 1 Nr. 2 StGB sind die Folgenden:
Siechtum ist ein chronischer Krankheitszustand von nicht absehbarer Zeit, der wegen Beeinträchtigung des Allgemeinbefindens Hinfälligkeit zur Folge hat.
Lähmung ist die erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit eines Körperteils, die den gesamten Körper in Mitleidenschaft zieht.
Es ist eine an medizinischen Kriterien orientierte Auslegung des Begriffs der geistigen Krankheit angezeigt, wonach im Ausgangspunkt sämtliche krankheitswertige Schäden an der psychischen Gesundheit erfasst werden.
Ferner müssen die Handlungen kausal für die eingetretene Folge und dem Täter objektiv zurechenbar sein. Zudem muss ein spezifischer Gefahrzusammenhang zwischen den Delikten bestehen.
Subjektiv muss auf Tatbestandsebene noch der Vorsatz hinsichtlich des Grunddelikts der Körperverletzung sowie mindestens Fahrlässigkeit iSd. § 18 StGB hinsichtlich der schweren Folge gegeben sein.
Zuletzt muss die Tat auch rechtswidrig und schuldhaft begangen worden sein. Hierbei ergeben sich keine Besonderheiten.
IV. Körperverletzung mit Todesfolge
Eine Körperverletzung mit Todesfolge ist gegeben, sofern durch die Körperverletzung der Tod des Betroffenen verursacht wurde. Gemäß § 227 Abs. 1 StGB ist eine Freiheitsstrafe von bis zu 3 Jahren vorgesehen. Die Verwirklichung des § 227 StGB setzt zunächst ein tatbestandlich verwirklichtes Körperverletzungsdelikt als Grunddelikt voraus. Das Grunddelikt kann eine einfache oder eine gefährliche Körperverletzung sein. Sodann erfolgt die Prüfung der Erfolgsqualifikation. Dies setzt zuerst den Eintritt des Todes voraus. Dieser muss dem Täter objektiv zurechenbar sein und auch kausal auf dem Grunddelikt beruhen.
Sodann ist ein tatbestandsspezifischer Gefahrzusammenhang zwischen dem Grunddelikt und der schweren Folge erforderlich. Dieser ist gegeben, sofern der qualifizierte Erfolg gerade aufgrund der durch die Verwirklichung des Grunddelikts begründeten typischen Gefahr eingetreten ist. Weiterhin müsste dem Täter zumindest Fahrlässigkeit i.S.d. § 18 StGB hinsichtlich der schweren Folge vorgeworfen werden können. Dies ist der Fall, wenn die schwere Folge objektiv vorhersehbar war und sie auf einer objektiven Sorgfaltspflichtverletzung des Täters beruht. Sind all diese Voraussetzungen gegeben, ist lediglich noch Vorsatz hinsichtlich der Erfolgsqualifikation erforderlich. Im Rahmen der Rechtswidrigkeit und Schuld sind keine Besonderheiten zu beachten.
V. Fahrlässige Körperverletzung, § 229 StGB
Die fahrlässige Körperverletzung ist ein Fahrlässigkeitsdelikt und sieht einen Strafrahmen von bis zu 3 Jahren Freiheitsstrafe oder Geldstrafe vor. Raum für eine fahrlässige Körperverletzung besteht immer dann, wenn eine Körperverletzung nach § 223 Abs. 1 StGB mangels Vorsatzes nicht einschlägig ist.
Voraussetzung ist zunächst das Vorliegen eines Körperverletzungserfolges, einer Körperverletzungshandlung sowie das Vorliegen der Kausalität im Sinne der conditio-sine-qua-non-Formel.
Ferner muss eine objektive Sorgfaltspflichtverletzung hinzutreten. Nach einhelliger Auffassung liegt diese in Anlehnung an die zivilrechtliche Definition zu § 276 Abs. 2 BGB dann vor, wenn der Täter die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht lässt.
Sodann muss dem Täter dieser Erfolg auch objektiv zurechenbar sein. Die objektive Zurechnung unterscheidet sich von der Prüfung eines Vorsatzdeliktes und beinhaltet die Prüfungspunkte „Pflichtwidrigkeitszusammenhang“, „objektive Vorhersehbarkeit“ und „objektive Vermeidbarkeit“.
Der Pflichtwidrigkeitszusammenhang liegt vor, wenn sich die vom Täter durch den objektiv pflichtwidrigen Sorgfaltspflichtverstoß begründete Gefahr tatsächlich im Erfolg realisiert hat. Hinsichtlich der objektiven Vorhersehbarkeit des Erfolgs ist zu hinterfragen, ob mit dem Eintritt des Erfolges zu rechnen war oder ob vielmehr ein atypischer Kausalverlauf vorlag, den der Täter in dieser Form nicht vorhersehen konnte. Bei der objektiven Vermeidbarkeit des Erfolgseintritts gilt es zu begutachten, ob der Erfolg bei pflichtgemäßem Alternativverhalten entfallen würde. Liegen die Voraussetzungen vor, so handelte der Täter tatbestandsmäßig.
Weiterhin müsste der Täter rechtswidrig und schuldhaft gehandelt haben. Während in puncto Rechtswidrigkeit keine Besonderheiten zu beachten sind, gilt es Abweichungen im Rahmen der Schuld zu beachten. Zunächst ist die Schuldfähigkeit des Täters wie gehabt festzustellen bzw. – sofern problematisch – näher zu erörtern. Sodann erfolgt die Prüfung der subjektiven Sorgfaltspflichtverletzung. Aus dem Schuldprinzip folgt, dass auch die individuellen Kenntnisse und Fähigkeiten des Täters zu berücksichtigen sind – somit ist zu prüfen, ob der Täter nach seinen individuellen Fähigkeiten dazu in der Lage ist, die objektiv gebotene Sorgfalt einzuhalten. Hieran anknüpfend ist die subjektive Voraussehbarkeit des Erfolgs zu prüfen. Hierbei kommt es nach der Rechtsprechung nicht darauf an, dass der Täter jede einzelne konkrete Folge seines Handelns voraussehen können muss, sondern dass der Täter vielmehr den Kausalverlauf in seinen wesentlichen Grundzügen voraussehen können muss. Zuletzt dürfen dem Täter keine Entschuldigungsgründe zur Verfügung stehen.
Liegen diese Voraussetzungen vor, ist eine Strafbarkeit wegen fahrlässiger Körperverletzung einschlägig.
VI. Beteiligung an einer Schlägerei, § 231 StGB
Die Beteiligung an einer Schlägerei zählt ebenfalls zu den Körperverletzungsdelikten. Der Strafrahmen reicht von Geldstrafe bis zu drei Jahren Freiheitsstrafe. Strafgrund ist die abstrakte Gefährlichkeit von Schlägereien für Leib und Leben der Beteiligten, da körperliche Auseinandersetzungen zwischen mehr als zwei Personen erfahrungsgemäß häufig gravierende Folgen haben und sich zudem häufig im Nachhinein nicht mehr sicher klären lässt, welcher der Beteiligten die eingetretene schwere Folge verursacht hat.
Für Interessierte: Eine Schlägerei ist eine mit gegenseitigen Körperverletzungen verbundene tätliche Auseinandersetzung, an der mindestens drei Personen aktiv körperlich mitwirken. Unter einem von Mehreren verübten Angriff ist die feindselige, unmittelbar auf den Körper eines Anderen abzielende Einwirkung von mindestens zwei Personen zu verstehen. Sodann muss als subjektive Komponente Vorsatz bezüglich der objektiven Tatumstände vorliegen. Hinzutreten muss ferner eine schwere Folge als objektive Bedingung der Strafbarkeit. Dies ist namentlich der Tod eines Beteiligten oder eine schwere Körperverletzung. Liegen diese Voraussetzungen vor, handelte der Täter tatbestandsmäßig. Hinsichtlich der Rechtswidrigkeit gilt es zu beachten, dass der Rechtfertigungsgrund der Notwehr zwar das zugrundeliegende Körperverletzungs- bzw. Tötungsdelikt rechtfertigen mag, nicht hingegen die Beteiligung an einer Schlägerei als abstraktes Gefährdungsdelikt nach § 231 StGB. Die Beteiligung an einer Schlägerei ist somit einer Rechtfertigung weder durch Notwehr, noch durch Einwilligung aufgrund seines Charakters als abstraktes Gefährdungsdelikt zugänglich. Hinsichtlich der Schuld sind keine Besonderheiten zu beachten. |
C. Werkzeuge
(Einfache) Körperverletzung, § 223 I StGB
I. Tatbestandsmäßigkeit |
D. Anwendung
Fall 1:
Theo hat mitbekommen, dass sich seine Freundin Emma regelmäßig mit dem Bekannten Otto trifft. Er glaubt, dass seine ihn betrügt und geht ihr zum nächsten Treffen unerkannt hinterher. Als er sieht, wie Otto Emma umarmt und küsst, „brennen bei ihm die Sicherungen durch“: Theo rennt auf Otto zu, fasst ihn am Kragen und schlägt ihm mehrfach ins Gesicht. Otto trägt von dieser „Abreibung“ neben Schmerzen Hämatome davon. Nachdem sich Theo abreagiert hat, lässt er von seinem Opfer ab und verlässt den Tatort. Wie hat sich Theo strafbar gemacht?
Lösung:
Indem Theo Otto mehrfach ins Gesicht schlug, könnte er sich wegen Körperverletzung gem. § 223 Abs. 1 StGB strafbar gemacht haben. I. Tatbestandsmäßigkeit 1. Objektiver Tatbestand a) Taterfolg T müsste den O an dessen Gesundheit geschädigt oder diesen körperlich misshandelt haben. Eine Gesundheitsschädigung meint das Hervorrufen oder das Steigern eines pathologischen – d.h. krankhaften – Zustandes. Die körperliche Misshandlung erfasst jede üble und unangemessene Behandlung, durch die das körperliche Wohlbefinden bzw. die körperliche Unversehrtheit nicht nur unerheblich herabgesetzt wird. Die Hämatome und die damit verbundenen Schmerzen setzen das körperliche Wohlbefinden nicht nur unerheblich herab, sodass der Taterfolg in Form einer körperlichen Misshandlung vorliegt. b) Kausalität Die Schläge des T müssten auch kausal für die Verletzung des O sein. Kausal ist jede Bedingung, die nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Taterfolg in seiner konkreten Gestalt mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit entfiele, sog. conditio-sine-qua-non-Formel. Hätte T dem O vorliegend nicht mehrfach ins Gesicht geschlagen, wäre der O nun nicht verletzt. Mithin waren die Schläge kausal für die Verletzung des O. c) Objektive Zurechnung T hat mit den Schlägen die rechtlich missbilligte Gefahr einer Verletzung seitens O geschaffen, welche sich im tatbestandlichen Erfolg in Form von Schmerzen und Hämatomen realisiert hat. Ergo ist dem T die Handlung auch objektiv zurechenbar. 2. Subjektiver Tatbestand T müsste vorsätzlich gehandelt haben. Vorsatz ist der Wille zur Tatbestandsverwirklichung in Kenntnis aller objektiven Tatumstände. T schlägt O bewusst ins Gesicht. Dabei musste er die Verletzung des O jedenfalls billigend in Kauf nehmen. II. Rechtswidrigkeit und Schuld Rechtfertigungs- bzw. Schuldausschließungsgründe sind nicht ersichtlich. Auch Entschuldigungsgründe sind nicht einschlägig. III. Ergebnis Somit hat sich T wegen Körperverletzung gemäß § 223 Abs. 1 StGB strafbar gemacht, indem er auf O einschlug. |
Fall 2:
Ole war bis vor Kurzem Mitglied bei den „Hells Rockers“, einer gefährlichen Gang, die mit Waffen und Drogen dealt.
Die Organisation befürchtet, dass Ole „gequatscht“ hat und fürchtet darum, nun von der Polizei hochgenommen zu werden. Um dem Ole eine Abreibung zu verpassen und ihm aufzuzeigen, dass man die „Hells Rockers“ nicht einfach so verlässt, passt ihn der Thilo ab, als Ole den Müll rausbringt.
Thilo versperrt Ole den Weg und schreit ihn an, warum er sich „einfach so verpisst“ habe. Schließlich stecke Ole in den Machenschaften der „Hells Rockers“ genauso drin wie die übrigen Mitglieder.
Sodann schlägt er dem Ole ohne Vorwarnung mit seinem mitgeführten Schlagring einmal ins Gesicht und sprüht ihm anschließend Pfefferspray ins Gesicht. Hierbei hat Thilo geplant, den Ole zu verletzen – töten wollte er ihn jedoch nicht. Anschließend verlässt er den Tatort. Von dem Angriff trägt Ole einen Bruch des Nasenbeins, eine blutende Kopfplatzwunde sowie eine Reizung der Atemwege davon.
Ole hat bis zum jetzigen Zeitpunkt keinen Kontakt mit der Polizei aufgenommen. Nun reicht es ihm jedoch und da er weitere Angriffe befürchtet, schaltet er die Polizei ein. Ole erstattet Strafanzeige und stellt einen Strafantrag bzgl. „aller in Betracht kommender Delikte“.
Wie hat sich Thilo vorliegend strafbar gemacht?
[Bearbeitervermerk: Nötigung und Bedrohung nach §§ 240, 241 StGB sind nicht zu prüfen. Der Besitz und das Führen des Schlagrings stellt ein Vergehen nach § 52 Abs. 3 iVm. § 2 Abs. 3 iVm. Anl. 2 Abschn. 1 Nr. 1.3.2. WaffG dar und ist vorliegend nicht zu erörtern. Bei dem Pfefferspray handelt es sich um ein freiverkäufliches, handelsübliches Tierabwehrspray mit BKA-Prüfzeichen.]
Lösung:
Indem Thilo den Ole mit seinem mitgeführten Schlagring ins Gesicht schlug, könnte er sich gem. §§ 223 I, 224 Abs. 1 StGB wegen gefährlicher Körperverletzung zum Nachteil des O strafbar gemacht haben. I. Tatbestandsmäßigkeit hinsichtlich des Grunddelikts Thilo müsste zunächst das Grunddelikt des § 223 Abs. 1 StGB verwirklicht haben. Indem Thilo mit dem Schlagring auf das Gesicht des Ole einprügelte und einen Nasenbeinbruch sowie eine blutende Kopfplatzwunde hervorrief, hat er auf Seiten des Ole kausal und in ihm objektiv zurechenbarer Weise einen pathologischen Zustand hervorgerufen und diesen somit an der Gesundheit geschädigt. Thilo handlete auch vorsätzlich. Mithin hat Thilo den Tatbestand des § 223 Abs. 1 StGB verwirklicht. II. Tatbestandsmäßigkeit hinsichtlich der Qualifikation Fraglich ist jedoch, ob Thilo auch den Qualifikationstatbestand des § 224 Abs. 1 StGB verwirklicht hat. In Betracht kommt das Verwenden einer Waffe nach § 224 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 1 StGB sowie eine das Leben gefährdende Behandlung nach § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB. 1. § 224 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 1 StGB Hierzu müsste der Schlagring eine Waffe darstellen. Waffen sind alle körperlichen Gegenstände, die nach ihrer Art dazu bestimmt sind, erhebliche Verletzungen am Menschen zu verursachen. Ein Schlagring ist ein körperlicher Gegenstand, durch dessen Griff die Finger gelegt werden und der an der Vorderseite aus einem Metallbügel besteht. Der Schlagring dient dazu, die körperliche Kraft des Angreifers / Verwenders zu verstärken und die Verletzung der getroffenen Person erheblich zu intensivieren. Mithin dient der Schlagring nach seiner Art dazu, Menschen erhebliche Verletzungen zuzufügen. Ergo stellt der Schlagring eine Waffe im Sinne des Strafgesetzbuches dar. Diese Waffe hat Thilo vorliegend auch zur Begehung der Körperverletzung eingesetzt, sodass die Qualifikation nach § 224 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 1 StGB einschlägig ist. 2. § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB Ferner könnte der Einsatz des Schlagrings eine das Leben gefährdende Behandlung darstellen. Eine solche Behandlung liegt vor, wenn die Tathandlung nach Art, Dauer und Intensität der Einwirkung dazu geeignet ist, das Opfer in Lebensgefahr zu bringen. Vorliegend schlug Thilo dem Ole einmal mit dem Schlagring in dessen Gesicht. Der Schlag zielte auf das Nasenbein des Ole ab, sodass keine lebensbedrohlichen Verletzungen zu erwarten waren. Ferner handelte es sich um einen einmaligen Schlag. Somit ist nach Art, Dauer und Intensität der Behandlung nicht von einer Eignung der Maßnahme zur Herbeiführung einer Lebensgefahr zu rechnen. Mithin ist § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB im vorliegenden Falle nicht erfüllt. 3. Vorsatz Weiterhin müsste der Thilo Vorsatz bezüglich der Verwirklichung des Grunddelikts und des Qualifikationsdelikts gehabt haben. Thilo schlug bewusst mit dem Schlagring auf den Ole um, um die Verletzungen möglichst zu intensivieren. Mithin hatte er die Absicht, den Ole schwer zu verletzen. Ergo handelte Thilo bzgl. beider Delikte mit Absicht. III. Rechtswidrigkeit und Schuld Rechtfertigungs- und Entschuldigungsgründe sind vorliegend nicht ersichtlich. Auch Schuldausschließungsgründe sind nicht gegeben. Thilo handelte mithin auch rechtswidrig und schuldhaft. IV. Ergebnis Somit hat sich Thilo vorliegend wegen gefährlicher Körperverletzung zum Nachteil des Ole, strafbar gem. §§ 223 Abs. 1, 224 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 1 StGB, strafbar gemacht. |
E. Wiederholungsfragen