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Entschuldigungsgründe - Allgemein

A. Einführung

Die Entschuldigung im alltäglichen Verständnis liefert keinen Schlüssel für das Verständnis der strafrechtlichen Entschuldigungsgründe. Die Entschuldigung für eine Verspätung kann in ihrer Erläuterung unachtsames Verhalten abstreiten. Eine Entschuldigung kann auch Umstände benennen, die nach strafrechtlichem Verständnis rechtfertigend wären, wie die Notwendigkeit, einer anderen Person in Not zu helfen. Es kann sich aber auch um eine Bitte um Verzeihung handeln, die mit dem Einräumen des eigenen Fehlverhaltens einhergeht. Im Strafrecht sind die Begründung und Reichweite von Entschuldigungen nur dann erschließbar, wenn an den einzelnen Normen des StGB angesetzt wird. Hierbei geht es letztlich um die bedeutsame Frage, ob eine Person bestraft wird oder nicht.

 

B. Entschuldigungsgründe

Um die Entschuldigungsgründe nachvollziehen zu können, ist es zunächst erforderlich den strafrechtlichen Schuldvorwurf zu verstehen. Die Entschuldigungsgründe werden im strafrechtlichen Aufbau in der Schuld geprüft.

Im Rahmen der Schuld wird dem Täter ein persönlicher Vorwurf gemacht. Ihm wird vorgeworfen, dass er sich mit der Tat nicht rechtmäßig entschieden hat, obwohl er sich hätte für das Recht entscheiden können. Das StGB unterstellt, dass im Normalfall der erwachsene Mensch, der die objektiven und subjektiven Voraussetzungen eines Straftatbestandes erfüllt, dabei schuldhaft gehandelt hat. Bei Erwachsenen ist die positive Feststellung der Schuld nicht erforderlich. Es ist jedoch in Erwägung zu ziehen, ob eine Ausnahmekonstellation vorlag, auf deren Grundlage ein Schuldvorwurf nicht erhoben werden kann. 

Ein Schuldausschließungsgrund greift ein, wenn die Unterstellung, dass ein Mensch das Unrecht seines Verhaltens normalerweise nicht nur erkennen (Einsichtsfähigkeit), sondern auf der Grundlage dieser Einsicht entsprechend handeln kann (Steuerungsfähigkeit), aufgrund ungewöhnlicher Vorprägungen nicht haltbar ist, vgl. §§ 17, 19, 20 StGB.

Liest man §§ 33, 35 StGB, fällt die Gemeinsamkeit auf, dass in den zur Straffreiheit führenden Situationen, der Grund der Tatbegehung eine ungewöhnliche äußere Notlage ist. In § 33 StGB wird diese Notlage durch einen rechtswidrigen Angriff geschaffen, in § 35 StGB durch eine gegenwärtige Gefahr für Leben, Leib oder Freiheit.        

Die Entschuldigungsgründe im besonderen Teil (§ 258 Abs. 5, Abs. 6, § 139 Abs. 3 S. 1 StGB) fußen ebenfalls auf Konfliktsituationen in die der Täter geraten ist.

Ein Unterschied zwischen Schuldausschließungs- und Entschuldigungsgründen liegt bei der Verortung der Störfaktoren, die dem Schuldvorwurf entgegenstehen. Bei den Schuldausschließungsgründen liegen diese in der inneren Verfassung des Täters. Diese äußert sich in einer nicht vorhandenen, durch den konkreten Druck in der Situation verursachten Einsichts- oder Steuerungsfähigkeit.

Bei Entschuldigungsgründen ist es dagegen typisch, dass äußere Umstände auf den Täter eingewirkt haben. In bestimmten besonderen Situationen sinken die Anforderungen an normgemäßes verhalten. Das Verhalten des Täters bleibt jedoch rechtswidrig. Es wird von der Rechtsordnung also nicht gebilligt.

 

C. Unterschiede und Gemeinsamkeiten von § 34 und § 35 StGB

Der deutsche Gesetzgeber unterscheidet zwischen dem rechtfertigenden Notstand i.S.d. § 34 StGB und dem entschuldigenden Notstand i.S.d. § 35 StGB. Dies kommt besonders dann zum Tragen, wenn es zu einer Konstellation kommt, in der aus einer Gefahr für ein Rechtsgut eine Duldungspflicht für ein anderes Rechtsgut resultiert. Wird bspw. Peter von einem Jagdhund attackiert und befindet er sich wegen diesem in Lebensgefahr, muss Peter das Recht haben, sich zu verteidigen. Stehen ihm keine anderen Verteidigungsmittel zur Verfügung, muss ihm das Recht zustehen, aus dem Zaun des Nachbarn eine Latte herauszubrechen und den Hund zu töten, ohne dass der Nachbar ein Notwehrrecht gegen das Herausreißen der Latte gegen Peter ausüben darf. Im Rahmen der Interessenabwägung ergibt sich ein wesentliches Überwiegen zugunsten von Peter. Sein Verhalten verstößt nicht gegen die Rechtsordnung und muss daher vom Nachbarn geduldet werden. Die Rechtsordnung legt dem Nachbarn keine Duldungspflicht auf, wenn Peter ihn als menschlichen Schutzschild einsetzt. Peter opfert dann einen anderen Menschen ohne Interessenübergewicht, was allenfalls im Rahmen der Schuld berücksichtigt werden kann.

§ 34 StGB rechtfertigt das Verhalten des Täters und statuiert damit eine Duldungspflicht für andere. Mangels rechtswidrigen Angriffs des Täters, dürfen die anderen – insbesondere nicht über § 32 StGB – gegen diesen einschreiten.

§ 35 StGB entfaltet dagegen nur entschuldigende Wirkung. Das Verhalten des Täters bleibt also rechtswidrig, weshalb der Betroffene dieses nicht dulden braucht und sich insbesondere mittels Notwehr wehren kann.

Hinsichtlich der Voraussetzungen setzten § 34 und § 35 StGB übereinstimmend eine gegenwärtige Gefahr voraus, die nicht anders abwendbar sein darf. Bei § 34 StGB ist jedes Rechtsgut notstandsfähig. § 35 StGB beschränkt dagegen seinen Anwendungsbereich auf die Rechtsgüter Leben, Leib und Freiheit. 

§ 34 StGB rechtfertigt die Gefahrabwendung von sich oder jedem anderen. § 35 StGB engt den Anwendungsbereich dagegen ein und entschuldigt die Gefahrabwendung von sich selbst, einem Angehörigen oder einer Nahestehenden Person. Bei der Überschreitung des Anwendungsbereichs von § 35 StGB kann allenfalls der übergesetzliche entschuldigende Notstand Abhilfe schaffen. Ein grundlegender Unterschied liegt darin, dass § 34 StGB eine Interessenabwägung voraussetzt, also ein wesentliches Überwiegen des geschützten Interesses gegenüber dem beeinträchtigten Interesse. Bei § 35 StGB wird lediglich geprüft, ob dem Täter nach den Umständen zugemutet werden konnte, die Gefahr hinzunehmen.