Geschichte des Jüdischen Friedhofs in Skwierzyna
Der jüdische Friedhof in Skwierzyna liegt im südlichen Teil der Stadt, etwa 2 Kilometer vom Zentrum entfernt, auf einem Hügel nahe der Straße nach Międzyrzecz. Auf deutschen Karten wird dieser Hügel als „Judenberg“ bezeichnet. An seiner Nordseite grenzt der Friedhofshügel an den ehemaligen evangelischen und keutigen Kommunalfriedhof.
Das Jahr der Gründung des Friedhofs ist unbekannt, obwohl laut Jan Jagielski vom Jüdischen Historischen Institut in Warschau sein Standort auf den Anfang des 18. Jahrhunderts zurückgehen könnte. Wenn dies der Fall war, dann müsste es einen früheren Friedhof gegeben haben, der der Gemeinde diente, und nachdem er voll belegt war, hörte er auf, Bestattungsfunktionen zu erfüllen. Dies erscheint jedoch unwahrscheinlich und man muss annehmen, dass der Friedhof an diesem Ort seit dem Erscheinen der Juden in Schwerin existierte.
Die Fläche des Friedhofs beträgt 2,35 ha. Bei der Rekonstruktion, die im Juni 2002 stattfand, zählte man 247 Grabsteine. Der älteste erhaltene Grabstein stammt aus dem Jahr 1736. Der jüdische Friedhof in Skwierzyna ist der größte in der Woiwodschaft Lubuskie, sowohl in Anbetracht seiner Fläche als auch wegen der Anzahl der vollständig oder teilweise erhaltenen Mazewot. Es ist bekannt, dass der Friedhof auch als Begräbnisstätte für Juden aus dem nahe gelegenen Morrn (Murzynowo) diente.
Seit der zweiten Hälfte der 1930er Jahre wurde der Friedhof nicht mehr für Bestattungen genutzt. Er hat den Zweiten Weltkrieg unversehrt überstanden. Erhalten waren die Friedhofstore, die Umzäunung, der rituelle Brunnen, der sich am Tor an der ul. Międzyrzecka befand, das auf der Spitze des Hügels gelegene Leichenhaus, die Grabsteine, Gräber und andere Elemente der Friedhofsausstattung. In diesem Zustand, allmählich zugewachsen, erhielt er sich bis zur Mitte der 1960er Jahre. Die Situation änderte sich an der Wende von den 1960er zu den 1970er Jahren, als der Friedhof in relativ kurzer Zeit so stark verwüstet wurde, dass er seine ursprünglichen Merkmale hinsichtlich der Anlage und Ausstattung verlor. Die Verwüstung verlief zweigleisig. Sie war eine Folge der staatlichen Aktion der Auflösung der Friedhöfe, sowie individueller Zerstörungsaktionen der Stadtbewohner. Der Friedhof litt am stärksten unter dem Ausbau der ul. Międzyrzecka, da er zu einem Ort wurde, an dem man kostenloses Baumaterial erhielt. In den Fundamenten und Terrassen vieler damals errichteter Häuser lassen sich Grabsteine des jüdischen Friedhofs finden. Grabsteine aus edlen Materialien wie Marmor oder Granit wurden bereits früher von örtlichen Steinmetzen verwendet und abgeschliffen. Man kann sie heute auf den kommunalen Friedhöfen der Gegend finden. Ein bedeutender Teil der Marmor- und Granitplatten wurde auch aus Skwierzyna abtransportiert, unter anderem nach Poznań und Szczecin. Die größte Plünderung fand in den frühen 1970er Jahren unter voller Zustimmung der damaligen Stadtverwaltung statt. Trotz Beschwerden einer Anwohnerin demontierte eine Firma aus Szczecin mit schwerem Gerät, darunter einem Kran, über mehrere Tage wertvolle Grabsteine, Familiengrabsteine aus schwarzem, schwedischem Marmor und metallene, aufwändig gearbeitete Zäune.
Bessere Zeiten für den bereits stark verwüsteten Friedhof kamen Anfang der 1990er Jahre. Im Jahr 1992 trug die Denkmalschutzbehörde der Wojewodschaft Gorzów Wielkopolski den Friedhof in das Denkmalregister ein und ordnete eine Inventarisierung an. Die Inventarisierung wurde von Henryk Grecki von der Pracownia Zieleni Zabytkowej (Werkstatt für geschützte Grünanlagen) in Szczecin und Ryszard Patorski vom Museum in Międzyrzecz vorgenommen, der 162 Grabsteine abfotografierte. Anhand der Fotos übersetzte Paweł Woronczak die Grabstein-Inschriften aus dem Hebräischen und Deutschen ins Polnische. Diese Dokumentation befindet sich heute im Jüdischen Historischen Institut in Warschau und beim Wojewodschafts-Denkmalpflegeamt in Gorzów Wlkp.
In den Jahren 2001-2002 wurde der jüdische Friedhof in Skwierzyna im Rahmen des Projekts „Przywrócić Pamięć” (Erinnerung zurückbringen) als eines von 13 prämierten Projekten der Ford Foundation, die für seine Umsetzung 26.500 PLN bewilligte, rekonstruiert. Das Projekt umfasste die Säuberung und Restaurierung des Friedhofs sowie didaktisch-pädagogische Aktivitäten. Die damit verbundenen Aktivitäten wurden von der Jüdischen Gemeinde in Szczecin, zu der der Friedhof in Skwierzyna gehört, voll akzeptiert. Koordiniert wurde das Projekt von Andrzej Kirmiel, einem Geschichtslehrer am örtlichen Gymnasium, und Czesław Szymczak vom Verein für wirtschaftliche Entwicklung Skwierzyna. Polnische Schüler des Allgemeinbildenden Gymnasiums in Skwierzyna und deutsche Schüler des Privaten Katholischen Mauritius-Gymnasiums in Büren bei Paderborn nahmen daran im Rahmen ihres seit 1993 bestehenden Schüleraustauschs teil. Am 7. und 8. Juni 2002 fand eine wissenschaftliche Tagung zum Thema „Juden im westlichen Großpolen“ statt. Im selben Jahr wurde eine Broschüre „Juden in Skwierzyna“ veröffentlicht. Der rekonstruierte Friedhof erfreute sich bei den Einwohnern von Skwierzyna und Besuchern einer großen Popularität. Informationstafeln auf Polnisch und Englisch halfen, die Geschichte der jüdischen Gemeinde und der Grabsymbole zu verstehen. Die von den Besuchern mitgebrachten Blumen und Kerzen, die am Lapidarium aufgestellt wurden, wurden zu einem neuen Element des Friedhofs.
Bereits im September 2002 zeigten sich auf dem Friedhof die ersten Ansätze von Verwüstung. Eine der Informationstafeln, die sich auf dem Friedhof befanden, wurde in Brand gesetzt und beschädigt, und eine am Straßenrand am Fuß des Friedhofshügels angebrachte Tafel, die darüber informierte, dass sich hier ein jüdischer Friedhof befindet, wurde abgerissen. Im Oktober wurden zwei große Mazewot umgeworfen, und im November wurde die Informationstafel, die sich am Fuß des Hügels befand, erneut abgerissen. Als in den nächsten zwölf Monaten nichts Ernsthaftes auf dem jüdischen Friedhof geschah, glaubte man, dass die Energie der Unzufriedenen mit der Restaurierung des Friedhofs erschöpft sei.
Leider zerstörten in der Nacht vom 9. auf den 10. November 2003 unbekannte Täter etwa 20 Mazewot. Ein Teil wurde umgestürzt und zerbrochen, andere wurden mit Hakenkreuzen, obszönen Zeichnungen und antisemitischen Parolen beschmiert. Die Tageszeitung Gazeta Wyborcza veröffentlichte am 13. November 2003 einen Artikel zu diesem Thema: „Skwierzyna. (...) Der jüdische Friedhof wurde am Tag der Unabhängigkeit geschändet und zerstört. Schon am Eingang des Friedhofs sieht man zerbrochene Mazewot mit Inschriften auf Jiddisch, Hebräisch oder Deutsch. Auf Sandsteingrabsteine malte jemand Hakenkreuze, die charakteristischen "SS"-Zeichen. Einige Mazewot sind zerbrochen, umgekippt und zersprungen.“ Die Ermittlungen zur Schändung des Friedhofs haben bisher keine Ergebnisse erbracht. Im Jahr 2008 verpflichtete sich schließlich der Bürgermeister von Skwierzyna, ein neues Schild aufzustellen.
Andrzej Kirmiel