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Geschichte der Jüdischen Gemeinde in Neudamm (Dębno)

Straßenzug Dębno aus der Gründerzeit
Photo: Anke Geißler-Grünberg
Restaurierter Straßenzug aus der Gründerzeit im Stadtzentrum von Dębno
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Photo: OLF1.1. FrankRuhlLibre

Das alte Dorf Damm erlebte durch seinen Verkauf an die Markgrafen von Brandenburg-Küstrin im Jahr 1540 wesentliche Impulse zu seiner wirtschaftlichen Entwicklung. Dieser ging nicht nur die Ansiedlung von Zuwanderern aus den Niederlanden voraus, sondern die Benennung ihrer Siedlung in Neudamm und die Verleihung des Stadtrechts. Die sich fürderhin entwickelnde Tuchfabrikation sollte das bis ins 20. Jh. prägende Gewerbe der Stadt werden.

Zu den knapp 2.200 Einwohnern, die die Immediatstadt Neudamm im Jahr 1801 zählte, gehörten 42 Juden aus fünf Familien. Sie mussten dafür aber im gleichen Jahr 88 Reichstaler und 5 Groschen „Judensteuer“ an den Staat zahlen. Doch sind weder ihre Namen, noch das Gewerbe bekannt, in dem sie unterwegs waren. Man darf jedoch annehmen, dass sie ihren Lebensunterhalt hauptsächlich mit Tuch- und Wollhandel verdienten.

Für ihre Gottesdienste nutzten die Neudammer Juden zunächst eine Betstube, die sie sich möglicherweise in einem ihrer Wohnhäuser eingerichtet hatten. Denn eine eigene Synagoge konnte die Jüdische Gemeinde erst seit deren Genehmigung per königlicher Kabinettsorder vom 21. Februar 1841 betreiben. Wo sie sich befand, ist allerdings unklar. Der am 30. November 1843 erfolgte Bericht der Abteilung für die Kirchenverwaltung und das Schulwesen der Regierung Frankfurt (Oder) an den Minister der geistlichen, Unterrichts- und Medizinal-Angelegenheiten bestätigte dann aber, dass sich das Gotteshaus im Eigentum der Gemeinde befände. Diesem Dokument zufolge wurde es auch durch die sieben Juden der beiden umliegenden Orte Neumühl (heute: Namyslin) und Zicher (heute: Cychry) genutzt – für gemeinsame Gottesdienste und als Schule. Hierfür stand der jüdischen Gemeinschaft demnach ein von den Behörden autorisierter Schächter und Lehrer zur Verfügung. Auch wenn dieser Herr den zur Gesamtgemeinde gehörenden sieben schulpflichtigen Kinder jüdischen Religionsunterricht erteilt haben dürfte, so besuchten sie allesamt christliche Schulen. Ihren einzigen Vorsteher wählten die 64 Gemeindemitglieder aber selbst, und zwar durch Stimmenmehrheit und auf unbestimmte Zeit.  

Mit der Verbesserung der Verkehrsanbindungen seit der Mitte des 19. Jh. wuchs Neudamm kontinuierlich: bis 1858 auf 3.300 Einwohner; die Anzahl der in der Stadt lebenden Juden reduzierte sich hingegen um drei auf 54. Im Jahr der Gründung des deutschen Reiches, 1871, lebten in Neudamm bereits 3.357 Menschen, von denen 71 zur jüdischen Minderheit gehörten. Damit war jedoch der Zenit erreicht, denn bis Jahrhundertwende sank ihre Zahl wieder. 1890 zählte man nur noch 52 Juden, während die Stadt auf knapp über 4.000 Einwohner gewachsen war. 1905 lebten hier bereits mehr als 8.200 Menschen; eine Zahl der Juden ist ab dann nicht mehr überliefert. Es ist also anzunehmen, dass sich die Jüdische Gemeinde zu Neudamm bereits aufgelöst hatte und die Mehrheit der Juden abgewandert war.

Anke Geißler-Grünberg

 

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Photo: OLF1.1. FrankRuhlLibre

Literatur und Internet

Friedrich W. A. Bratring: Beschreibung der gesamten Mark Brandenburg. Band 3: Die Neumark Brandenburg, Berlin 1809, S. 104-106.

Die Gemeinden und Gutsbezirke des Preussischen Staates und ihre Bevölkerung. Nach den Urmaterialien der allgemeinen Volkszählung vom 1. December 1871, bearb. und zusammengestellt vom Königlichen Statistischen Bureau, Bd. 2: Brandenburg, Berlin 1873, S. 118f.

Manfred Jehle (Hrsg.): Die Juden und die jüdischen Gemeinden Preußens in amtlichen Enquêten des Vormärz, Teil 1: Enquête des Ministeriums des Innern und der Polizei über die Rechtsverhältnisse der Juden in den preußischen Provinzen 1842 – 1843. Berlin, Provinzen Brandenburg, Preußen, Pommern, Posen, Schlesien, Sachsen, Westfalen, München 1998, S. 685, 689, 692, 696, 704.

Mur nad macewami, in: Gazeta Lubuska (No. 265) vom 15.11.1995.

F. Wilhelm Riehl / J. Scheu (Hrsg.): Berlin und die Mark Brandenburg mit dem Markgrafthum Nieder-Lausitz in ihrer Geschichte und in ihrem gegenwärtigen Bestande. Nach amtl. u. anderen Mittheilungen, Berlin 1861, S. 412f.

 

Michael Rademacher: Deutsche Verwaltungsgeschichte von der Reichseinigung 1871 bis zur Wiedervereinigung 1990. Deutsch-österreichisches Ortsbuch: Landkreis Königsberg in der Neumark, URL: www.eirenicon.com/rademacher/www.verwaltungsgeschichte.de/koenigsberg_n.html [10.11.2021]

Verzeichnis der nationalsozialistischen Lager und Haftstätten 1933 bis 1945. Deutschland – ein Denkmal, URL: www.deutschland-ein-denkmal.de [10.11.2021]

Wirtualny sztetl: Debno, URL: sztetl.org.pl/en/towns/d/1671-debno [10.11.2021]