Einsatz eines Virtual-Reality-Klassenzimmers zur Förderungen von Kompetenzen im Klassenmanagement
Eric Richter
(akademischer Mitarbeiter an der Professur Erziehungswissenschaftliche Bildungsforschung)
Angaben zum Praxisbeispiel:
Bei dem Lehrprojekt handelt es sich um ein Seminarangebot in den Bildungswissenschaften, in dem Studierende aller Lehramtsstudiengänge (BA/MA) sowie der Erziehungswissenschaft (MA) durch die Nutzung von Virtual Reality-Technologie Kompetenzen im Klassenmanagement erwerben. Das Seminar findet im Wintersemester 2019/20 zum dritten Mal in Folge statt und wurde bislang von über 100 Studierenden durchlaufen. Die Nachfrage ist regelmäßig deutlich höher als die vorhandene Kapazität, sodass es auch zukünftig ein fester Bestandteil des Seminarangebots sein wird.
Video zum VR-Projekt: https://mediaup.uni-potsdam.de/Play/10600
Ziele des Einsatzes digitaler Medien (in der Lehrveranstaltung)
Die Lehrveranstaltung zielt darauf ab, Studierenden Kompetenzen im Klassenmanagement zu vermitteln. In diesem Zusammenhang erwerben die Studierenden Wissen zu aktuellen wissenschaftlichen Befunden, etwa im Bereich der Störungsprävention oder -intervention. Zur Vertiefung dieses konzeptuellen Wissens findet eine Verknüpfung der Erkenntnisse und Theorien mit praktischen Anwendungssituation statt. Zu diesem Zweck wird in zahlreichen Sitzungsterminen innerhalb des Seminars ein Virtual–Reality-Klassenzimmer eingesetzt, in der Studierende spezifische Techniken des Klassenmanagements in einem simulierten Klassenzimmer einüben. Hierbei handelt es sich um einen innovativen Lehransatz, der in dieser Form nur an sehr wenigen Universitäten in Deutschland (z.B. Würzburg) realisiert wird. Ziel des Einsatzes der Virtual Reality ist es, eine realistische Unterrichtssituation zu erschaffen, in der die Studierenden ihre Fähigkeiten wie in einem Simulator erproben und verbessern können. Die Übungsaufgaben für die Studierenden im Virtual-Reality-Klassenzimmer sind dabei vielfältig und können sowohl an spezifische Lernziele als auch den Entwicklungsstand der Studierenden angepasst werden. Eine zentrale Übungsform im Rahmen des Seminars besteht darin, eine Unterrichtssequenz zu gestalten und dabei so auf Störungen einzugehen, dass der Unterrichtsfluss nicht oder nur in geringem Umfang gestört wird. Das im virtuellen Klassenraum gezeigte Verhalten der Studierenden wird aufgezeichnet, um es anschließend im Seminar zu reflektieren und Handlungsalternativen zu entwickeln. Damit bietet die Virtual Reality nicht nur eine realistische Live-Erfahrung im Gestalten von Unterricht, sondern bietet auch eine Grundlage für Selbst- und Fremdreflexionsprozesse (Peer-Feedback). Das Seminar fokussiert somit stark auf Kompetenzen, die bei der Ausübung des Lehrerberufs von hoher Relevanz sind.
Neben der Entwicklung der professionellen Kompetenz angehender Lehrkräfte und Dozierenden besteht ein weiteres Ziel des Seminars darin, einen Beitrag zur Forschungsorientierung innerhalb der Studiums zu leisten. Hierfür wird das gezeigte Verhalten der Studierenden im virtuellen Klassenraum zu Beginn und zum Ende des Seminars aufgezeichnet und verglichen. Der Kompetenzerwerb innerhalb des Seminars lässt sich so direkt im gezeigten Verhalten feststellen und wissenschaftlich auswerten. Die Daten werden durch Abschlussarbeiten ausgewertet und zur Weiterentwicklung der Lehrveranstaltung verwendet. Die auf diese Weise geschaffenen Erkenntnisse leisten einen wichtigen und innovativen Beitrag zur Forschung der Lehrkräftebildung, deren Ergebnisse bereits auf nationalen und internationalen Konferenzen präsentiert werden konnten.
Besondere Herausforderungen
Studierende des Lehramtes haben zumeist nur in den schulischen Praktika die Möglichkeit, die in den Lehrveranstaltungen erworbenen Kompetenzen zu erproben und weiterzuentwickeln. Durch den sehr begrenzten zeitlichen Umfang der Praktika, bedarf es alternativer Angebote, um Studierenden die Möglichkeit zu geben, ihr in den Lehrveranstaltungen erworbenes Wissen anzuwenden. Eine Möglichkeit zur Anwendung bildungswissenschaftlichen und fachdidaktischen Wissens bietet das Virtual Reality Klassenzimmer, welches an Professur für Komplexe Multimediale Anwendungsarchitekturen entwickelt wurde. Dieses Instrument bietet erstmals die Gelegenheit, im geschützten Rahmen Praxiserfahrungen in der virtuellen Welt zu sammeln und diese zu reflektieren.
Umsetzung des mediengestützten Szenarios
Für den Erwerb vom Kompetenzen im Klassenmanagements nutzt das Seminar verschiedene Lehr- und Lernaktivitäten. Hierzu zählen neben dem Einsatz des Virtual Reality Klassenraums auch Elemente des Mikro-Teaching, Fallvignetten und Unterrichtsvideos. Die Übungen im Virtual Reality Klassenzimmer erfolgen auf zwei verschiedene Weisen: Zum einen finden sogenannte Gruppenübungen während ausgewählter Seminarsitzungen statt. Dabei erhalten Studierende kleinere Aufgaben, die sie als Lehrkraft im virtuellen Klassenzimmer übernehmen sollen (z.B. Zurechtweisen oder Loben von Schüler/innen). Die weiteren Seminarteilnehmer/innen verfolgen das virtuelle Unterrichtsgeschehen mit Hilfe eines Smartboards. Im Anschluss an die Übung reflektiert die Seminargruppe gemeinsam über das Gesehene und diskutiert gemeinsam mögliche Handlungsoptionen. Neben den Gruppenübungen im Rahmen regulärer Seminarveranstaltungen werden auch individuelle Übungen durchgeführt. Hierbei erhalten alle Seminarteilnehmer/innen jeweils einzeln ca. 15 Minuten Übungszeit im virtuellen Klassenzimmer. Während dieser Zeit bekommen die Studierenden verschiedene Arbeitsaufträge, etwa das Halten eines vorbereiteten Lehrervortrages oder das Monitoring der Schüler/innen während einer Einzelarbeitsphase. Die Übungen im Virtual Reality-Klassenzimmer werden mittels Screenrecording aufgezeichnet, sodass das gezeigte Verhalten durch die Gruppe aber auch die einzelnen Teilnehmerinnen und Teilnehmer in der Lernplattform Moodle reflektiert werden können.
Erfahrungen
Der Einsatz des Virtual Reality Klassenzimmers bringt viele Vorteile mit sich. Es ermöglicht den Studierenden zu jeder Zeit, die Rolle einer Lehrkraft in einem Klassenzimmer einzunehmen und eine Klasse von 30 Schülerinnen und Schülern zu unterrichten. Die Studierenden haben das eigenständige Unterrichten in der Virtual Reality als sehr gewinnbringend angesehen, da sie realistische Erfahrungen in der Gestaltung von Unterricht sammeln konnten. Besonders hilfreich beschrieben die Studierenden die anschließende Reflexion des Videomitschnitts des eigenen Verhaltens, da so das eben gezeigte Verhalten gezielt bewertet und verbessert werden kann.
Bei der verwendeten Technik handelt es sich um einen Prototyp des Virtual Reality Klassenzimmers, der vor allem im Rahmen einer studentischen Abschlussarbeit entwickelt wurde. Aus diesem Grund bedarf es der kontinuierlichen Weiterentwicklung und Verbesserung der vorhandenen Virtual Reality-Technik. Dazu gehört die Erhöhung der Interaktivität zwischen der Lehrperson und den virtuellen Schülerinnen und Schülern. Damit wäre es bspw. möglich, dass Schülerinnen und Schüler selbständig Fragen stellen oder störendes Verhalten bei gewünschten Zielverhalten der Lehrkraft einstellt. Durch eine Förderung im Rahmen der Ausschreibung „Innovative Lehre“ ist es momentan möglich, die bestehende Software durch den Entwickler (Axel Wiepke) weiterzuentwickeln und zusätzliche Funktionalitäten (z.B. Veränderung des Klassenraums) zu implementieren.
Unabhängig von der technischen Weiterentwicklung des Virtual-Reality-Klassenzimmers sind wir davon überzeugt, dass im Rahmen der Lehrkräfteausbildung weitere Anwendungsszenarien denkbar wären. Unsere Erfahrungen und wissenschaftliche Begleitung des Seminars bieten hierfür ebenso eine erste Grundlage, wie die technische Beratung und Unterstützung durch die Mitarbeiter*innen der Professur für Komplexe Multimediale Anwendungsarchitekturen.