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Glockenfontänenrondell

von Elisa Cazorla, Neele Chill, Desire Nahon, Sabeth Offergeld, Moritz Radecke und Ricardo Rinne (12.09.2023)

Version für Erwachsene

Wir stehen nun an einem Ort, dessen Gestaltung sich im Verlaufe der Jahre öfter verändert hat. Von 1787 bis 1798 standen hier acht vergoldete Bleifiguren, welche vor allem Gestalten und Motive, die die Themen Liebe und Natur verbanden, darstellten. Zu diesen gehörten beispielsweise “Bacchantin mit jungem Faun” oder “Mars von der Liebe gefesselt”. Nach 1842 wurde es als Glockenfontänenrondell umgestaltet. Als Ersatz für die vergoldeten Figuren folgten zwei Marmorstatuen-Gruppen. Die erste Gruppe besteht aus vier Statuen von 1748/49 aus den Neuen Kammern. Die andere Gruppe besteht aus vier italienischen Statuenpaaren, welche jeweils verschiedene Raubszenen darstellen.1 Die jeweiligen Paare von Räuber und Geraubten, die die nach Norden und Süden abzweigenden Wege des Rondells flankieren, sind südlich Paris und Helena sowie Bacchus und Ariadne und im Norden ein Römer und eine Sabinerin sowie Pluto und Proserpina. Seit einem Umbau 1930 ist die Glockenfontäne selbst nicht mehr zu bewundern, nur die Statuen sind geblieben.

Schauen wir uns nun eine Raubszene näher an: Die Entführung der Proserpina durch ihren Onkel Pluto. Auf Griechisch heißen die beiden Persephone und Hades, vielleicht haben Sie diese Namen schon einmal gehört. Pluto erkennen wir als bärtigen Mann. Als König der Unterwelt und Bruder von Jupiter und Neptun trägt er eine Krone; zu seinen Füßen sitzt der dreiköpfige Hund Zerberus. Proserpina wird von dem Gott hochgehoben, windet sich in seinen Armen und versucht vergeblich, sich zu befreien.

Nutzen wir dieses Statuenpaar als Fenster in die Antike und schauen einmal, wie die Römer diese Entführung geschildert haben. Zu finden ist die Erzählung vom Raub der Proserpina in vielen antiken Kunstwerken und Texten; darunter zählen Ovids Metamorphosen, eine längere Sammlung von Verwandlungsgeschichten aus dem ersten Jahrzehnt des 1. Jhdts. n.Chr.2 Ovid beschreibt dabei die Vorgänge folgendermaßen:

„Während in diesem Hain Proserpina spielt und entweder Veilchen oder weiße Lilien sucht, […] begehrt und entführt Pluto sie fast im selben Augenblick. So rasch ergriff ihn die Liebe. Die Göttin erschreckt und ruft mit kläglicher Stimme ihre Mutter […]. Sobald sie aber vom oberen Saum an ihr Gewand zerriss und losließ, entfielen ihr die gesammelten Blumen […]. Doch der Entführer jagt mit dem Wagen davon; er feuert die Rosse an, […] lässt immer wieder auf ihre Hälse und Mähnen die tiefschwarz gefärbten
Zügel klatschen …“3
Im Mythos heiraten die beiden anschließend und sind ein funktionstüchtiges Ehepaar,4 zumindest nach Standards der antiken Mythologie. Dies liegt vielleicht auch daran, dass sie sich genug Freiraum lassen. So verbringt Proserpina die eine Hälfte des Jahres bei ihrem Gatten in der Unterwelt und die andere bei ihrer Mutter auf der Erde, wo sie gemeinsam die Pflanzen wachsen lassen und den Menschen so Frühling und Sommer bringen.

In einer modernen Darstellung der beiden, im Film „Percy Jackson – Diebe im Olymp“ von 2010, wird ein kritischeres Bild ihrer Beziehung gezeichnet. Hier schafft es die Göttin, welche meist genervt auf die Ansagen ihres Ehemannes reagiert, diesen durch ihre Verführungskünste hereinzulegen und zu überwältigen. So vereitelt sie die Machtübernahme ihres Mannes, da sie befürchtet, ihre Besuche in die Oberwelt und die Freizeit vor ihrem Ehemann zu verlieren.

Auch wenn die Göttin in dem Film auf Seiten der Helden steht, wird hier die Frau stereotypisch als Verführungssubjekt dargestellt und der Raub an sich nicht (kritisch) betrachtet. Das gesamte Ensemble will aber diesen Raub sowie die anderen drei, einem kritischeren Blick unterwerfen. Was dieses Rondell uns sagen will, ist, dass man als Herrscher nicht aus Gefühlen und Leidenschaft heraus handeln sollte, da diese schlechte Ratgeber bei politischen Handlungsentscheidungen sind und negative Konsequenzen nach sich ziehen können.5

 

 

1 Vgl. Generaldirektion der Staatlichen Schlösser und Gärten Potsdam-Sanssouci (Hg.): Sanssouci: Schlösser, Gärten, Kunstwerke, 1984, S. 36.
2 Vgl. Klebs, J.: Der Raub der Proserpina. Kultur- und Geschlechtergeschichte einer mythischen Figur, Berlin 2019, S. 63.
3 Fink, G. (Hg.): Publius Ovidius Naso. Metamorphosen. Düsseldorf u.a. 2004.
4 Vgl. Klebs, J.: Der Raub der Proserpina, S. 64-75.
5 Vgl. Kreikenbom, D.: Die Aufstellung antiker Skulpturen in Potsdam-Sanssouci unter Friedrich II., in o.A., Wilhelmine und Friedrich II. und die Antiken, Stendal 1998, S. 47-49.

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Version für Kinder

Wir stehen nun an einem Ort, der im Laufe der Jahre ganz unterschiedlich aussah. Ursprünglich standen hier acht vergoldete Figuren, die Liebe und Natur symbolisierten. Später wurde es zum Glockenfontänenrondell umgestaltet, das heißt, in der Mitte des Platzes war ein großer Springbrunnen und neue Statuten, diesmal welche aus Marmor, ersetzten die alten. Diese Marmorfiguren sind noch heute an diesem Ort, die Fontäne leider nicht. Wenn wir uns die Statuen anschauen, dann sehen wir, dass immer zwei Personen zusammen auf einem Sockel stehen und dass diese Szenen nicht sehr friedlich sind. Die dargestellten Figuren stellen nämlich Entführungsszenen aus der griechischen und römischen Mythologie dar. Eine dieser Statuen möchten wir uns nun etwas genauer ansehen. Um zu wissen, von welcher Statue wir reden, suche du am besten die, bei der ein kleiner Hund zu Füßen der Personen sitzt. Dieser ist ein wenig versteckt, also gehe einmal um die Statuen herum.

Hast du den Hund und die richtige Statue gefunden? Wie dir sicherlich auffällt, hat dieser Hund drei Köpfe, nicht nur einen. Das liegt daran, dass dies Zerberos ist, der Höllenhund, der aufpasst, dass die Toten nicht wieder in die Oberwelt zurückkehren und dort als Geister spuken. Vielleicht kannst du dir auch jetzt schon denken, wer sein Herrchen ist, der hier als Entführer dargestellt ist. Es ist Pluto, der König der Unterwelt und Gott der Toten, mit wallendem Bart und Krone im Haar. Doch abgesehen von seinem Hund und den vielen Geistern war Pluto meist sehr allein in der Unterwelt und beschloss deshalb, eine Freundin zu finden. Doch leider wurden ihm in der Unterwelt keine Manieren beigebracht. Anstatt das liebe Mädchen mit Blumen zu überraschen oder nett mit ihr Essen zu gehen, entschloss er sich, sie zu packen und in die Unterwelt zu entführen. Das wird hier dargestellt.

Doch wer ist die traurige Dame, die hier versucht, sich aus den Armen ihres Entführers zu befreien? Es ist Proserpina, die Tochter der Pflanzengöttin Ceres. Verzweifelt schaut sie sich nach ihrer Mutter um, doch sie kann diese nicht finden. Als ihre Mutter merkt, dass sie weg ist, beginnt eine lange Suche nach ihrer Tochter, während der sie sogar vergisst, die Pflanzen wachsen zu lassen, bis sie Proserpina schließlich bei Pluto findet. Als ihre Mutter sie abholen will, ist Proserpina einerseits froh, weil sie endlich ihre Mutter wieder sieht, aber in der Zwischenzeit, die sie in der Unterwelt verbracht hat, hat sie gemerkt, dass Pluto eigentlich gar kein schlechter Kerl ist und auch Zerberos findet sie ganz süß. Es kommt also zu einem Kompromiss: Die eine Hälfte des Jahres verbringt Proserpina bei ihrer Mutter und hilft ihr, die Pflanzen wachsen zu lassen. Diese Zeit nennen wir Menschen Frühling und Sommer. Die andere Hälfte verbringt sie bei ihrem Mann Pluto in der Unterwelt und kümmert sich dort um die Geister
und Zerberos. Ihre Mutter ist während dieser Zeit, in der ihre Tochter nicht da ist, jedoch so traurig, dass sie ihre Arbeit vergisst und die Pflanzen nicht wachsen. Das sind dann Herbst und Winter.

König Friedrich hat diese und die anderen Statuen aufstellen lassen, um sich daran zu erinnern, dass er als Herrscher nicht solch barbarische Entscheidungen treffen sollte, wie Pluto. Auch wenn es bei diesem ein positives Ende gab, haben unüberlegte Entscheidungen für Herrscher meist negative Folgen, man sollte also lieber auf Diplomatie setzen, zum Beispiel mit Blumen und einem schönen Abendessen. Vielleicht können ja auch wir etwas von dieser Idee des Preußen-Königs übernehmen, denn auch Freundschaften lassen sich nicht erzwingen, sondern man braucht Gespräche und Geduld und Pflege, um diese erblühen zu lassen.

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