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Kleopatra

von Elisa Cazorla und Sabeth Offergeld (07.06.2023)

Version für Erwachsene

Die Statue „Kleopatra mit trauerndem Amor“, 1750 von Francois Gaspard Adam geschaffen, hier in einer Marmorkopie von Andreas Geith aus dem Jahr 1993,1 befindet sich am westlichen Halbrondell vor dem Schloss Sanssouci. Als Pendant zur Floragruppe am gegenüberliegenden östlichen Halbrondell am Grab Friedrichs, welche die Auferstehung symbolisiert, verkörpert die Kleopatragruppe analog zur untergehenden Sonne im Westen das selbstbestimmte Sterben.2 Sie kann als persönliche Allegorie auf Friedrichs eigenen Todesethos gedeutet werden, der das Recht auf einen ehrenhaften Freitod forderte und daher stets Opiumpillen bei sich trug.3

Der Legende nach beging Kleopatra im Jahr 30 v. Chr. Selbstmord durch den Biss einer giftigen Schlange - der Uräusschlange, auch als "ägyptische Kobra" bekannt. Diese Szene stellt die Statue dar. Vermutlich wollte die letzte Königin der ptolemäischen Dynastie als Mutter von Cäsars Sohn und Partnerin von Antonius so einer Demütigung während Octavians Triumphzugs in Rom entgehen. Octavian hatte nämlich mit seinem Sieg gegen Antonius dem römischen Bürgerkrieg ein Ende bereitet.4 Die Todesursache durch einen Schlangenbiss wird nach aktuellem Forschungsstand aber für sehr unwahrscheinlich gehalten.5 Diese Theorie könnte ihr persönlicher Arzt in Umlauf gebracht haben. Denn durch die Uräusschlange als Symbol pharaonischer Herrschaft konnte Kleopatras Tod von den Ägyptern als würdevoll wahrgenommen werden.6

Doch die Kobra gilt nicht nur als königliches Attribut, sondern auch als eine Erscheinungsform von Isis, einer Göttin, mit der sich Kleopatra in ptolemäischer Tradition schon zu Beginn ihrer Herrschaft identifizierte. In den Augen ihrer ägyptischen Untertanen wäre Kleopatra infolge des Kobrabisses durch die Göttin Isis ins Jenseits gelangt und hätte dort eine göttliche Wiedergeburt erlebt.7 Dieser Idee zufolge erscheint Kleopatra als Schöpferin ihres eigenen Todesmythos.8

Zu Lebzeiten diente Kleopatra die Identifikation mit Isis vor allem zur Legitimation ihrer Herrschaft. Die Göttin bot mit ihren Eigenschaften als leidende, liebende Mutter, Schwester und Herrscherin ihren Anhängern eine breite Projektionsfläche. Für Kleopatra stellte die Bezugnahme auf den Isis-Kult – nicht zuletzt aufgrund seiner hohen Popularität und weiten Verbreitung – eine geeignete Möglichkeit dar, ihre Position als herrschende Mutter des zukünftigen Königs zu untermauern.

Verschiedene Münzprägungen zeigen die ptolemäische Königin mit Attributen der Göttin Isis: Beispielsweise zeigt eine Silberdrachme aus dem sechsten Jahr ihrer Regierung Kleopatra mit einer geflügelten Sonnenscheibe mit Uräusschlangen als Kopfschmuck.9 Eine Bronzemünze10 zeigt sie hingegen, während sie ihren Sohn Caesarion stillt und inszeniert somit das Motiv der sogenannten „Isis lactans“. Betrachtende sollten Kleopatra also als die herrschende göttliche Mutter eines künftigen Pharaos sehen.

Mit dem Tod durch einen Kobrabiss hinterließ Kleopatra also eine letzte Botschaft: Dass die rechtmäßige Königin Ägyptens, die Nea Isis, gestorben, und damit eine Epoche beendet sei.11 Als letzte Königin der Ptolemäer-Dynastie, die wie Sie sehen, aber nach römischem Stil gekleidet ist, reiht sie sich in die Darstellung bedeutender römischer Herrscher im westlichen und östlichen Halbrondell ein.

Als Frau in der Politik wurde Kleopatra „dämonisiert“, als unfähig, monströs und sexuell freizügig abgestempelt:12 So beschrieb Horaz sie als machtsüchtige Frau, die von schwachen Männern umgeben war.13 Berechnend wäre sie angeblich auch gewesen, weil sie - in der Meinung ihrer Feinde - Cäsar einen Sohn geboren hatte, um so ihre Macht legitimieren zu können.14 Einzig ihr Selbstmord galt als ehrenhafte Geste einer großen Königin.15 Das Bild Kleopatras als Frau und Ägypterin war doppelt belastet. Sie wurde von männlichen westlichen Autoren beschrieben, deren Ziel die Idealisierung des römischen politischen Systems war.16 Das Bild Kleopatras wird somit in den Texten der späteren römischen Autoren immer stereotypischer und entwickelt sich bis auf ihren Tod zur Darstellung einer verführerischen und zugleich machtsüchtigen Frau.17

Seit der Renaissance werden mit der Wiederentdeckung der antiken Texte beide Darstellungen Kleopatras als femme fatale und als selbstbestimmte Herrscherin übernommen: In zahlreichen Romanen und Dramen schwankt ihr Bild zwischen einer dämonischen Verführerin (wie zum Beispiel in Die Königin Kleopatra mit Antonia dem Römer von Hans Sachs, 1560) und einer durch ihren Selbstmord ehrenvollen Herrscherin.18 Dementsprechend entwickelten sich die Darstellungen Kleopatras in den europäischen Romanen und Kunstwerken der folgenden Jahrhunderte. Auch im Park Sanssouci entgeht Kleopatras Skulptur dieser Zweideutigkeit nicht: Die Königin wird in ihrer Todesstunde mit entblößten Brüsten nach dem Archetyp der Venus19 dargestellt. Die Statue verkörpert einerseits den Wunsch Friedrichs des Großen nach einer ehrenvollen und bis in den Tod durch die geistige Kontrolle geleiteten Herrschaft und andererseits seine abwertende Sicht auf die Emotionen, hier durch die Weiblichkeit Kleopatras dargestellt, die die Vernunft negativ beeinflussen können.

Kleopatra ist heutzutage in unserer Geschichtskultur fest verankert, was sich in zahlreichen Filmen und Werbungen zeigt. Ihre Rezeption als Herrscherin und femme fatale wird weiterhin benutzt, zum Beispiel, um die kraftgebende oder verschönernde Wirkung eines Produkts hervorzuheben.20 Sie bleibt zweifellos die bekannteste Königin der Geschichte, auch wenn ihre Darstellungen eher einem Mythos als der damaligen Realität ähneln.21

 

 

1 Vgl. Bauten und Bildwerke im Park Sanssouci: amtlicher Führer. Hrsg. v. Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg. Potsdam 2002, S. 130.
2 Vgl. Adrian von Buttlar, Marcus Köhler: Tod, Glück und Ruhm in Sanssouci: ein Führer durch die Gartenwelt Friedrichs des Großen. Hrsg. v. Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg. Ostfildern 2012, S. 56.
3 Buttler & Köhler 2012, S. 56f.
4 Vgl. Mary Hamer: In the Name of Cleopatra: Emma Hamilton and Catherine Stepney Make Their Mark. In: Orientalism and the Reception of Powerful women from the ancient world. Hrsg. v. Filippo Carlà-Uhink, Anja Wieber, S. 86-102, hier S. 88, 102; vgl. Christoph Schäfer: The Kleopatra Problem. Roman sources and a female Ptolemaic ruler. In: The Routledge Companion to Women and Monarchy in the Ancient Mediterranean World. Hrsg. v. Elizabeth D. Carncey and Sabine Müller. Oxon/New York 2021, S. 121-133, hier S. 128.
5 Vgl. Schäfer 2021, S. 129; Plut. Ant. 71.8.; John Visser, David Steel Chapman: Snakes and Snakebite. Cape Town 1978; David A. Warrell: Clinical Toxicology of Snake-bite in Africa and the Middle East/ Arabian Peninsula. In: Jurg Meier, Julian White (Hrsg.): Clinical Toxicology of Animal Venoms and Poisons. Boca Raton 1995, S. 433.
6 Vgl. Schäfer 2021, S. 129.
7 Vgl. ebd.; vgl. Günther Hölbl: Geschichte des Ptolemäerreiches. Politik, Ideologie und religiöse Kultur von Alexander dem Großen bis zur römischen Eroberung. Darmstadt 1994, S. 269; vgl. Manfred Clauss: Kleopatra. München 1995, S. 102.
8 Vgl. Schäfer 2021, S. 129.
9 Svoronos 1853; J. N. Svoronos: Ta Nomismata tou Kratous ton Ptolemaion, Athen 1904.
10 Svoronos 1874.
11 Vgl. Schäfer 2021, S. 129.
12 Vgl. Wesselmann, Katharina: Die abgetrennte Zunge. Sex und Macht in der Antike neu lesen. Darmstadt 2021, S. 42-61.
13 Horaz. Carmina I, 37.
14 Vgl. De Callataÿ, François: Cleopatra as a Strong Woman in Modern Times. A Less Negative Episode in a Disfigured Tradition? In: Droß-Krüpe, Kerstin / Fink, Sebastian (Hrsg.): Powerful Women in the Ancient World Perception and (Self)Presentation. Proceedings of the 8th Melammu Workshop, Kassel, 30 January – 1 February 2019. Münster 2021, S. 499-517, hier S.499.
15 Horaz. Epode IX.
16 Vgl. Carlà-Uhink, Filippo / Wieber, Anja: Introduction. In: Carlà-Uhink, Filippo / Wieber, Anja (Hrsg.): Orientalism and the Reception of Powerful Women from the Ancient World. London / New York / Oxford / New Delhi / Sydney 2020, S. 1-15, hier S. 1.
17 Vgl. Wenzel, Diana: Kleopatra im Film. Eine Königin Ägyptens als Sinnbild für orientalische Kultur (=Filmstudien. Bd. 33). Remscheid 2005, S. 42-44 und Vergil, Aeneis VIII, 698 ; Propertius, III, 11; Josephus. ant. iud. XV, 88; Josephus. ant. iud. XV, 93; Florus. Epit. II,21,10.
18 Vgl. Schäfer, Christoph: Kleopatra. Darmstadt 2006, S. 268.
19 Vgl. Pina Polo, S. 188.
20 Vgl. Schäfer 2006, S. 289.
21 Vgl. Schäfer 2006, S. 289.

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Version für Kinder

Bestimmt hast du schon mal von Kleopatra gehört – der berühmten schönen Königin von Ägypten!

Vor über 2000 Jahren, im Jahre 30 vor Christus, beging die Königin von Ägypten Selbstmord. Der Legende nach hat sie sich von einer giftigen Schlange, der Königskobra, in die Brust beißen lassen. Diese Szene stellt die Statue dar, die ihr vor euch seht. Die kleine Figur hinter Kleopatra heißt Amor. Das ist der Gott der Liebe, der nun um die tote Königin trauert. Aus dem Korb mit Blumen, der sich hinter Kleopatra befindet, soll die Kobra gekrochen sein.

Warum hat sie sich denn umgebracht, fragst du dich vielleicht. Genau weiß man das eigentlich nicht. Aber es könnte sein, dass sie so einer Demütigung entgehen wollte. Kleopatra war nämlich die Frau von Antonius, und der hatte gerade einen Krieg gegen seinen Widersacher Octavian verloren, weswegen Ägypten nun zum römischen Reich gehörte. Zu Kleopatras Zeit war es üblich, dass die Sieger die Verlierer in einem Triumphzug, wie eine gewonnene Trophäe, der jubelnden Menge vorführten. Das wäre eine große Schande für Kleopatra gewesen. Außerdem hatte sich auch ihr Mann Antonius schon das Leben genommen, Kleopatra sah also wahrscheinlich keinen Sinn mehr, weiterzuleben.

Und was macht die Statue von einer ägyptischen Königin in einem deutschen Schlosspark? Nun ja, als bedeutende und letzte Königin ihres Königshauses reiht sie sich an diesem Standort im Park in die Reihe anderer wichtiger Herrscher ein. Hinter ihr seht ihr nämlich ein Halbrondell mit Büsten von römischen Kaisern. Ihre Stellung als Herrscherin war Kleopatra sehr wichtig, sie wurde als Pharaonin von ihren Untertanen sogar als Gottheit verehrt. Sie wurde mit der Göttin Isis in Verbindung gebracht, die wie Kleopatra eine liebende Mutter, Schwester und Herrscherin war. Eine Erscheinungsform dieser ägyptischen Gottheit ist die Kobra – genau, die gleiche Schlange, die Kleopatra gebissen haben soll. Man vermutet, dass die Menschen deswegen damals dachten, dass Kleopatra so durch die Göttin Isis ins Jenseits geholt worden sei und eine göttliche Wiedergeburt erlebt habe. Auch auf Münzen hat Kleopatra sich mit solchen Schlangen abbilden lassen. Sie hat sich so ihren Untertanen als göttliche Herrscherin gezeigt. Mit dem Tod durch den Kobrabiss hat Kleopatra sozusagen eine letzte Botschaft hinterlassen: dass die von den Göttern gesandte Königin Ägyptens gestorben ist und damit eine Epoche beendet sei.

Ihr Selbstmord galt als ehrenhafte Geste einer großen Königin, aber sie war nicht bei allen beliebt – als Frau in der Politik wurde sie von den Männern ihrer Zeit oft als unfähig, monströs und als zu freizügig abgestempelt. Auch lange Zeit später wird sie als machtsüchtige und verführerische Frau dargestellt.

Besonders gut hat sich der Mythos ihrer Schönheit gehalten. Bestimmt habt ihr in der Werbung für Kosmetikprodukte schon mal ein Bild von Kleopatra gesehen, oder davon gehört, dass sie in Eselsmilch gebadet hat. So eine Szene kennt ihr vielleicht auch aus dem Asterix-Zeichentrickfilm. Das Baden in Milch ist nur ein Mythos, ihre Schönheit spielt aber trotzdem fast immer eine Rolle, wenn über Kleopatra gesprochen wird. Auch in der Statue vor euch wird viel Wert auf ihre Schönheit gelegt. Darüber hinaus zeigt die Statue auch den Wunsch von Friedrichs des Großen, der den Park anlegen ließ, nach einer ehrenvollen und bis in den Tod kontrollierten Herrschaft, wie Kleopatra sie hatte.

Das tragische Schicksal Kleopatras sollte euch aber nicht als Vorbild dienen, nehmt lieber die Anmut und Stärke als kluge, selbstbewusste, schöne Königin und Mutter als Kleopatras besondere Eigenschaften mit!

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