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Geschichte des Jüdischen Friedhofs in Kostrzyn

Reste des Zugangs und der Friedhofsmauer in Kostrzyn
Foto: Anke Geißler-Grünberg
Reste des Zugangs zum Friedhof und Fragmente der Friedhofsmauer in Kostrzyn nad Odrą
gimmel
Foto: OLF1.1. FrankRuhlLibre

Der Prorektor der höheren Bürgerschule Küstrins, K.W. Kutschbach, berichtet in seiner 1849 veröffentlichten Chronik der Stadt, dass die Jüdische Gemeinde zu Küstrin über einen eigenen Friedhof in der Kurzen Vorstadt verfügte. Bereits 1827 wurde hier Leib Loewenthin beerdigt.

Dieses gesamte Viertel wurde allerdings 1907 in Neustadt umbenannt und bildet heute den Stadtkern von Kostrzyn nad Odrą. Im Oktober 1857 erfolgte die Anbindung der Stadt an das Netz der Königlich Preußischen Ostbahn. Mit dem Beginn der Bauarbeiten für die Küstrin kreuzende Bahnstecke von Breslau nach Stettin zwischen 1872 und 1874 entstanden dann der heutige Bahnhof Kostrzyn sowie sein etwas östlich gelegener Güterbahnhof. Unmittelbar neben diesem befand sich nun der jüdische Friedhof.

Wahrscheinlich bildete der Friedhof zu diesem Zeitpunkt bereits das bis heute erkennbare Flächendreieck und umfasste die heutige Größe von ca. 0,7 ha. Eine Mauer aus Feldsteinen und Ziegelsteinen friedete den Begräbnisort ein. Bekannt ist, dass sich die Juden an seiner östlichen Grundstücksgrenze ein einstöckiges Gebäude im orientalischen Stil errichteten, das sie zur Vorbereitung von Beerdigungen und zur Durchführung der Begräbnisfeiern nutzten. Bekannt ist außerdem, dass auf dem Friedhof nicht nur die Küstriner Juden ihre Toten beerdigten, sondern auch die Juden aus dem 11 km südlich gelegenen Dorf Göritz (heute: Górzyca).

In der NS-Zeit wurde die Trauerhalle als Hinrichtungsstätte für Juden missbraucht. Die Stadt-Kommune beabsichtigte zudem, den Friedhof zu „arisieren“. Am 8. Januar 1944 erhielt sie die Genehmigung des Reichsministers der Finanzen, ihn im Wert von 8.774 RM zu verkaufen. Allerdings kam es nicht zum anvisierten Verkauf, da noch juristische und verfahrenstechnische Schwierigkeiten zu klären waren. Am 3. Mai 1945 wurden die „Verkaufsverhandlungen“ schließlich eingestellt, da Küstrin nun im direkten Kriegsgebiet lag.

Der Friedhof überdauerte die Naziherrschaft und die Kämpfe des Jahres 1945, jedoch mit schweren Schäden. Die Friedhofsmauer war an der Straßenseite aufgebrochen und an der Seite des Bahnhofsgeländes großflächig zerstört. Die Grabsteine waren zum Teil deformiert oder umgekippt. An solchen Zustand erinnerte sich Aleksander Orłow, der das Gelände in Ende der 1950er Jahre als Schüler erlebte. Demnach füllten die Gräber noch ungefähr 75% der Fläche, eher den östlichen Teil. Die prächtigsten Gräber befanden sich an der Mauer entlang der Straße. Die Grabsteine trugen Inschriften in Deutsch und Hebräisch, manche waren vergoldet.

Niemand kümmerte sich um den verwaisten Friedhof. Da in der Nähe Alkohol verkauft wurde, entwickelte sich der Friedhof zu einem Ort, an dem man ungestört trinken konnte. Kinder sammelten zurück gelassene Flaschen ein und wechselten sie gegen Süßigkeiten. In den 1950er Jahren funktionierte man den Friedhof schließlich zu einem Schrottplatz (Składnica Złomu) um. In der Trauerhalle befand sich fortan das dazugehörige Büro. Während ihres Umbaus zu einem Wohnhaus wurde der an der Straßenseite liegende Feiersaal abgerissen und die Freifläche später zum Teil bebaut (heute ul. Mickiewicza 3). In den 1960er Jahren folgte eine Erweiterung des Schrottplatzes. Zu dieser Zeit hatte man die Fläche  des Friedhofes bereits mehr oder weniger begradigt, sie vermüllte aber. Später beseitigte man Hauptmauer und Sträucher, zog einen Drahtzaun und begradigte die Fläche abermals, so dass sie den heutigen Zustand annahm.

Als der Beitrag für das Internet-Portal Wirtualny Sztetl geschrieben wurde, war die Friedhofsmauer an der den Gleisanlagen zugewandten Grundstücksgrenze weitestgehend intakt und der Friedhof über ein Tor zugänglich. Außerdem existierten noch 20 Grabsteine mit deutschen Inschriften. Im Jahr 2020 gab es keinen einzigen Grabstein mehr und auch das Tor war verschwunden. Die umgebaute Trauerhalle wurde räumlich abgetrennt und beherbergt heute ein Geschäft für Heizgeräte.

Im Bestand des Oderland-Museums in Bad Freienwalde  befindet sich noch eine Tafel, die einst an einem Grabmal angebracht war. Sie ist dem 1909 gestorbenen Pferdehändler und Mitglied der Küstriner Repräsentantenversammlung Louis Schlawinsky gewidmet.

Magdalena Abraham-Diefenbach, Anke Geißler-Grünberg

 

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Foto: OLF1.1. FrankRuhlLibre