[Die Porträtierten] [Der Maler] [Bildbeschreibung] [Zitierhinweis]
Die Portraits des Ehepaars Miriam und Daniel Itzig (1787)
von Henriette Hiller
Die Porträtierten: Miriam und Daniel Itzig
(Miriam Itzig, geb. Wulff (1727-1788) und Daniel Itzig (1722-1799))
Im Berlin des ausgehenden 18. Jahrhunderts war Daniel Itzig eine der zentralen Figuren des gesellschaftlichen Lebens in Berlin. Als Hoffaktor und Oberältester der Jüdischen Gemeinde hatte er nicht nur eine vermittelnde Stellung inne, sondern nahm auch wesentlichen Einfluss auf die Judenpolitik des preußischen Königs und die Haltung der Jüdischen Gemeinde. Dabei kam er aus einfachen Verhältnissen. Sein Vater, Isaac bzw. Itzig Daniel Jafes, war 1714 als Pferdelieferant des „Soldatenkönigs“ Friedrich Wilhelms I. nach Berlin gekommen. Somit hatte Itzig zwar das Privileg, in Berlin leben zu dürfen, gehörte aber der unteren Schicht der Juden an. Im Jahre 1748 heiratete Daniel Itzig Miriam Wulff. Ihre Familie gehörte zu den 50 aus Wien vertriebenen und 1671 in Berlin aufgenommenen Familien. Diese Heirat ist insofern erstaunlich, als die Familie Wulff zu den besser gestellten Familien gehörte. Ein Onkel Miriams war Hoffaktor und die Wulffs waren im Besitz einer Druckerei. Allerdings muss man davon ausgehen, dass die Jüdische Gemeinde Berlins zu dieser Zeit noch so übersichtlich war, dass das Hauptanliegen der Eltern war, ihre Kinder innerhalb Berlins zu verheiraten. Und die Wahl Daniel Itzigs sollte sich als gut erweisen.
Im Siebenjährigen Krieg (1756–1763) war Daniel Itzig gemeinsam mit Veitel Ephraim Betreiber der sechs preußischen Münzstätten. Itzig und Ephraim betrieben dort im Auftrag Friedrich II. „Münzverschlechterung“ durch das Beimischen minderwertiger Metalle beim Prägen der preußischen Münzen, um mit den dadurch entstehenden Gewinnen für den König den Krieg zu finanzieren. Diese Tätigkeit war mit vielen Risiken verbunden. Vor allem aber war sie natürlich illegal, so dass es nicht verwundert, dass König Friedrich II. sie den unterprivilegierten Juden zuteilte. Christliche Kaufleute wollten sich nicht die Hände mit solchen Geschäften schmutzig machen.
Aber sowohl Itzig als auch Ephraim verstanden es, in dieser Zeit ein Vermögen zu verdienen. Als sie 1761 als erste Juden das Recht christlicher Kaufleute zugesprochen bekamen, wurde ihnen damit eine Möglichkeit der Anlage des Geldes eröffnet: Es war ihnen erlaubt, unbegrenzt wertvollen Grund zu erwerben und zu besitzen. Im Zentrum der Immobilien- und Grundstückskäufe Daniel Itzigs stand das Itzigsche Palais, das unter anderem von Friedrich Nicolai in seiner „Beschreibung der königlichen Residenzstädte Berlin und Potsdam“ (1786) als „ein schönes Gebäude, worinn auch verschiedene von Fechhelm gemalte Säle, (wovon des einen Decke aufgeklappt, und zur Laubhütte dienen kann), eine schöne Gemäldesammlung, eine wohlgebaute Synagoge oder Hauskapelle, und ein Bad befindlich sind“ (Nicolai, S. 852) beschrieben wird.Auch die Bartholdische Meyerei, „Der überaus schöne und große Daniel Itzigsche Garten“, in dem sich „einige tausend schöne Fruchtbäume von den besten Sorten“ und „ein Gartentheater unter freyem Himmel“ (Nicolai,934f.) befanden wird von Nicolai in seine Beschreibung aufgenommen.
Nach dem Siebenjährigen Krieg war Daniel Itzig weiterhin im Münzwesen und als Hoffaktor (Finanzier) des Königs tätig. 1775 wurde er vom König zum immerwährenden Oberältesten der Jüdischen Gemeinde Berlins ernannt. Im Jahre 1791 erwirkte Daniel Itzigs ältester Sohn, Isaak Daniel Itzig, bei Friedrich Wilhelm II. für seinen Vater und dessen Nachfahren die Verleihung des Naturalisationspatents, durch das der Familie alle Rechte und Pflichten christlicher Bürgers zugesprochen wurden. Aufgrund seiner Stellung als Oberältester in der Jüdischen Gemeinde und aufgrund seiner Position am preußischen Königshofe nahm er eine Mittlerstellung zwischen dem preußischen Staat und der Jüdischen Gemeinde ein.
Literatur: Cauer, Karoline: Oberhofbankier und Hofbaurat, Institut für Bankhistorische Forschung e.V., Frankfurt a.M. 1974; Keuck, Thekla: Hofjuden und Kulturbürger. Die Geschichte der Familie Itzig in Berlin. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 2011; Nicolai, Friedrich: Beschreibung der königlichen Residenzstädte Berlin und Potsdam, aller daselbst befindlicher Merkwürdigkeiten, und der umliegenden Gegend. Neudruck der Originalausgabe der 3. Auflage Berlin 1786, Haude & Spenersche Verlagsbuchhandlung, Berlin 1968; Rachel, Hugo/Wallich, Paul: Berliner Großkaufleute und Kapitalisten (Band 2), Walter de Gruyter & Co, Berlin 1967.
Der Maler: Joseph Friedrich August Darbes
(29.9.1747–26.8.1810)
J.F.A. Darbes wurde 1747 als Sohn des italienischen Operettenkomponisten und Theaterdichters Francesco Darbes in Hamburg geboren. Nur wenige Zeit später zog der Vater mit ihm nach Kopenhagen. Dort begann Joseph Friedrich August 1759 seine Ausbildung an der Akademischen Zeichenschule bei dem Kupferstecher J.M. Preißler und dem Maler K.G. Pilo. 1768 setzte er seine Ausbildung in St. Petersburg bei Vigilius Erichsen, dem Hofmaler Katharinas II., fort. Besonders dieser Teil seines Studiums spiegelte sich in seinem knappen, scharf charakterisierenden Stil wieder, durch den er eine große Ähnlichkeit seiner Porträts mit den Porträtierten erzielte. Nach Studienreisen durch Deutschland, Holland, Frankreich und Polen kehrte er im Jahre 1773 zunächst nach St. Petersburg zurück. In den folgenden Jahren porträtierte er unter anderem die Zarin Katharina II. (die Große) von Rußland und deren Sohn und Thronfolger Paul I. mit seiner Frau Marija Federovna (Dorothea von Württemberg).
Erst Mitte der 80er Jahre besuchte er Berlin und ließ sich schließlich dort nieder. Hier war es besonders Chodowiecki, der Einfluss auf Darbes hatte. Von ihm übernahm er die Pastelltechnik und das Zeichnen von Miniaturen mit Silberstift. Und abgesehen von seinem Ruf als Porträtist der russischen Zarenfamilie und einer der besten Porträtkünstler seiner Zeit, der ihm wahrscheinlich schon vorausgeeilt war, bekam Darbes wohl durch Chodowiecki die nötigen Kontakte zur Berliner Akademie der Künste und zum Königshaus. Denn schon 1786, kurze Zeit nach seiner Ankunft in Berlin, wurden acht seiner Porträts, unter anderem von Angehörigen des Königshauses, auf der ersten Berliner Akademie-Ausstellung gezeigt. Aus späteren Jahren sind nur Brustbildnisse ohne Hände, mit Vorliebe im Oval, bekannt.
Obwohl er auf fast jeder Akademie-Aussellung bis ins Jahr 1808 vertreten war, nahm seine Produktivität im letzten Jahrzehnt seines Lebens ab. Auch malte er seit 1799 bis zu seinem Tod am 26.08.1810 in Berlin keine Angehörigen des Königshauses mehr. Darbes gehörte nicht nur zu den „christlichen Hausfreunden“ der Familie Itzig. Der älteste Sohn Daniel Itzigs, Isaac Daniel Itzig, übernahm zudem den Vertrieb seiner Bilder (vgl. Keuck).
Literatur: Keuck, Thekla: Hofjuden und Kulturbürger. Die Geschichte der Familie Itzig in Berlin. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 2011; Meißner, Günter (Hrsg.): Allgemeines Künstlerlexikon, Bd.24, Saur Verlag, München-Leipzig 2000; Thieme, Ulrich (Hrsg.): Allgemeines Lexion der bildenden Künstler, Bd.8 Verlag von E.A. Seemann, Leipzig 1913.
Bildbeschreibung und -interpretation
Die um 1787 entstandenen Ölbilder sind als Eheportraits angelegte Brustbildnisse. Sie gleichen sich in Form (oval umrandet) und Farbgebung (blaue Kleidung, dunkler Hintergrund). Daniel Itzig ist nach rechts, Miriam Itzig nach links gewandt. Beide haben direkten Blickkontakt mit dem Betrachter. Sie sind nach zeitgenössischer Mode gekleidet. Er trägt einen schlichten, blauen Hausmantel, sie ein hellblaues Kleid, eine geschmückte Haube und ein Brusttuch aus Spitzen. Beide sind auf dem Portrait in fortgeschrittenem Alter, was auch dem Entstehungszeitpunkt entspricht (Miriam ist 60, Daniel 65 Jahre alt).
Bezüglich der Kleidung ist es interessant, zwei weitere Porträts des Ehepaares hinzu zu nehmen, die von Hilde Spiel in ihrer Biographie der Fanny von Arnstein (einer Tochter von Daniel und Miriam Itzig) auf 1780 datiert sind. Der Maler ist unbekannt. Während Daniel Itzig häuslicher gekleidet ist, trägt seine Frau die gleiche Kleidung wie auf dem anderen Porträt. Beide Porträtpaare sind nicht explizit jüdisch gekleidet und gekennzeichnet. Obwohl die Kappe, die Daniel auf dem früheren Bild trägt, als traditionell jüdische Kopfbedeckung gedeutet werden könnte, entspricht sie in erster Linie der Mode der Zeit. Das heißt aber nicht, dass das Ehepaar nicht „jüdisch“ lebte; es ist im Gegenteil sogar anzunehmen, dass die Itzigs observant lebten. Die Darstellung spricht eher für die Position, die die Portraits im Haus hatten. Die Ölgemälde von Darbes hingen eher an exponierter, repräsentativer Stelle, nicht in privaten Räumlichkeiten des Palais Itzig. Die früheren Bilder könnten auch an weniger exponierter Stelle gehangen haben (dafür spräche besonders die häusliche Kleidung Daniel Itzigs).
Wenn die Kleidung auch eher schlicht ist, so sprechen doch die Haube und das wertvolle Spitzentuch Miriams für den Reichtum der Familie. Es entsprach dem damaligen Zeitgeschmack, wahren Reichtum und wirklichen Vornehmheit dezent durch Schlichtheit zu präsentieren. Hinzu kam , dass insgesamt in der Kunst (und Philosophie) das Individuum in den Mittelpunkt trat. Somit liegt der Fokus der Bilder auf den Gesichtern und weniger auf der Kleidung oder dem Hintergrund. Darbes idealisierte oder verjüngte die Dargestellten nicht, sondern hob die charakterisierenden Merkmale der Gesichter hervor. Das ist typisch für ihn, genauso wie die Form und der Aufbau der Bilder: ovale Brustbildnisse ohne Hände.
Zum Zeitpunkt der Entstehung der Porträts befand Daniel Itzig sich auf dem Höhepunkt seines finanziellen Erfolges. Darbes war zwar noch nicht lange in Berlin, es ist aber trotzdem davon auszugehen, dass er sich mit der Ausstellung seiner Bilder von Angehörigen des Königshauses auf der Ausstellung der Akademie der Künste im Jahr zuvor (1786) einen Namen gemacht hatte. Das heißt, nicht nur die Bilder an sich sind repräsentativ. Vielmehr ist dieWahl des Malers derselben ein Hinweis darauf, dass Daniel Itzig sich selbst und seine Frau als dem Königshaus nahe stehende Bürger darstellen wollte. Darüber hinaus nahm Darbes an den regelmäßig im Hause Itzig veranstalteten gesellschaftlichen Zusammenkünften teil und pflegte zu Isaac Daniel Itzig sogar geschäftliche Beziehunhen, indem dieser seine Bilder vertrieb.
Isaac Daniel Itzig
Im Jahre 1787 malte Darbes neben den Eheporträts Miriam und Daniel Itzigs in Pastell auch ein Porträt des ältesten Sohnes der beiden, Isaac Daniel Itzig (1750 – 1806), das ebenfalls sowohl in Öl als auch in Pastell überliefert ist. Auf einen Zusammenhang zwischen diesen Bildern lässt besonders die äußere Form schließen: alle sind in blau gehalten und am unteren Rand oval umrandet. Dass nur der älteste Sohn und nicht auch der Rest der Kinder Daniels und Miriams zusammen mit den Eltern gemalt wurde, mag damit zusammenhängen, dass Isaac Daniel durch den Vertrieb der Bilder des Künstlers eine besondere Stellung inne hatte. Heute befinden sich die Ölbilder in Besitz der Familie Asser in den Niederlanden. Dorthin kamen sie mit Daniels und Miriams Enkelin Kela Itzig, die 1806 Tobias Asser heiratete und die Porträts ihrer Großeltern mit in die neue Heimat genommen hatte. Die Pastelle gehörten zur Sammlung der Jüdischen Gemeinde Berlin und befinden sich heute im Besitz der Stiftung Stadtmuseum Berlin.
Literatur: Thekla Keuck: Hofjuden und Kulturbürger. Die Geschichte der Familie Itzig in Berlin, Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 2011.
Zitierhinweis:
Henriette Hiller: Die Portraits des Ehepaars Daniel und Miriam Itzig. Bildbeschreibung und -interpretation (Version II, 2017), in: haskala.net. Das online-Lexikon zur jüdischen Aufklärung / hg. von Christoph Schulte, URL<>, letzter Zugriff [Datum, Uhrzeit].