Zum Hauptinhalt springen

Reisetagebuch der Exkursion nach Israel und das Westjordanland (26.5. - 4.6.)

Achter Reisetag (3. Juni): Erkundungen Jerusalems nach freier Wahl

Nach unserem letzten gemeinsamen Frühstück brachen die Teilnehmenden auf, um ihren letzten Tag je nach Wahl in Jerusalem zu verbringen. Da es ein Schabbat war, waren die Möglichkeiten in der jüdischen Neustadt relativ begrenzt, denn zu diesem wöchentlichen Ruhetag haben alle Geschäfte und fast alle Cafes geschlossen. Das Israel-Museum (das israelische Nationalmuseum) allerdings hat seit einigen Jahren auch zu Schabbat geöffnet, und so machten sich viele der Israelreisenden auf den Weg dorthin.

Das Israel-Museum besteht unter anderem aus einem eigenen Gebäude, das den Textfunden aus Qumran gewidmet ist und das als „Schrein des Buches“ bezeichnet wird. In den Dauerausstellungen werden viele Funde präsentiert, die auf den von uns besuchten Ausgrabungsstätten gefunden wurden, und so bildete dieser Besuch eine schöne Abrundung zu unseren archäologischen Entdeckungen.

Auch das Tote Meer, das wir ebenfalls besucht haben, war im Israel-Museum präsent, da dort gerade eine Ausstellung mit Werken der israelischen Künstlerin Sigalit Landau (geboren 1969) gezeigt wird. Seit dem Beginn ihrer künstlerischen Karriere ist das Tote Meer für Landau ein zentrales Thema ihres Schaffens. Unter anderem versenkt sie Dinge im Wasser, die sich dann mit einer glänzenden Kruste aus Salzkristallen überziehen und so zu vielschichtigen und schillernden Objekten werden, die im Museum ganz meisterhaft gehängt und beleuchtet sind.

Eine der Dauerausstellungen zeigt Synagogen aus aller Welt, hier konnte auch eine Synagoge voller weißem Sand bestaunt werden. Sie stammt aus der Karibik, und der Sand darin steht für die 40 Jahre, die das Volk Israel nach dem biblischen Bericht in der Wüste verbringen musste, bevor es in das gelobte Land einziehen konnte.

Da unsere Gruppe nicht 40 Jahre, sondern nur acht Tage für den Aufenthalt zur Verfügung hatte, endete mit diesem Schabbat auch unser intensiver und bereichernder Besuch in Israel und dem Westjordanland. Am Sonntag darauf nahmen die meisten der Reisenden die Rückreise auf. Nur eine kleine Gruppe blieb noch länger und zog von Jerusalem weiter nach Tel Aviv.

Nach oben

Siebenter Reisetag (2. Juni): Jüdische Neustadt: Me'a Sche'arim - Machane Yehuda - Nachlaot - Rechavia - Besuch eines Gottesdienstes

Nachdem wir im muslimischen Viertel der Altstadt auf Empfehlung unseres wunderbaren Reiseleiters syrische Knafe, ein Dessert aus Ziegenkäse, Rosenwasser, Butter und Gries genossen hatten, dessen Variante im türkischen Sprachraum Künefe heißt, konsumierten wir noch unser Hotelabendessen vom Buffet und schleppten uns dann völlig fertig aufs Hotelzimmer. Molly (1 Jahr alt), die tags zuvor bereits gefiebert hatte, weinte bitterlich, da sie beim Stillen immer wieder von starken Hustenanfällen geschüttelt wurde, was sie am Einschlafen hinderte. Wir wurden immer besorgter. Als wir schließlich beschlossen, sie medizinisch durchchecken zu lassen, schlief sie ein. Da wir den weiteren Verlauf der Nacht aber bereits entschieden hatten, riefen wir ein Taxi und fuhren durch das nächtliche Jerusalem. Wir wogten in dem Auto wie ein Schiff auf dem Meer, um uns die Menschen auf Partywellen in einer warmen Nacht. In erster Linie säkulare Israelis, die am Donnerstag Abend, dem Tag vor Schabat und Wochenende, feiern. Darunter vereinzelt orthodoxe Juden an Bushaltestellen oder unterwegs, und eine Gruppe enthemmter „Technojuden“, welche zu lauter Musik aus Boxen, angebracht auf dem Dach eines Transporters, ekstatisch tanzten (offenkundig Vertereter der chassidischen Gruppe der „Breslover“). Das Taxi ließ uns auf der Jaffa Street raus, glaube ich. Dort - und ebenso in anderen Teilen der Stadt und des Landes - gibt es eine Institution namens Terem טרם. Das ist eine 24-Stunden-Praxis mit kleinem Wartebereich und Rezeption. Wir mussten Mollys Reisepass vorzeigen und 480 Schekel (120 Euro) bezahlen und kamen dann prompt in einen kleinen Behandlungsraum, in dem wir befragt wurden. Molly wurde gewogen, genau angesehen und ihre Sauerstoffsättigung überprüft. Danach kamen wir in einen anderen Wartebereich und nach einer kurzen Weile zu einem Arzt, der Mollys Lunge abhörte, ihren Bauch abtastete, in ihren Mund und ihre Ohren sah und weitere Fragen stellte. Er nahm an, dass es sich um einen Virusinfekt handelte, wollte aber zur Sicherheit noch einen Bluttest machen. Eine nette Pflegerin piekste Molly ein paar Mal in die Fingerkuppe, um Blut zu ziehen. Relativ schnell kam das Ergebnis, dass die Analyse keine Auffälligkeit zu Tage gefördert hatte. Wir waren aber durch die effiziente und sorgsame Struktur von Terem schon beruhigt und inzwischen in ein intensives Gespräch mit einer orthodoxen Familie verwickelt, die uns gegenüber saß. Frau und Tochter hatten uns bereits im ersten Wartebereich beäugt und wir sie ebenso. Der Mann, der Kippa und einen schwarzen Anzug trug, unter dem weiße Zizijot herabhingen, und der Schokoladen-Softeis aß, sprach Alexander schließlich auf Englisch an und fragte freundlich, wo wir herkämen, wo wir überall in Israel gewesen wären und was wir von Israel halten würden.“Fantastic, a wonderful country“. Das erfreute ihn sichtlich, und er sprach stolz davon, dass Israel im High-Tech-Sektor die Nummer eins der Welt sei. Und er stöhnte, dass er nun hier so spät herumsitzen und am nächsten Tag um sieben Uhr aufstehen müsse. Auf die Frage nach seiner Tätigkeit antwortete er lächelnd, dass er die „Toire“ (Torah) studiere. Und seine Tochter, die vielleicht siebzehn Jahre alt war, erklärte lächelnd „we are orthodox.“ Die Frau, die einen sehr wachen Blick hatte und ein wenig strenges Kopftuch trug, lächelte abwechselnd mich und Molly an und machte mir Komplimente zu meiner Tochter. Ich fragte den Mann, was er gerade studiere und er antwortete „Gemara“ und erklärte Alexander den Unterschied zwischen schriftlicher und mündlicher Torah. Moses habe am Berg Sinai nicht nur die Torah empfangen, sondern auch die Interpretation dieser, welche die antiken Rabbinen in Mischnah und Gemara, dem Talmud, festgehalten hֻätten. Er sagte Alexander “you are a nice guy” und fragte nach der Anzahl unserer Kinder. Dann prophezeite er Alexander, dass er noch drei Söhne bekommen würde. Auf meine Erwiderung, dass dies nur klappen könne, wenn ich Sarah wäre, schmunzelte er. Alexander solle sich dann bei ihm melden, wenn es soweit sei, wovon er überzeugt war. “But how can I reach you if I don’t have your number?” – “You will find me.”

Wir verabschiedeten uns schweren Herzens von unseren neuen Bekannten, bezahlten an der Rezeption noch weitere 150 Schekel für den Bluttest und fuhren gegen ein Uhr mit dem Taxi zurück ins Holy Land Hotel.

Nach einem stärkenden Frühstück bestehend aus Sesambrot, Hummus, leckeren Oliven und Labneh, kamen wir zu einem Ort, der für Christ*innen aus aller Welt von großer sprititueller Bedeutung ist, da er die Kreuzigung, das Begräbnis und die Auferstehung Jesu symbolisiert. Zur Grabeskirche. Sie besteht aus mehreren Kapellen (darunter Adams- und Helenakapelle), die sechs verschiedenen christlichen Konfessionen gehören und sich über eine Fläche von etwa 5.000 Quadratmetern erstrecken. Ohne Führung wären wir in dem Labyrinth aus Gängen, Kapellen und Räumen wahnsinnig geworden. Zur stillen Andacht bot sich aufgrund des überquellenden Touristenandrangs ohnehin keine Möglichkeit.

Der Auftrag zum Bau der "Doppelkirche zum Gedenken des Leidens und der Auferstehung in Jerusalem" durch Kaiser Konstantin den Großen, gleichzeitig mit dem Bau einer Basilika in Betlehem zum Gedenken der Menschwerdung und einer Basilika am Ölberg zum Gedenken der Himmelfahrt, erfolgte nur wenige Monate nach dem Konzil von Nicaea Im Jahr 325. Historiker*innen vermute daher, dass der kaiserliche Bauauftrag wörtlich den Stationen des Glaubensbekenntnisses von Nicaea folgte, also ein theologisches Programm im kaiserlichen Bauauftrag seinen Niederschlag fand.

Wir verharrten während unser Führung auch beim Golgotafelsen, wo seit dem 4. Jahrhundert die Stelle lokalisiert wird, an dem Jesus im Neuem Testament zwischen zwei Räubern gekreuzigt wurde.

Von der Grabeskirche verließen wir die Altstadt durch das Damaskus-Tor und liefen auf der HaNevi'im Street, der Prophetenstraße, in Richtung Me’a Sche'arim. Diesen Weg mussten auch die ersten Bewohner*innen von Me’a Sche'arim gehen, um von ihrem Viertel außerhalb der Altstadtmauern ins jüdische Viertel zu gelangen.

In Me’a Sche'arim wohnen heute ausschließlich ultra-orthodoxe Jüdinnen und Juden, auch Charedim genannt, was „Fromme, Gottesfürchtige“ bedeutet. Charedim sind aufgrund eines spezifischen traditionellen Dresscodes erkennbar: Männer tragen schwarze Anzüge oder Kaftane und Hüte, machmal Pelzhüte. Frauen sind in knöchellange Kleider oder Röcke gekleidet. Verheiratete Frauen bedecken außerdem ihre Haare mit Perücken oder Tüchern. Männer tragen oft Bärte, Männer und Jungen eine Kippa, das Haupthaar kurz und an den Seiten Schläfenlocken. Die Röcke oder Kleider der Mädchen müssen über die Knie gehen und die Beine werden selbst in der warmen Jahreszeit von blickdichten Strumpfhosen bedeckt. In Me’a Sche'arim fordern Schilder Besucher*innen dazu auf, sich beim Gang durch das Viertel sittsam zu bekleiden.

Das Leben der Charedim ist streng durch das jüdische Religionsgesetz, die Halacha, strukturiert. Frauen heiraten früh und bekommen sehr viele Kinder. Für Männer ist vorgesehen, dass sie sich hauptsächlich dem Studium von Talmud und Torah widmen, was durch Spendengelder und teilweise durch staatliche Hilfen finanziert wird. Weltliches (berufsvorbereitendes) Wissen wird in der Regel abgelehnt. Schätzungsweise fünfzig Prozent der charedischen Männer arbeiten jenseits des religiösen Studiums nicht. In der Regel bestreiten Frauen, zusätzlich zur Hausarbeit, den finanziellen Unterhalt der Familie. Viele Charedim leben unterhalb der Armutsgrenze. Jedoch gibt es seit einigen Jahren in Israel einen Trend, den High-Tech-Sektor für ultra-orthodoxe Männer und Frauen attraktiv zu gestalten. Charedim sind vom Militärdienst befreit. Lange lehnten sie den zionistischen Staat Israel ab, denn erst die Ankunft des Messias könne ein jüdisches Gemeinwesen im Land der Vorfahren verwirklichen. Seit einigen Jahrzehnten existieren jedoch auch ultra-orthodoxe Parteien, die inzwischen wichtige Player in der israelischen Politik sind und häufig als Königsmacher agieren.

Die Alltagssprache vieler Charedim ist Jiddisch, denn Hebräisch ist als Sprache der Torah für viele dem rituellen Gebrauch vorbehalten. Die Nutzung des Internets ist in reglementierter Form erlaubt. In der Regel sind internetfähige Handies oder weltliche Fernsehkanäle den Charedim aber verboten. Das Gebot, den Schabbat einzuhalten wird sehr ernst genommen. Beispielsweise fahren zu dieser Zeit keine Busse oder Autos durch Me’a Sche'arim.

Junge mit Kippa.

Me'a Sche'arim

Ein kurzer Überblick über die Entstehung des ultraorthodoxen Viertels

Unsere Gruppe betrat Me’a Sche'arim, das inzwischen eines von sehr vielen Vierteln der jüdischen Neustadt in West-Jerusalem ist, über die Me’a Sche'arim Street. An den Fassaden der Häuser waren immer wieder Flächen, auf denen eine Vielzahl verschiedener sehr schlicht gestalteter Plakate angebracht war, die sogenannten Paschkwilim. Via Text in schwarzer Schrift auf weißem Grund, meist in zentriertem Satz, informieren die Plakate die Bewohner*innen von Me’a Sche'arim über Neugkeiten, beispielsweise über Beerdigungen und religionsgesetzliche Themen. Auf den Straßen sahen wir ausschließlich ultra-orthodoxe Jüdinnen und Juden und sehr viele Kinder. Vor einem Gebäude stand eine Gruppe von ungefähr fünfjährigen Jungen mit Schläfenlocken, die aussahen, als würden sie gleich zu einem Schulausflug aufbrechen. Sie sahen sehr niedlich aus, was durch ihre formelle Kleidung noch unterstrichen wurde. Ich winkte ihnen zu. Nachdem wir an ihnen vorübergelaufen waren, wurde mir gesagt, dass sie uns „Schickse“ nachgerufen hatten, was ein stark abwertender Begriff für wenig sittsame Frauen ist. Nach unserem Gang durch Me’a Sche'arim liefen wir über den immer voller werdenden Machane Jehuda Markt, wo wir bei ArichaSabich aßen, eine sehr leckere Pita mit Auberginen, hartgekochten Eiern, Humus und scharfer Mangosauce.

Nach einer Stärkung mit dieser Delikatesse spazierten wir durch Nachlaot, ein Viertel, das etwa gleichzeitig mit Me’a Sche'arim entstand und aus einer Vielzahl von in Hofstrukturen angelegten kleinen Nachbarschaften besteht und das die größte Synagogendichte der Welt aufzeigt.

Danach spazierten wir durch das Viertel Rechavia, das in den 1920er Jahren nach dem Vorbild europäischer Gartenstädte angelegt wurde, und bestaunten die vielen Bauhaus-Gebäude der Gegend.

7.05! Welches mysteriöse Rätsel verbirgt sich hinter dieser Chiffre, die auf kleinen feinen Zetteln überall in Jerusalem klebte? Natürlich! Die „Schabbat-Flugblätter“ teilen den Bewohner*innen der Stadt mit, wann der Sonnenuntergang, dementsprechend wann der heilige Ruhetag für die Jüdinnen und Juden beginnt. Wir hatten das große Glück einen englisch-hebräischen Schabbat-Gottesdienst in der Reformsynagoge Kehilat Har-El mitten im Herzen Jerusalems mitfeiern zu dürfen. Die Reformbewegung ist eine der drei großen jüdischen Strömungen neben dem orthodoxen und konservativem Judentum. Die Gemeinde Har-El ist die älteste Reformgemeinde in Israel und wurde 1958 gegründet. Schon beim Betreten der Synagoge griff eine friedvolle und magische Atmosphäre um sich. Im billingualen Gesangsbuch leuchteten die vokalisierten Schriftzeichen „Baruch atah Adonai, Eloheinu melech ha-olam.“ Während im orthodoxen Judentum Frauen und Männer streng getrennt Gottesdienst feiern, gibt es hier keine Geschlechtertrennung. Die Predigt wurde gehalten von der US-amerikanischen Rabbinerin und Präsidentin der Central Conference of American Rabbis, Denise Leese Eger. Sie thematisierte die permanente Erneuerung des Bundes zwischen Gott und dem jüdischen Volk an Festen wie dem kürzlich gefeierten Schawuot-Fest, an dem die erneuerte Gabe der Gesetzestafeln am Berg Sinai gefeiert wird, und der daher der Feier des Dekalogs gewidmet ist. Dabei war es ihr wichtig zu betonen, dass das jüdische Volk der LBGTQ-Community ebenso wie Konvertit*innen in gleicher Weise offensteht, da das jüdische Volk bunt ist, ebenso bunt wie die Gemeinschaft, die einst unter der Leitung von Moses aus Ägypten auszog. Nach dem Gottesdienst ließen wir uns durch die Altstadt treiben und sahen später den Mond von der Dachterrasse des Hotels, wie er über die Altstadt wanderte, schabat schalom.

GreLaMi VöToVi

Nach oben

6. Reisetag (1. Juni): Ausgrabungen um den Tempelberg - St. Anna Kirche (Jerusalem)

Am heutigen Tage hatten wir die Gelegenheit drei beeindruckende archäologische Ausgrabungen zu besichtigen, die zum Teil noch aktiv ausgegraben werden und der Öffentlichkeit normalerweise noch verschlossen bleiben. Begleitet wurden wir dabei von den an den Ausgrabungen beteiligten Forschenden.

Zu Beginn begaben wir uns an die Südmauer des Tempelbergplateaus und sahen die Überreste eines Gebäudekomplex aus der Zeit vor dem herodianischen Tempel, zu dem auch ein größeres Wasserreservoir gehörte. Dem Verlauf der Außenmauer folgend, kamen wir
zum ursprünglichen Zugang des Tempelberges mit seinen drei, heute vermauerten, Bogentoren sowie einem breiten Treppenaufgang der teilweise  noch original erhalten ist. Besonders gut konnte man an dieser Stelle die teilweise mehrere Tonnen schweren Kalksteinquader begutachten, die ohne weiteren Mörtel, sich nach unten verbreiternd übereinander gestapelt, das Plateau stützen.

Von dort aus begaben wir uns weiter zur Westmauer, wo wir die Feierlichkeiten von diversen Bar Mizwa Festen (der Übergang zur religiösen Mündigkeit bei Jungen im Alter von 13 Jahren, bei Mädchen als Bat Mizwa mit zwölf Jahren) bestaunen konnten.

Wir begaben uns dann jedoch unter die Erde in eine aktive Ausgrabung unterhalb des Platzes vor der Westmauer in verschiedenen Ebenen. Dort konnte man gut das römische Straßensystem anhand von zwei parallel verlaufenden Hauptstraßen entlang der Achse des Stadttores erkennen. Einige Meter weiter unten gab es die Möglichkeit in eine kleine enge Kammer mit unbestimmtem Zweck hinabzusteigen. An anderer Stelle und noch etwas tiefer zeigte man uns ein gefundenes Pferdeskelett sowie die Heizöfen eines hellenistischen Badehauses. Wichtig war in dieser Ausgrabung besonders, dass die Anonymität der Mitarbeiter:innen gewahrt wird, da Grabungen so nah am Tempelberg/AHAS in Israel sehr umstritten sind.

Zum Schluss stiegen wir ein Stück hinab ins Kidrontal, dass uns noch von unserer Wüstenwanderung im Gedächtnis ist und erhielten dort Einblick in die Davidstadt, die mit der Eroberung  des Gebiets ca. 1000 v.Z. die Gründung des heutigen Jerusalems markiert. David baute die Stadt zum kulturellen und religiösen Zentrum aus, woran sein Sohn Salomon anschloss und den ersten Tempel errichtete. Die Stadt verfügte über einen langen Tunnel, der die Versorgung mit frischen Wasser sicherstellte und in einem Becken mündete, welches vor wenigen Monaten erst gefunden wurde. Der Grund des Beckens ist noch nicht erschlossen und man erhofft sich weitere Funde bei anhaltender Ausgrabung. Die Grabungen finden größtenteils unterirdisch und unter höchster Professionalität statt, was zu Kosten von etwa 1.000.000 € pro sechs Meter Grabung führt. Besonders hervorzuheben ist dabei, dass sich der Fokus nicht nur auf Funden aus der Zeit des ersten Tempels liegt, sondern das Spektrum aller Schichten und Zeitspannen gleichermaßen in den Vordergrund stellt.

Als gemeinsamen Tagesabschluss trafen wir uns am Nachmittag am Teich Bethesda und betrachteten die dortigen Ruinen der Teiche sowie verschiedener Bauten wie beispielsweise  einer byzantinischen Kirche. Das Highlight war die romanische Kreuzfahrerkirche St. Anna, von der man glaubte sie beherberge die Geburtsstätte von Maria. Die Kirche besticht durch eine herausragende Akustik und erfreuen uns den Gesängen einiger Pilgergruppen und auch einige von uns traten aus der Gruppe hervor um die Halle zum klingen zu bringen.

Claudio Unbehaun

Nach oben

Fünfter Reisetag (31. Mai): Altstadt Jerusalem

Heute stand die Erkundung von Jerusalem auf dem Programm, wohl wissend, dass das an einem Tag - wenn überhaupt - nur im Ansatz möglich sein wird, da die "Heilige Stadt" eine Fülle von Sehenswürdigkeiten bietet.

Unser Weg führte uns zunächst Richtung Tempelberg durch das Damaskustor, welches Teil der aus osmanischer Zeit stammenden Befestigungsmauer ist, die die Altstadt Jerusalems umgibt.

Die Altstadt gliedert sich in das  christliche, jüdische, muslimische und armenische Viertel, die jeweils von vielen engen Gassen und Gässchen durchzogen sind und in denen sich ein Händlerlädchen neben das andere drängt, nur unterbrochen von unterschiedlichen heiligen Stätten. Beschallt werden diese - neben dem üblichen Marktgetümmel - von der Lautsprecherstimme des Muezzin, der die muslimische Gemeinde bis zu fünfmal täglich zu bestimmten Uhrzeiten zum Beten in die Moschee ruft.

Wir drängten uns also durch das Gewühl bis zum Tempelberg. Dort angekommen, mussten wir erst mehrere Sicherheitskontrollen passieren,  bevor wir den Tempelberg betreten durften.

Spätestens hier wird klar, was es bedeutet, wenn Kulturen und insbesondere Religionsgemeinschaften nicht oder nur bedingt in der Lage sind, friedlich miteinander oder zumindest nebeneinander zu leben.
Und spätestens hier beginnt man die latenten Spannungen zu spüren, die den Alltag in Jerusalem begleiten.

Jerusalem wurde 1980 durch das "Jerusalemgesetz" von Israel - das das gesamte Stadtgebiet kontrolliert - zu dessen unteilbaren Hauptstadt erklärt, jedoch als solche nur von den USA, Guatemala, Honduras und Nauru anerkannt.

So kontrolliert Israel freilich auch den Zugang zum und die Sicherheit auf dem Tempelberg, während die durch Jordanien finanzierte "Waqf-Behörde" das Areal und die heiligen Stätten verwaltet, ausgenommen die "Klagemauer" an der Westseite des Tempelberges.

Nach den erfolgten Sicherheitskontrollen betraten wir den Tempelberg, ein etwa 14 ha großes künstliches Plateau, in dessen Mitte der "Herodianische Tempel" stand, ein Nachfolgebau des nachexilischen jüdischen Tempels, der wiederum auf den Fundamenten des Salomonischen Tempels errichtet wurde.

Seit dem 7. Jahrhundert n. Chr. stehen hier der "Felsendom" und ihm gegenüber die "al-Aqsā-Moschee", zwei der wichtigsten muslimischen Heiligtümer, deren Zutritt Anders- und „Nichtgläubigen“ nicht erlaubt ist.

Leider konnten wir uns nur kurze Zeit auf dem Gelände aufhalten, da die Gebetszeit der Muslime unmittelbar bevorstand. Definitiv ein Ort, mit dem man sich ein weiteres Mal länger und intensiver beschäftigen und dessen Geschichte vor Ort nachspüren sollte, allerdings nicht, ohne sich vorher über die muslimischen Gebetszeiten zu informieren.

Während das israelische Sicherheitspersonal Nichtmuslime höflich aber bestimmt zum Verlassen aufforderte, konnten einige von uns beobachten, dass ein paar orthodoxe Juden, die das Gelände zwar betreten, aber dort nicht beten dürfen, dieser Aufforderung nur sehr zögerlich nachkamen und den Platz gewissermaßen im Zeitlupentempo verließen, eine klare Provokation gegenüber der sich zum Gebet versammelnden muslimischen Gebetsgemeinschaft.

Man kann in solchen Situationen den Eindruck gewinnen, sich in einem Fußballstadion zu befinden, in dem sich die gegnerischen Vereine gegenseitig provozieren, weil das irgendwie dazu gehört. Das Eskalationspotential ist jedoch enorm und kann das von rivalisierenden Fußballvereinen bei weitem übertreffen.

Der Rückweg vom Tempelberg führte uns vorbei an der "Klagemauer", ein weiterer Ort, den es in den nächsten Tagen näher zu erkunden gilt.

Heute ging es allerdings für uns weiter durch das Kidrontal über den "Ölberg" zur Hebrew University, wo wir mit dem Bibelwissenschaftler Professor Noam Misrahi  verabredet waren, der uns die Geschichte und Bedeutung dieser Universität näher bringen sollte.
Selbstverständlich kann man diesen Weg auch motorisiert zurücklegen, wir legten ihn jedoch per pedes zurück, um so gleichsam ein wenig den Weg des "Mannes aus Nazareth" (Jesus) zum Kreuz nachzuempfinden.

Fürwahr ein Weg der Entbehrungen (auch ohne das Leiden, welches den "Heiland" am Kreuz erwartete), der zusätzlich durch eine "unschöne" Begegnung mit offenbar  hoch ideologisierten Palästinenserkindern erschwert wurde, die uns gegenüber sehr aggressiv auftraten.

Schließlich erreichten wir die "Hebrew University of Jerusalem" und trafen Professor Noam Misrahi, der uns erklärte, dass diese Universität als die bedeutenste Universität Israels gilt und einen weltweiten Ruf genießt. Sie wurde im Jahr 1925 gegründet und ist somit nach dem Technion in Haifa die zweitälteste Hochschuleinrichtung des Landes.

Das im Anschluss geplante Treffen mit Studenten der Universität musste leider ausfallen, da sich das Lehrpersonal wegen zu geringer Gehälter aktuell im Streik befindet, somit keine Lehrveranstaltungen stattfinden (Forschung und übriger Universitätsbetrieb laufen weiter) und die meisten Studenten sich daher nicht in Campusnähe oder gar Jerusalem aufhalten.

Israelische Hochschullehrer stehen nicht in einem Beamtenverhältnis wie Hochschullehrer in Deutschland. Sie unterliegen mithin auch nicht einem entsprechenden dienstrechtlichen Streikverbot, erhalten allerdings auch weitaus geringere Gehälter als Hochschullehrer in Deutschland (man bedenke, dass die Lebenshaltungskosten in Israel weitaus höher sind als in Deutschland).

Nach all diesen Eindrücken stand der Rest des Tages frei zur individuellen Gestaltungung und Erkundung des vielfältigen Jerusalemer Nachtlebens.

Lars Toffel

Nach oben

Vierter Reisetag (30. Mai): Masada - Tel Arad - Bet Guwrin - Mareschah - Nachal Sorek - Jerusalem

Vor Sonnenaufgang brach unsere Gruppe von Kfar HaNokdim auf, um Masada am Toten Meer erneut aus einer anderen Richtung anzusteuern. Ich kann davon leider nicht berichten, da ich mit meinen Töchtern zurückblieb, um im Schlaf Kräfte zu sammeln. Mir wurde jedoch von den anderen berichtet, dass unser Busfahrer um 4:45 nicht zum Treffpunkt erschien. Über ein im Außenbereich des Beduinencamps - einer Fusion aus religiösem summer camp, Campingplatz und Vabali Spa Berlin - angebrachtes Walkie Talkie wurde nach Michel geforscht, und einige Unschuldige (unter anderem Michelle) wurden aus dem Schlaf gerissen bis man Michel schließlich fand.

Von Masada berichtet eine Teilnehmerin Folgendes: Nach dem schnellen Aufstieg über die Rampe, die die Römer 73 n.c.Z. nach dreijähriger Belagerung der Festung errichteten, um schließlich die Festung mit einem Rammbock zu erobern, sahen wir die Sonne über dem Toten Meer und der Festung aufgehen. Danach besichtigten wir einzelne Abschnitte der Festung und erfuhren mehr über das Leben und Sterben der Aufständischen, die sich für mehrere Jahre auf der Festung verschanzt halten konnten und auf dem Plateau sogar Landwirtschaft betrieben, Tauben hielten und ein beeindruckendes Wassersystem nutzten, das bereits Herodes hatte anlegen lassen, um sich zu ernähren. Trotz dieser Versorgungstechnik gab es offenkundig auch Engpässe, denn bei den Ausgrabungen wurden Rationalisierungsmarken für das Essen gefunden. 73 n.c.Z. schließlich entzogen sich die Aufständischen der Einnahme durch die Römer durch kollektiven Selbstmord, wie der antike jüdische Geschichtsschreiber Flavius Josephus berichtet. Neben dieser Einführung in die Geschichte des Ersten Jüdischen Krieges erfuhren wir auch einiges über die Rezeption dieser antiken Ereignisse in der israelischen Gesellschaft.

Nach einem Frühstück unter freiem Himmel umgeben von Wüstenhügeln, unterhalten von älteren schwäbischen und jüngeren amerikanischen Touristen, von Spatzen und anderen Vögeln, die um die Augen einen gelben Fleck haben und ebenso gelbe Schnäbeln, brachen wir auf.

Wir fuhren zurück durch das kleine, wunderschön gelegene moderne Arad - dem zeitweiligen Wohnort des kürzlich verstorbenen Autors Amos Oz - zum Tel Arad, wo wir im Schatten eines großen Baumes Stefan Schorchs Ausführungen zu dieser Ausgrabungsstätte lauschten, die sich in einiger Entfernung auf einem Hügel befand, flankiert von einer israelischen Flagge. 

Das heute bis auf eine Festung verschwundene Arad lag an einer wichtigen Karawanenstraße, der so genannten Weihrauchstraße, die Südarabien mit Arad, Beer Sheva und der Hafenstadt Gaza am Mittelmeer verband. Beispielsweise kam Kaffee vom indischen Subkontinent über die arabische Halbibsel auf diesem Weg in den Mittelmeerraum.
Daneben bezeugen 5.000 Jahre alte Funde, dass es in der Arawah (der nördliche Teil der Negew-Wüste) Eisen- und Bronze-Verhüttungsstätten gab.

Von seinen Bewohner*innen verlassen wurde Arad aus unbekannten Gründen um 1.500 v.u.Z., jedoch nicht aufgrund kriegerischer Ereignisse. Die Eroberung Arads wird im Buch Josua beschrieben. Wie im Fall Jerichos sind jedoch die archäologischen Funde und Analysen zeitlich nicht in Einklang zu bringen mit der in der Bibel beschriebenen israelitischen Landnahme.

Erhalten geblieben sind Überreste einer Festung aus dem 8. Jahrhundert v.u.Z. und ein kleiner JHWH-Tempels mit zwei Altären auf Säulen und zwei Stelen, die die Einwohnung Gottes symbolisieren und die wahrscheinlich JHWH und seiner Begleiterin Ascherah gewidmet waren. Archäolog*innen, die die Rückstände in den Räucherschalen anslysierten, fanden heraus, dass hier psychedelische Substanzen geräuchert wurden.
Zu den wichtigsten Funde gehören hundert Ostraka. Ostraka sind Scherben, die mit Tinte beschrieben wurden. Es handelt sich um die Kommunikation von militärischen Befehlshabern in hebräischer Sprache. Ein Ostrakon erwähnt ein “beit JHWH”, womit der Tempel gemeint ist.

Unter der Herrschaft von König Joschijahu (Josia), der 640 bis 609 v.u.Z. König des Südreichs Juda war, wurden Höhlenheiligtümer und Kultfiguren, die nicht JHWH meinten,  verboten (Josianische Reform). 

Das Buch Deuterononium bestimmt, dass Kult nur an einem Ort stattzufinden hat, womit der Jerusalemer Tempel gemeint ist. Man kann davon ausgehen, dass die biblischen Texte als ideologische Propagandatexte für den Jerusalemer Tempel fungierten.
Der Tempel in Arad wird in der Bibel nicht erwähnt. Auch der Tempel in Moza wird in der Bibel nicht aufgeführt, obwohl die Ausgrabungen eine Tempelanlage freilegten, die ebenso groß war wie die Jerusalemer und heute davon auszugehen ist, dass Moza zur damaligen Zeit ebenso bedeutend war wie Jerusalem.

Die Festung in Arad wurde 586 v.u.Z. durch die Babylonier zerstört. Eine kleine Siedlung blieb hier jedoch immer erhalten.

In persisch-hellenistischer Zeit wurde Arad neu besiedelt. Das heißt, es gab hier keine Kontinuität, was die Bevölkerung angeht.
Aramäische Inschriften bezeugen, dass Idumäer bzw. Edomiter aus Südjordanien in den Nordnegew einwanderten. 
Diese wurden unter dem Hasmonäer Johannes Hyrkanos (Jochanan Hirkanos) im 2. Jahrhundert v.u.Z. zum Judentum zwangskonvertiert. Aus dieser Gruppierung entstammt der spätere Vasallenkönig Herodes. Die Idumäer waren bei den jüdischen Eliten nicht angesehen, da sie als nicht wirklich zugehörig betrachtet wurden.
Der Name Arad blieb in der arabischen Sprache erhalten.
Von Arad fuhren wir zum Nationalpark Beit Guwrin-Mareschah im Judäischen Hügelland. Hier waren vor uns einige Busse mit Schulklassen angekommen.

Die Siedlung Mareschah entstand in der Eisenzeit im 9. oder 8. Jahrhundert. Wie Arad wurde Mareschah von den Judäern gebaut, von den Babyloniern erobert und seiner israelitischen Bevölkerung entleert. Im 5. Jahrhundert wurde Mareschah zur Hauptstadt der Idumäer.
Herodes wurde wahrscheinlich hier geboren und wuchs hier auf. Mareschah wird auch Eleutheropolis (Stadt der Freigelassenen) genannt.

Wir betraten die Apollophanes-Höhle, eine der zwei erhaltenen Beerdigungshöhlen der Sidonier. Die Sidonier sind nach der Hafenstadt Sidon im heutigen Libanon benannt. Sidonier waren Einheimische in der idomäischen Hauptstadt, denn Mareschah war keine monoethnische Stadt. In hellenistischer Zeit wurden hier die Menschen in Höhlen, die in den Kalkstein geschlagen wurden, bestattet.
Gegenüber des Eingangs befindet sich eine größere Grabnische, die in der Form eines griechischen Tempels gebaut ist.
An den Längswänden sind kleinere Grabnischen aneinandergereiht, zwischen denen ionische Säulen auf die Mauer gemalt wurden. 
Über einer Nische kann man eine (aufgefrischte) griechische Inschrift aus dem 3. Jahrhundert v.u.Z. lesen: „Apolophanes, Sohn des Sesmaios, der 30 Jahre Haupt der sidonischen Gemeinde in Maressa war, Gutes tat und sein Volk liebte, starb im Alter von 74 Jahren.“
Aufgrund der Inschrift konnte dieser Ort als das biblische Mareschah identifiziert werden.
Im 2. oder 1. Jahrhundert v.u.Z. wurden über den Nischen Ornamente und Fabelwesen sowie Tiere, die es in der Region gab, gezeichnet, die in restaurierter Fassung heute zu sehen sind: ein palästinischer Löwe, ein Rhinozeros, ein Esel, eine Giraffe, ein Ochse, eine Giraffe, ein Wildschwein, berittene Pferde.

Wir wanderten weiter über das weitläufige Gelände des Nationalparks in Richtung der St. Annen Kirche und sahen jenseits der Straße auf einer Anhöhe den Tel Mareschah.
Die St. Anna Kirche markiert die östliche Grenze der Stadt. Lediglich die Apsis ist erhalten. Die Kirche, die einst 52m x 56m maß, wurde in byzantinischer Zeit erbaut und in der Kreuzfahrerzeit als kleinere Kirche restauriert.

Wir spazierten weiter durch das hügelige Gelände und gelangten nach Beit Guwrin, das eine eigene Gemeinde von Mareschah war, wo Baumaterialien produziert wurden, eine Art Industrievorstadt.
Spektakulär waren die riesigen so genannten Glockenhöhlen. Dabei handelt es sich um Marmorsteinbrüche, die von der byzantinischen bis in die frühmuslimische Zeit in Betrieb waren und Baumaterialien für Beit Guwrin und die Küstenebene lieferten.
Im Arabischen hat sich der Name der Gemeinde erhalten - Beit Jivrin. 1948 mussten seine arabischen Bewohner*innen fliehen. Auf dem Gelände wurde ein Kibbuz gegründet.

Der Bus fuhr uns weiter in Richtung Jerusalem. Wir näherten uns der Stadt von Westen. Wir stiegen oberhalb des Nachal Sorek aus, so dass wir entlang des Bachlaufs wandern konnten. 

Die Geschichte des Schimschon im Richter-Buch, sein Honigfund im Löwenkadaver und seine Verführung durch Delilah, die zu seiner Gefangennahme durch die Pelischtäer führt und sein Schicksal besiegelt, spielen in dieser Landschaft. 

Von oben sahen wir hinab auf die sich entlang des Bachtals schlängelnde alte Bahnlinie Jaffa-Jerusalem. In der Ferne konnte man bald Jerusalem und einige seiner markanten Gebäude weiß aufleuchten sehen.

Die schmalen Wege waren stark zugewachsen. Salbei blühte und es roch fantastisch. Die dünne rote Rinde des Erdbeerbaumes blätterte ab wie Plastkfolie und entblösste einen glatten grünen Stamm.

 Es ging ein leichter Wind und das Wandern war für die Schwindelfreien angenehm. Die Gruppe teilte sich in Vorausstürmende, zu denen überraschenderweise meine Tochter gehörte, und Nachzügler*innen. Daher nahmen wir am Ende eine Abkürzung, die in einem steilen Anstieg zur Straße hoch führte, von wo uns unser Busfahrer Michel schließlich wütend einsammeln musste, um uns nach Jerusalem zu bringen.

Miriam Visacki

Nach oben

Dritter Reisetag (29. Mai): Jericho (Hisham-Palast, Tel es-Sultan) - Qumran - Kibbuz En Gedi - Kfar Nokdim

Unsere heutige Tagesetappe führte uns zunächst zum etwa 2 km nördlich von Jericho gelegenen Hisham-Palast bzw. dessen zum Teil sehr gut erhaltenen Ruinen aus der frühen Zeit der Ummayaden. Den Palast ließ der Kalif Hisham zwischen 724 und 743 n.c. erbauen und nutzte ihn als Winterresidenz, deren Bestandteil auch eine Moschee war. Zwar war diese bereits Richtung Mekka ausgerichtet, doch lernten wir, dass die ersten Moscheen mit Ausrichtung gen Jerusalem erbaut wurden.

Etwa 5 Jahre nach Erbauung stürzten die Palastgebäude aufgrund eines Erdbebens ein, was dazu führte, dass der Schutt große Teile der Audienz- und Badehalle einschließlich der Mosaikböden bedeckte und diese somit erhalten blieben.

Anhand der Mosaikabbildungen kann nachvollzogen werden, dass das Verbot des Islam, Abbildungen von Gottesgeschöpfen zu fertigen, sich erst nach und nach entwickelte, da die Mosaikabbildungen neben Pflanzenornamenten auch Tierabbildungen enthalten. 
Die Mosaikbilder noch im Kopf - ging es weiter zum Tel Jericho (Tel es -Sultan). Dort betrachteten wir einen 10m hohen und original erhaltenen Turm, aus dessen Existenz (ca. 10.000 Jahre) manche schließen, dass Jericho die älteste Stadt der Welt sein könnte. Niemand weiß, wozu dieser freistehende Turm diente, der Wortstamm ließ manche Forscher auf einen Mondanbetungskult schließen.

Anschließend besichtigten wir die Überreste einer Siedlung der Gemeinschaft "Jachad" in Qumran, deren Höhlen wir bereits  bei einer Wüstenwanderung am Vortag aus der Ferne erkennen konnten. In diesen Höhlen wurden in den 1940er Jahren die sogenannten Qumranrollen gefunden, welche Aufschluss über die Lesart der hebräischen Bibeltexte jener Zeit geben und von großer Bedeutung für die Bibelwissenschaften sind. Die Besiedlung Qumrans kann bis in die Eisenzeit nachgewiesen werden.

Unsere geplante Weiterfahrt zur Festung Masada wurde durch die Auswirkungen des Gewitters der vorherigen Nacht leider vorerst verhindert, was uns jedoch das Vergnügen ermöglichte, im Kibbuz En Gedi mit seinem wunderbarem botanischen Garten, samt Aussicht über das Tote Meer und auf die Jordanischen Berge, zu rasten, es ein wenig zu erkunden und dabei mehr über die ursprüngliche Kibbuz - Idee zu erfahren, die gleichermaßen von sozialistisch-kommunistischen Gedanken (bspw. ausschließliches Gemeineigentum anstelle von Privateigentum) wie auch zionistischen Gedanken (Rechtfertigung und Bewahrung eines Jüdischen Staates) geprägt ist.

Den Abschluss der Tagesetappe bildete die Einkehr im Beduinendorf Kfar HaNokedim, wo wir einen Einblick in die Sitten und Bräuche der muslimisch geprägten Beduinen erhielten, den Tag am Lagerfeuer Revue passieren ließen und anschließend gemeinsam in einem Beduinenzelt übernachteten.

Lars Toffel, Claudio Unbehaun

 

Nach oben

Zweiter Reisetag (28. Mai): Wanderung durch die judäische Wüste vorbei an Mar-Saba - Kidron - Qumran

Merkt auf, ihr Himmel, ich will reden,
und die Erde höre die Rede meines Mundes.
(Dtn 32,1). 

Und es geschah, dass die Reisegruppe In früher Morgenstund sich begab zu Mar-Saba (Haus des Saba, gegr.: 483). Dort würde sie sehen die Heilige Laura des Sankt Sabbas, das heißt die Struktur des griechisch-orthodoxen Klosters mit seinen Mönchszellen im Berg und dem Bezugspunkt, der das Klosterhaus ist. Kein anderes christliches Kloster auf dem Erdenrund ist langer bewohnt und ist länger im Dienste des Gesetzes.

Unter dem Eindruck der weißen Fassade floss der Kidron durch das in Jahrmillionen Jahren geformte Gestein seines, des Kidrontals. Müll war verstreut im Bachtal dieses heiligen Tals, dessen Steinfurchen sich bis zur ewigen Hauptstadt des Gesetzes, nach Yerushalayim, hinziehen. Dort trennt es Ölberg und Altstadt. Die Reisegruppe schloss sich zusammen, um in dem Territorium der Beduinen, der Wüste Juda, die bis zum nördlichen Negev reicht, als Fremde zu wandern und um in der Wüste ihre Zellen völlig zu erneuern bis sie würde finden, was ihnen Frieden und neue Haut bringt am Toten Meer. 

Siehe, Ziegen wurden von Hütehunden auf den Hügeln der Steinwüste Juda bewacht und zwei junge Beduinen rauchten und sahen die Fremden. Ein vermeintlich brunftiges Dromedar röhrte, aber Siehe: sie war weiblich und die war eine Mutter und das Kalb lief x-beinig zu ihr. Die Reisegruppe sah: Erste Pause.

Gleich dem dahinverdunstenden Toten Meere, das das Ziel der Reisegruppe war, entzog sich die Flüssigkeit den Lippen der Reisegruppe unter dem hell erscheinenden Gewölbe und ihre Haut errötete sich. Die Gruppe sah: Zweite Pause.

In der Nähe von Hyrkania stieg der Reiseleiter auf einen weißen Stein und er sagte: „Höre Reisegruppe! Siehe: Bald wir werden wir sehen die Höhlen von Qumran, wo Schriftrollen gefunden worden vor 76 Jahren. Höre Reisegruppe! Das Qumran-Team zerbrach mental an der Arbeit und ihre Lebern vergifteten sich.“ So sprach der Reiseleiter und die Reisegruppe hörte mit der Gesamtheit ihrer Ohren. Die Gruppe sah: Dritte Pause.

Heiß war die Luft, die in der Wüste lag, und die sündigen Leiber erröteten sich. Auf dem Berg, der zwischen Qumran und dem Kloster Mar-Saba liegt, waren Männer und Frauen in Arbeitskleidung und sie pinselten den Wüstenstaub, vom Ruach dort aufgetragen in tausend Jahren, von den Fundamenten eines antiken Hauses. Das Haus war von Johannes Hyrkanos oder seinem Sohne, Alexander Hyrkanos, gebaut worden.  Zehn Männer und Frauen schütteten den Schutt hinab vom Berg am Abgrund. Das waren die Worte, die der hebräische Doktor der ganzen Reisegruppe sagte: „Hier sind die Überreste eines alten Baus. Der Mosaikboden ist gut erhalten. Ich arbeitete im Herodium und ich arbeite an vielen Stellen in der Wüste Juda; diese Mosaikböden und dunklen Kellerräume sind gut erhalten. Wir fanden eine Inschrift an diesem Morgen heute. Die Schrift ist arabisch ohne Punkte. Wir sind dankbar für diese Erfahrung. Ich bewahre sie in meinen Herzen.“ Und es waren Veteranen aus den Vereinigten Staaten unter ihnen und die Veteranen waren fleißig und erarbeiteten ihr Brot im Schweiße Ihres Angesichts. Die Gruppe sah: Vierte Pause.

Und es geschah, dass die Reisegruppe 40 Minuten gerade durch die Steinwüste auf einer Steinstraße lief und sie kam zu Wahdi Qumran, aber siehe: das Wahdi war leer und die Mistkäfer tanzten auf dem trockenem Gestein. Die Worte des Reiseleiters waren: „Dieses Wahdi ist leer! Aber wenn der Starkregen fällt reißt die Flut alles mit sich“ und der Reiseleiter erklärte das Gehen im Wahdi für gefährlich. Und er sah: Fünfte Pause.

Es geschah, dass die Reisegruppe im Abstieg von der Anhöhe begriffen war, im Gebiet des Wahdi Qumran, und die Steine rutschten unter ihren Füßen in den Abgrund. Der Abstieg war sehr schwer und die Herzen der Gruppe wurden eins und sie halfen sich gegenseitig beim Abstieg.

Siehe: die Öffnungen zu den Qumranhöhlen klafften im weißen Stein und siehe: hinter den Oasen starb das Tote Meer und das Wasser verdunstete und das Salz blieb zurück. Sechste Pause.

Als siebte Pause aber schwebten die Leiber der Reisegruppe im Salzsee, der totes Meer genannt wird und gewaltige Regungen, die Gedanken des Tages, waren in den Köpfen der Schüler. Der hohe Salzanteil verhinderte ihr Sinken und sie dösten, treibend, im Salzsee vierhundert Meter unter dem Spiegel des Meeres. Sie ruhten und begriffen ihr Glück, das ihnen auf ihrer Reise zuteil werden würde.

Gregor Völsgen

Nach oben

Erster Reisetag (27. Mai): Bethlehem - Herodium - Hebron

Die erste Etappe des Tages führte uns in die Geburtskirche in Bethlehem. Die Kirche geht zurück bis in die frühchristliche Zeit, denn bereits Kaiser Konstantin und seine Mutter Helena ließen an der Stelle, die als die Geburtsstätte Jesus galt, eine Kirche errichten. Die heutige Ausstattung stammt allerdings aus der Kreuzfahrerzeit (12. Jahrhundert). Die Geburtskirche ist eine der ältesten durchgehend in Gebrauch befindlichen Kirchen und zählt seit 2012 zum UNESCO Weltkulturerbe.

Von Bethlehem ging es zum Herodium, einer luxuriösen Palastanlage, die sich der bauwütige Vasallenkönig Herodes der Große (74–4 v.c.Z.) im Judäischen Bergland errichten ließ – samt Badeanlage mit Warmwasser, blühenden Gärten und einem Mausoleum für sich selbst. Während der jüdischen Aufstände gegen die Römer (66–71 n.c.Z., Erster jüdischer Krieg, und 132–136, Bar Kochba Aufstand) nutzten die Aufständischen die Anlage als Festungsanlage, und bis heute kann man steinerne Kanonenkugeln bestaunen und geheime Gänge zum Wassertransport aus dieser Zeit durchwandern.

Vermutlich zur Zeit des ersten Aufstandes wurde ein Teil der Anlage zu einer Synagoge umgewandelt. Die Überreste dieser Synagoge gehören zu den ältesten Funden eines Synagogengebäudes, die wir besitzen. Denn obwohl wir durch Inschriften wissen, dass es in der Diaspora schon seit dem 2. vorchristlichen Jahrhundert Synagogen gab, in denen man sich zum Gebet versammelte, sind nur bislang nur wenige archäologische Zeugnisse von Synagogengebäuden aus der Zeit des Zweiten Tempels bekannt.

Im Herodium stellte auch die zweitjüngste Teilnehmerin der Exkursion (Rio, 11 Jahre) ihre gerade erworbenen und sehr beeindruckenden hebräischen Lesekünste unter Beweis, als sie ein in die Wand geritztes antikes Amulett entzifferte, das mit dem hebräischen Alphabet beginnt.

Nach dem Besuch des Herodiums ging es nach Hebron, wo wir die spannungsgeladene Situation zwischen den verschiedenen Religionen und Bevölkerungsgruppen der Gegend in der beklemmenden Atmosphäre in der Altstadt auf Schritt und Tritt direkt erleben konnten.

Nach jüdischen, christlichen und muslimischen Traditionen befindet sich in Hebron die Machpela, das Familiengrab der Erzeltern Abraham und Sara, Isaak und Rebekka sowie Jakob und Lea. Heute befindet sich dort ein Bau, der von Juden und Moslems gleichermaßen genutzt wird: Beide Gruppen beten getrennt von einander in nur einem Teil des Gebäudes. Diese beiden Gebetsorte sind durch eine Wand getrennt, und Juden und Muslime haben jeweils ihre eigenen Eingänge. Wir besuchten die Abrahammosche, in der sich nach der Tradition die Gräber von Abraham, Sara, Isaak und Lea befinden.

Die Gräber der beiden Erzeltern Jakob und Lea werden dem Teil des Gebäudes zugeordnet , der als Synagoge genutzt wird, und den wir wegen des Schabbats nicht besuchen durften. Wir konnten allerdings die hebräischen Gebete jenseits der Trennwand hören und auch hier die allgegenwärtige Spannung direkt erleben, als sich jüdische und muslimische Besucher durch die Wand gegenseitig mit den Worten „shut up“ grob zum Schweigen aufforderten.

Die Stadt Hebron ist auch berühmt für seine Glasbläserkunst. Alte Gläser und Flaschen werden hier eingeschmolzen und zu neuem Leben erweckt, indem z.B. Gläser, Kerzenständer, Glaskugeln und andere Schmuckelemente daraus geblasen werden. Wir besuchten daher auch eine Glasbläserwerkstatt und konnten dort kleine Einblicke in den Herstellungsprozess erhalten und buntes Glas in schillernden Farben bewundern.

Nach oben

Bezalel-Kunstschule Jerusalem (Altbau)
Foto: DMS
Kunstgewerbeschule Bezalel, Jerusalem (Altbau).

Anreise (26. Mai)

Vom 26. Mai bis zum 4. Juni reist eine Gruppe von Studierenden der Jüdischen Studien an der Universität Potsdam durch Israel und das Westjordanland. Die Exkursion wird vom Institut für Jüdische Studien und Religionswissenschaft der Universität Potsdam in Kooperation mit der Theologischen Fakultät der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg organisiert. Insgesamt 33 Personen sind zusammen in einer bunten Gruppe unterwegs: Studierende der Jüdischen Studien, der Theologie, der Religionspädagogik, der Arabistik und der Islamwissenschaften reisen zusammen mit Dozierenden, die sich in Forschung und Lehre mit Judentum, Christentum und Islam beschäftigen – die besten Voraussetzungen also, um die vielfältige und vielsprachliche Gesellschaft der Gegend mit ihrer Vielzahl an Traditionen und Facetten fachkundig zu entdecken.

Wir werden dabei unter anderem archäologische Ausgrabungen erkunden (z.B. Tel Arad, Qumran, Masada, Jericho und Jerusalem), religiöse Stätten von Judentum, Christentum und Islam besuchen, uns mit der Geschichte und der Gegenwart der Gegend auseinandersetzen, uns einige Landschaften in der Judäischen Wüste und dem Jerusalemer Bergland erwandern und uns mit Forschenden und Studierenden der Hebrew University in Jerusalem austauschen.

Die erste Etappe der Reise führt uns nach Bethlehem. Von dort aus werden wir zudem die von Herodes dem Großen (74 v.c.Z.– 4 v.c.Z.) errichtete Festungs- und Palastanlage Herodion besuchen und die Stadt Hebron und dort die nach jüdischen, christlichen und muslimischen Traditionen als bedeutende Stätte geltende Machpela besichtigen, der zugeschrieben wird, das Grab der Erzeltern Abraham, Isaak, Jakob und ihren Frauen Sara, Rebekka und Lea zu sein.

Bezalel-Kunstschule Jerusalem (Altbau)
Foto: DMS
Kunstgewerbeschule Bezalel, Jerusalem (Altbau).

Nach oben