2. Oktober | Erste Erfahrungen auf der Ausgrabung
Am Montag begann die Archäologische Summerschool mit einem gemeinsamen Frühstück um 8:15 Uhr im Speisesaal der Segelschule. Die gemeinsame Wartezeit im Anschluss konnte für erste Unterhaltungen mit den anderen Teilnehmenden aus Spanien, Italien und Frankreich genutzt werden. Sprachliche Hürden wurden dank der vielen multilingualen Teilnehmenden weitestgehend überwunden. Und auch das an alle verteilte ausgrabungsbewährte Mückenspray aus einer Burrianaer Apotheke führte zu einem Verbundenheitsgefühl unter allen nun nach Zitrone Riechenden. Um die Gruppe weiter zusammenzuschweißen, wurden von unserem Ansprechpartner vor Ort, Prof. Josep Benedito Nuez von der Universitat Jaume I, blaue Wasserflaschen verteilt und ein gemeinsames Foto geschossen.
Ausgerüstet mit Sonnenbrillen und Handschuhen ging es dann bei höchstem Sonnenstand mit Autos ans Meer. Dort liegt eine in den 1970ern entdeckte, seit 2008 von Archäologinnen und Archäologen der Region bearbeitete villa maritima. Sie gehört zu den größten in der ganzen Region und sollte ursprünglich den Ausgrabungsort der Summerschool stellen, allerdings stand sie nach Regenfällen der letzten Wochen komplett unter Wasser. So wurde den Teilnehmenden an dieser Stelle nur ein kurzer Vortrag über die Geschichte der Villa gehalten:
Entdeckt wurde sie bei einem Poolbau und den vorbereitenden Grabungen für einen geplanten Golfclub auf dem Gelände. Neben der Villa liegen in direkter Umgebung noch zwei weitere Gebäude. Sie alle besitzen Reste aus der iberischen und republikanischen Zeit, dem ersten Jahrhundert nach Christus, sowie Anzeichen eines Umbaus aus dem 2. Jahrhundert. In der Villa finden sich Mosaiken und Wandgemälde im pompeianischen Stil. Die spätesten Überreste stammen aus dem 4. Jahrhundert.
Nach dieser kurzen Besichtigung und Einführung ging die Autoreise weiter zu unserer eigentlichen Ausgrabungsstätte für die Woche. Auf dem Territorium einer ehemaligen Orangenplantage waren bei einem geplanten Straßenbauprojekt mehrere, ein riesiges Gebiet umfassende Nekropolen, eine Straße und ein Gebäude freigelegt worden. Die Nekropolen liegen örtlich übereinander, die tiefste und demnach älteste stammt von ca. 1000 v. Chr., darüber befindet sich eine Schicht mit ca. 70 Urnen aus der Bronzezeit und in einer weiteren Schicht eine römische Nekropole. Durch die vorherige agrarische Nutzung sind die Schichten an einigen Stellen vermischt und teilweise komplett zerstört worden – der Anfang des Baus der Straße mit einer Planierraupe hat auch den archäologischen Schichten nicht geholfen. Eine Nekropole aus iberischer Zeit fehlt trotz entsprechender Besiedelung - vermutlich lag die Nekropole in dieser Zeit an einem anderen Ort. Neben Urnen, Knochenfunden und wenigen Grabbeigaben wurde auf dem Gebiet sehr viel Keramik gefunden. Einige aus iberischer Zeit stammende Amphoren und Urnen aus der Ausgrabung erwarteten uns am Nachmittag des Tages im Labor des Archäologischen Museums von Burriana. Aus späteren Besiedlungsphasen wurden in den oberen Erdschichten zudem Stücke aus dem Mittelalter und der muslimischen Besiedlung gefunden, die für unsere Untersuchungen jedoch keine Rolle spielten.
Zentrum unserer Ausgrabung bildeten mehrere Zimmer einer aus römischer Zeit stammenden Villa, deren zweite Hälfte allerdings auf Privatgrundstücken außerhalb der Grabungszone liegt. Archäologische Ausgrabungen dürfen laut spanischer Baupolitik erst stattfinden, wenn auf einem Grundstück Pläne für eine moderne Bebauung vorliegen und in diesem Prozess archäologisch relevantes Material gefunden wird - so wie in diesem Fall bei der Planung einer Straße und eines Kreisverkehrs.
In sprachgemischten Teams aus fünf bis sechs Personen machten wir uns nach einführenden Worten der Archäologinnen und Archäologen vor Ort mit Hilfe von Hacken, Besen, Spateln und anderem Werkzeug an das Abtragen der ersten Erdschichten. Erste Keramikfunde wurden an Ort und Stelle fotografiert und in Plastiktüten gesammelt. Nach der teilweise doch sehr anstrengenden körperlichen Arbeit in praller Sonne ging es für ein gemeinsames Mittagessen und eine kurze Pause zurück ins Hotel, bevor wir um 15:30 Uhr gemeinsam ins Museum fuhren. Dort hielt uns eine der Archäologinnen einen kurzen Vortrag über den Umgang mit Urnen und Amphoren, wie wir sie im Anschluss im Labor bearbeiten würden.
In kleinen Teams wurden wir mit Pinseln, Wasser und Pipetten, Spachteln und Handschuhen ausgestattet, erhielten eine kurze Einführung in den vorsichtigen Umgang mit dem teils sehr zerbrechlichen, nur durch Gaze stabilisierten Rändern unserer Urnen und dann ging die Suche nach spannenden Funden los. Größten Erfolg hatten wir vermutlich im Füllen der Plastikbeutel voller Erde, doch vereinzelt konnten Keramikstücke der Urnen, einzelne Knochen und Muscheln geborgen werden.
Der Abend klang anschließend mit einem Besuch am nahegelegenen Strand, einem Kampf gegen die bei Dämmerung einsetzende Mückenplage und einem gemeinsamen Abendbrot aus.
Lea Fürst und Luca Alacán Friedrich