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Paris

von David Grehn (19.10.2023)

Vor sich sehen Sie die Statue eines schönen Jünglings, der nachdenklich einen Apfel in seiner linken Hand betrachtet. Kenner der griechischen Mythologie werden sogleich erkennen, dass es sich um eine Darstellung des Paris handelt. Die Skulptur stammt vom Bildhauer Rudolf Schatow. Sie war sein erstes eigenständiges Werk. Schatow hatte zuvor die antike Bildhauerkunst in Rom intensiv studiert. Nach dem Tod des Bildhauers entstand ein zweiter Bronzeguss seines Werkes, den Sie vor sich sehen. Kronprinz Friedrich Wilhelm erwarb diese Ausfertigung und ließ sie hier auf der Terrasse des Schloss Charlottenhof aufstellen, wo sie gemeinsam mit den Skulpturen anderer mythologischer und historischer Persönlichkeiten der Antike zur klassizistischen Gestaltung der Anlage beiträgt.1

Die Skulptur spielt auf eine der berühmtesten Szenen der griechischen Mythologie an: das Urteil des Paris. Unter den Göttinnen Aphrodite, Athena und Hera war ein Streit darüber entbrannt, wem ein goldener Apfel mit der Aufschrift „für die Schönste“ gebührt, den die Göttin der Zwietracht Eris auf einem Fest unter die feiernden Götter geworfen hatte. Der Göttervater Zeus enthält sich einem Urteil und bestimmt stattdessen einen Sterblichen zum Richter: Paris, den im Exil lebenden Sohn des trojanischen Königs Priamos. Der Götterbote Hermes geleitet die Göttinnen daraufhin zu Paris und überlässt ihm den goldenen Apfel. Die Göttinnen versuchen, Paris durch verschiedene Angebote zu bestechen: Hera verspricht ihm Herrschaft, Athena Kampfkraft, Aphrodite hingegen verspricht ihm die Hand der schönsten Frau der Welt. Das Treffen einer Entscheidung ist für Paris äußerst heikel, denn wie auch immer er sich entscheidet, zwei Göttinnen wird er in jedem Fall verärgern. Den angesichts dieser Lage über sein Urteil nachsinnenden Paris zeigt die Skulptur. Der trojanische Held entscheidet sich letztlich für das Angebot Aphrodites und gibt ihr den Apfel. Die schönste Frau der Welt, Helena, eine Halbgöttin und Tochter des Zeus, war allerdings bereits mit dem spartanischen König Menelaos verheiratet, daher muss Paris sie entführen. Darüber ob Helena freiwillig mit dem Trojaner mitkommt oder von ihm verschleppt wird, machen die antiken Autoren unterschiedliche Angaben. Jedenfalls löst Paris mit dieser Tat den Trojanischen Krieg aus, der letztlich zum Untergang seiner Heimatstadt, seiner Familie und nicht zuletzt seinem eigenen Tod führen wird.2 Eine künstlerische Darstellung der Entführung Helenas können Sie hier im Park im Glockenfontänenrondell sehen.

Die Geschichte von Paris wird auch in der Moderne noch sehr breit rezipiert. Sein Charakter wird dabei unterschiedlich interpretiert. Erschien er im Film Die schöne Helena von 1956 noch als heroischer Charakter, porträtiert ihn der Film Troja aus dem Jahr 2004 als einen unverantwortlichen Menschen, der den Untergang seiner eigenen Familie und Heimat für seine Liebesaffäre mit Helena in Kauf nimmt. Diese Darstellung des Paris steht durchaus in Kontinuität zu Homers Original. Bereits in der Ilias werden
zwar die Schönheit des Paris und seine Fähigkeiten am Bogen betont, vordergründig wird er aber als Feigling charakterisiert. Beispielsweise unterliegt er in einem Zweikampf auf Leben und Tod, durch den der Krieg entschieden werden sollte, seinem Rivalen Menelaos. Anstatt sich seinem Schicksal aber zu ergeben, wie es von einem ehrenhaften Krieger erwartet wurde, bricht er den Zweikampf ab. Besonders betont wird sowohl bei Homer als auch im Film der Kontrast zwischen Paris und seinem Bruder Hektor. Während Hektor als pflichtbewusster und heldenhafter Krieger dargestellt wird, scheut der feige Paris den Nahkampf und kämpft stattdessen mit dem Bogen.

 

 

1 Vgl. Kiesant, Silke: Paris mit dem Apfel. Unter: brandenburg.museum-digital.de/object/69182.
2 Vgl. Schneider, Steffen: Paris, in: Der Neue Pauly Supplemente I Online - Band 5: Mythenrezeption: Die antike Mythologie in Literatur, Musik und Kunst von den Anfängen bis zur Gegenwart, Herausgegeben von Maria Moog-Grünewald, unter: referenceworks.brillonline.com/entries/der-neue-pauly-supplemente-i-5/paris-COM_0100.

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