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Götterrondell

von Magnus Crone und Richard Schiffner (21.04.2023)

Spätestens seit der Renaissance waren die Sammlung und die Ausstellung von antiken und nach antiken Vorbildern geschaffenen Statuen in den Herrscherhäusern Europas von zentraler Bedeutung. Die Antikenrezeption galt als ein Hauptelement fürstlicher und königlicher Selbstdarstellung, was sich auf eindrucksvolle Weise im Park Sanssouci feststellen lässt. Die Herkunft und der „Rang“ der Werke, die Friedrich II. für seinen Park vorsah, spielten dabei eine wichtige Rolle. Das in der Mitte des Parks gelegene „Götterrondell“, auch „Französisches Rondell“ genannt, wird häufig als sein Höhepunkt sowie als das inhaltliche und künstlerische Zentrum verstanden. Rund um die Große Fontäne, am Fuße der Treppen, die zum Schloss Sanssouci hinführen, sind insgesamt vier Götterpaare sowie Allegorien der vier Elemente Feuer, Wasser, Erde und Luft angeordnet. Die seit dem Jahr 2011 durch maßgenaue Kopien ersetzten Statuen sind die Werke bekannter französischer Bildhauer (aus der Zeit des Rokoko). Sie zeichnen sich durch ihre außergewöhnliche und zeitgenössisch vielgerühmte Kunstfertigkeit aus. Die ersten beiden Götterskulpturen, Venus (griech. Aphrodite) und Merkur (griech. Hermes), gelangten als Geschenke des französischen Königs Ludwig XV. im Jahr 1750 nach Potsdam. Sie erhielten die wirkungsvollsten Plätze im Rondell und flankieren bis heute den Weg nach Norden, der zum Schloss Sanssouci hinführt. Im Lauf der nächsten 14 Jahre wurde das Rondell nach und nach vervollständigt. Im Uhrzeigersinn folgten an der Ostseite Apollo (griech. Apollon, 1752) und Diana (griech. Artemis, 1753); im selben Jahr/dann Juno (griech. Hera) und später Jupiter (griech. Zeus, 1754), die den Weg nach Süden rahmen. Mars (griech. Ares, 1764) und Minerva (griech. Athena, 1760) an der Westseite gelangten als letzte Skulpturen in den Besitz Friedrichs II.1 Zwischen den Wegen befinden sich im Norden eine Jagd- sowie eine Fischfangszene, die als Allegorien der Luft und des Wassers verstanden werden und ebenfalls als Teil des französischen Geschenks nach Potsdam kamen. Die vier Elemente wurden in den Jahren 1756 bis 1758 im Süden durch die Statuengruppen „Ceres lehrt Triptolemos das Pflügen“ als Darstellung der Erde und durch „Venus betrachtet den von Vulkan für Aeneas geschmiedeten Schild“ als Abbild des Feuers vervollständigt. Als Verkörperungen von spielerischer Macht, jugendlicher Schönheit und „antiker“ Vollkommenheit schmückten die Statuen nicht nur den Park, sondern brachten durch ihren künstlerischen Wert und die zentrale Lage in seinem Arrangement in besonderer Weise das kulturelle Geltungsbewusstsein und die angestrebte „Großmachtstellung“ Preußens unter Friedrich II. zum Ausdruck.

Im Park Sanssouci begegnen uns folglich - neben den vier Allegorien - acht der insgesamt zwölf Gottheiten des traditionellen olympischen Pantheons. Werfen wir einen Blick zurück in die antike Vergangenheit, ist zunächst einmal festzustellen, dass die zwölf himmlischen Gestalten (Namen hellenistischen Territorialreiche verbreitete sich ihr Kult im gesamten mediterranen Raum. Im Verlauf der folgenden zwei Jahrhunderten gelangten sie auch nach Rom, wo sie jedoch unter anderen Namen anzutreffen waren. In kultureller und gesellschaftlicher Hinsicht nahmen sie (fraglos) eine zentrale Rolle in den antiken Gesellschaften ein. Über die Gründe der Unvollständigkeit der 12 Götter und Göttinnen im Rondell lässt sich derweil nur spekulieren. Womöglich spielten zum einen Platzgründe und zum anderen persönliche Vorlieben Friedrichs eine Rolle. Wer Genaueres zu den einzelnen, im Park Sanssouci anzutreffenden Gottheiten, ihren Kulten und vor allem ihrer Rezeption bis in die Gegenwart erfahren will, der kann sein Wissen in den weiteren vier Stationen zu diesem Rondell vertiefen.

Denn nicht nur zu Zeiten Friedrichs, sondern auch innerhalb unserer modernen Alltagskultur sind die Götter in den vielfältigen Formen der Antikenrezeption anzutreffen.5 Nicht mehr vorrangig in Stein gemeißelt, erscheinen sie uns in Werbung, Karikaturen, Büchern, Comics, Computerspielen und Filmen so lebendig wie nie zuvor.7 Als ein prominentes Beispiel hierfür können etwa die fünf Fantasy-Romane über den jungen Halbgott Percy Jackson dienen, die aus der Masse der “mythischen” Romanveröffentlichungen der letzten Jahre und Jahrzehnte herausstechen. Sie erreichten allein in Deutschland Verkaufszahlen von weit über einer Million und wurden weltweit in insgesamt 32 Ländern verkauft. Die ersten beiden Teile wurden zudem in den Jahren 2010 und 2013 mit großem Budget und internationaler Starbesetzung verfilmt, auch wenn sie insgesamt nicht an den Erfolg der Bücher heranreichen konnten. Percy Jackson - als ein aktuelles rezeptionsgeschichtliches Beispiel von vielen - unterstreicht damit im Besonderen die anhaltende Bedeutung und Popularität der antiken Götter und Göttinnen als Charaktere und Symbole in den Bereichen von Fantasy und Fiction und darüber hinaus innerhalb unserer “modernen” Gesellschaften.

 

1 Vgl. Lange, K. et. al.: Die Götter kehren zurück. Marmorkopien für das Französische Rondell im Park Sanssouci, Berlin 2011, S. 11.
2 Siehe unter: www.info-potsdam.de/die-goetter-kehren-zurueck-franzoesisches-rondell-vollendet-7849n.html Vgl. auch Lange, K. et. al.: Die Götter kehren zurück, S. 11. Zur Statue des Merkur schrieb etwa Oesterreich: „Pigalle hat die Natur mit aller nur ersinnlichen Kunst ausgedrückt. Er hat dieser Figur eine überaus schöne und edle Stellung gegeben.“ Zitiert aus Ebd. In Paris ließ man den französischen König derweil wissen, welcher nationale Verlust mit den Geschenken verbunden war. Siehe auch Kurth, W.: Sanssouci. Ein Beitrag zur Kunst des deutschen Rokoko, Berlin 1962, S. 190-196.
3 Dies ist eine Formulierung, die Homer in seiner Ilias verwendete (Hom.Il. 1.544).
4 Vgl.: Henrichs, Albert: DNP s.v. Zeus.
5 siehe Mohr, H.: Veralltäglichung der Antike. Rezeptionsformen und Aktualisierungsstrategien in der modernen Alltagskultur, in: Korenjak, M./Tilg, S.: Die Antike in der Alltagskultur der Gegenwart, Innsbruck 2007, S. 25-30.
6 Vgl. Ebd. S. 32.
7 Siehe Zwick, R.: Zeus & Co. im Cineplex: Zur Wiederkehr griechischer Götter im Kino der Gegenwart, in: Janka, M./Stierstorfer, M.: Verjüngte Antike: griechisch-römische Mythologie und Historie in zeitgenössischen Kinder- und Jugendmedien, Heidelberg 2017, S. 256.
8 Ähnliches findet sich bei Schilcher, A./Stierstorfer, M.: Soll man Percy Jackson im Deutschunterricht lesen, in: Janka, M./Stierstorfer, M.: Verjüngte Antike: griechisch-römische Mythologie und Historie in zeitgenössischen Kinder- und Jugendmedien, Heidelberg 2017, insbesondere S. 89-90. Gerade im kulturellen „Schmelztiegel“ der USA erscheint dies jedoch befremdlich und problematisch.

 

Literatur
Henrichs, A.: DNP s.v. Zeus.
Kurth, W.: Sanssouci. Ein Beitrag zur Kunst des deutschen Rokoko, Berlin 1962.
Lange, K. et. al.: Die Götter kehren zurück. Marmorkopien für das Französische Rondell im Park Sanssouci, Berlin 2011.
Mohr, H.: Veralltäglichung der Antike. Rezeptionsformen und Aktualisierungsstrategien in der modernen Alltagskultur, in: Korenjak, M./Tilg, S. (Hrg.): Die Antike in der Alltagskultur der Gegenwart, Innsbruck 2007.
Schilcher, A./Stierstorfer, M.: Soll man Percy Jackson im Deutschunterricht lesen, in: Janka, M./Stierstorfer, M. (Hrg.): Verjüngte Antike: griechisch-römische Mythologie und Historie in zeitgenössischen Kinder- und Jugendmedien, Heidelberg 2017, S. 85-98.
Walther, L. (Hrg.): Antike Mythen und ihre Rezeption, Stuttgart 2009.
Zwick, R.: Zeus & Co. im Cineplex: Zur Wiederkehr griechischer Götter im Kino der Gegenwart, in: Janka, M./Stierstorfer, M. (Hrg.): Verjüngte Antike: griechisch-römische Mythologie und Historie in zeitgenössischen Kinder- und Jugendmedien, Heidelberg 2017, S. 247-264.

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