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Ganymed

von Ricardo Rinne (12.08.2023)

Friedrich der Große ließ die viertelkreisförmigen Kolonnaden, in denen sie sich jetzt befinden, zusammen mit dem Neuen Palais und den Communs von 1763 bis 1769 errichten. Sie verbindet dabei die beiden Communs,1 die als Wirtschafts- und Logiergebäude dienten2 und in denen sich heutzutage die Räumlichkeiten der Universität Potsdam befinden. An den beiden Ende der Kolonnade befinden sich zwei Pavillons mit Obelisken obendrauf, im Zentrum der Anlage das große Triumphtor. Auch dieses wurde ursprünglich von einem Obelisken gekrönt, dieser gefiel dem König aber nicht und er wurde daher 1769 durch eine Kuppel ersetzt.

Die Kolonnade wurde 2014 nach 6-jähriger Restauration wieder neu eröffnet, nachdem sich nach einem Bombentreffer im April 1945 weniger darum gekümmert worden war. Heute schmücken wieder 158 Säulen und 62 Skulpturen dieses Bauwerk,3 wobei besonders viele Elemente zu finden sind, die den Sieg symbolisieren, wie Siegerkränze, Füllhörner, Königskronen, Kanonen oder der preußische Adler, womit klar dem Sieg im Siebenjährigen Krieg gedacht werden sollte.4

Auch die Ganymed-Statue, vor der Sie stehen, wurde 2013 in diesem Rahmen restauriert.5 Das Motiv des Ganymeds finden wir auch auf dem Deckenbild im Marmorsaal des neuen Palais, wo er Hebe als Mundschenk der Götter ablöst und somit ein neues festlicheres Zeitalter symbolisieren soll, genau wie für Preußen nach dem Siebenjährigen Krieg.6 Doch wer genau ist dieser Ganymed?

Die Hauptquelle des Mythos ist Homers Ilias,7 durch welche wir erfahren, dass Ganymed der Sohn des Dardaner-Königs Tros8 und der Kallirhoe war.9 Wegen seiner außerordentlichen Schönheit wurde er auf den Olymp entführt, erhielt dort ewige Jugend und erfreute als Mundschenk des Zeus die Götter mit seiner Schönheit. Es gibt unterschiedliche Versionen, wie diese Entführung stattfand, einige Quellen nennen einen Sturmwind, andere Iris oder Hermes, viele aber einen Adler oder Zeus in Adlergestell, wie es auch hier plastisch dargestellt ist. Als Entschädigung für den Verlust des Sohnes erhielt Ganymeds Vater Tros göttliche Pferde und sein Sohn wurde als Sternzeichen hydrophoros „Wasserträger“ oder besser „Wassermann“, wie wir ihn auch heute kennen, in den Himmel gesetzt. Ganymed finden wir auch noch in weiterer Funktion am Himmel oder besser im Weltall, als einen der Monde des Planeten Jupiters, benannt nach dem römischen Pendant des Zeus, dessen Monde alle nach seinen Liebhaber*innen benannt sind.

Während in der epischen Dichtung das erotische Motiv zwischen Zeus und Ganymed noch weniger stark war, wurde es in der griechischen Lyrik, besonders der Liebesdichtung, vertieft, da es sich um eine beispielhafte homoerotische Beziehung handelte,10 vor allem die einzige überlieferte homoerotische Beziehung des Herrschergottes Zeus.11 In der römischen und gerade der christlichen Literatur wurde die Beziehung daher heftig kritisiert. Der Raub wurde als sexuelle Ausschweifung dargestellt und Ganymed galt als verweichlichter und moralisch verderbter Mann.12 Insofern kann anhand der Darstellung und Bewertung dieses Mythos’ gut die gesellschaftliche Meinung zur Homosexualität und Männerliebe untersucht werden, immerhin kursieren auch in Teilen unserer Gesellschaft noch Vorwürfe und Vorurteile gegenüber „verweiblichten Männern“, zumal ja auch über die sexuelle Orientierung des Preußenkönigs spekuliert wurde und wird, um wieder einen Bogen zu Friedrich zu ziehen.

 

Hom. Il. 5,265-267; 20,231-235


Stammen sie doch vom Geschlecht, das der weithindonnernde Zeus gab
Als Entgeld an den Tros für dessen Sohn Ganymedes,
Weil sie die besten Rosse, die Morgen und Sonne bestrahlen. [...]
Wieder von Tros entstammen die drei untadeligen Söhne
Ilos, Assarakos und den Göttern gleich Ganymedes,
Der als der schönste geboren wurde der sterblichen Menschen;
Ihn entrafften denn auch dem Zeus als Mundschenk die Götter,
Seiner Schönheit zulieb, dass er bei den Unsterblichen bleibe.

Hampe, Roland: Homer. Ilias, Ditzingen 1979.

 

1 Vgl. Stiftung Preußischer Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg (Hg.): Triumphtor des Königs. Kolonnade am Neuen Palais nach umfassender Sanierung wiedereröffnet, online unter: https://www.spsg.de/nc/presse-foto-film/2014-09-11-wiedereroeffnung-der-kolonnade-am-neuen-palais/ (letzter Zugriff: 06.07.2023).
2 Vgl. Stiftung Preußischer Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg (Hg.): Bauten und Gärten der UNESCO-Welterbestätte “Schlösser und Parks von Potsdam und Berlin”, S. 96, online unter: https://www.spsg.de/fileadmin/user_upload/UNESCO25/1.1.Park_Sanssouci_Potsdam.pdf (letzter Zugriff: 06.07.2023).
3 Vgl. Stiftung Preußischer Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg (Hg.): Triumphtor des Königs.
4 Von Buttlar, Adrian/ Köhler, Marcus: Tod, Glück und Ruhm in Sanssouci. Ein Führer durch die Gartenwelt Friedrichs des Großen, Ostfildern 2012, S. 140.
5 Vgl. Stiftung Preußischer Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg (Hg.): Bauten und Gärten der UNESCO-Welterbestätte “Schlösser und Parks von Potsdam und Berlin”, S. 96.
6 Von Buttlar, Adrian/ Köhler, Marcus: Tod, Glück und Ruhm in Sanssouci, S. 138 f.
7 Vgl. Sölch, Brigitte: Ganymedes, in M. Moog-Grünewald (Hg.), Der Neue Pauly Supplemente I Online - Band 5: Mythenrezeption: Die antike Mythologie in Literatur, Musik und Kunst von den Anfängen bis zur Gegenwart, Augsburg 2008, online unter: https://referenceworks.brillonline.com/entries/der-neue-pauly-supplemente-i-5/ganymedes-COM_0049?s.num=1 (letzter Zugriff: 06.07.2023).
8 Vgl. Visser, Edzard: Ganymed, in H. Cancik, H. Schneider und M. Landfester (Hg.), Der Neue Pauly, Basel 1996, online unter: https://referenceworks.brillonline.com/entries/der-neue-pauly/ganymedes-e418930?s.num=0&s.f.s2_parent=s.f.book.der-neue-pauly&s.q=ganymedes (letzter Zugriff: 23.06.2023).
9 Vgl. Sölch, Brigitte: Ganymedes.
10 Vgl. Visser, Edzard: Ganymed.
11 Vgl. Sölch, Brigitte: Ganymedes.
12 Vgl. Visser, Edzard: Ganymed.

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