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Schloss Charlottenhof

von David Grehn (25.10.2023)

Zu Weihnachten 1825 schenkte der preußische König Friedrich Wilhelm III. seinem Sohn Kronprinz Friedrich Wilhelm, dem späteren König Friedrich Wilhelm IV., das kurz zuvor erworbene Gut Charlottenhof. Der Kronprinz ließ das Gelände nach eigenen Vorstellungen umgestalten. Dabei orientierte er sich an den architektonischen Idealen der römischen Kaiserzeit. Vor allem die im 18. Jahrhundert erbaute klassizistische Villa Albani in Rom, diente ihm als Vorbild. Sie wurde von der antiken römischen Villa Hadriana bei Tivoli inspiriert und beabsichtigte eine Idealrekonstruktion des Landguts Laurentium des römischen Politikers und Autors Plinius des Jüngeren.1

Plinius der Jüngere wurde Anfang der 60er Jahre n.Chr. in eine wohlhabende adlige Familie hineingeboren und schlug eine erfolgreiche politische Karriere ein. Bis zu seinem Tod Anfang des zweiten Jahrhunderts n.Chr. bekleidete er zahlreiche wichtige Staatsämter. Der Nachwelt hinterließ Plinius eine umfangreiche Sammlung an Briefen, die er bereits zu Lebzeiten veröffentlicht hatte. Einige dieser Briefe enthalten auch Beschreibungen seiner Villen. Mit diesen Passagen hatte sich Friedrich Wilhelm spätestens seit 1821 persönlich befasst. Einige Elemente dieser Villenbeschreibungen brachte der Kronprinz in seine Entwürfe zur architektonischen Gestaltung Charlottenhofs ein. So schrieb Plinius beispielsweise über Laurentium:

Das Landhaus ist für seinen Zweck ziemlich geräumig und in der Unterhaltung nicht kostspielig. Zunächst betritt man eine einfache, doch nicht ärmliche, Halle, dann kommen in Form eines D gebogene Arkaden, die einen kleinen, hübschen Hofraum einlassen.“2 (Übersetzung: Helmut Kasten)

Diese D-förmige Struktur ist in Charlottenhof sowohl an der Nord- als auch Ostseite des Schlosses anzutreffen.

Die ausgeprägte Villenkultur war seit dem zweiten Jahrhundert v.Chr. aus der römischen Gesellschaft nicht wegzudenken. Ursprünglich erfüllten die Villen vor allem eine landwirtschaftliche Funktion, die auch nie ganz verschwand.3 In Charlottenhof wird auch dieses Element der antiken Villa rezipiert; in unmittelbarer Nähe nordöstlich des Schlosses liegt der Gebäudekomplex, den man als Römische Bäder bezeichnet, zu dem aber auch ein Gärtner- und Gehilfenhaus gehört.4 Er repräsentiert den wirtschaftlichen Teil der Villa. Mit der Zeit wandelten sich die römischen Villen aber zunehmend zu repräsentativen Landsitzen der Aristokratie. Männern wie Plinius ging es bei der Einrichtung ihrer Landsitze jedoch nicht nur um die Schaffung eines ästhetisch ansprechenden Erholungsorts. Die Villen sollten den vornehmen Römern vielmehr auch einen „geistigen Lebensraum“ bieten, in dem sie sich ungestört von ihren alltäglichen Verpflichtungen dem otium, das heißt der Muße, widmen konnten. Dazu gehörte unter anderem das Studium der griechischen Kunst, Philosophie und Literatur.5 Die Einrichtung sollte dafür den geeigneten Rahmen schaffen. Skulpturen sowohl mythologischer als auch historischer Persönlichkeiten gehörten ebenso zur Standardausstattung römischer Villenanlagen wie Wandmalereien.6 Beide Elemente finden Sie auch in Charlottenhof vor, denn Friedrich Wilhelm wollte hier ebenfalls nicht nur die architektonischen Idealformen der Antike nachahmen, sondern auch die kulturelle Bestimmung antiker Villen. Charlottenhof sollte - wie Antje Adler formuliert - eine „Stätte des kulturellen Lebens, des Kunst- und Literaturgenusses“ sein, an dem sich Bewohner und Gäste „in einem entsprechenden Rahmen freier entfalten konnte[n] als in der Stadt.“7

Auch wenn mit dem Aufkommen der modernen Architektur im 20. Jahrhundert die architektonische Rezeption der Antike an Bedeutung verloren hat, verkörpern antike Formen für viele auch heute noch ein Ideal. So unterzeichnete der frühere US-Präsident Trump im Dezember 2020 eine Exekutivanordnung wonach Regierungsgebäude nur noch im klassizistischen Stil erbaut werden sollen.8 Freilich sollte damit ein ganz anderer Aspekt der antiken Kultur betont werden als in Charlottenhof. Während Friedrich Wilhelm an ein antikes Ideal aristokratischer Lebensführung anknüpfen wollte, sollte der Zweck der Exekutivanordnung darin bestehen in Tradition der amerikanischen Gründerväter den bürgerschaftlichen Geist der antiken Demokratien und Republiken durch ihre Architektur wiederzubeleben. Sie sehen also: Die antike Architektur kann zur Repräsentation ganz unterschiedlicher Anliegen genutzt werden.

 

 

1 Vgl. Adler 2012, S. 105.
2 Plin. epist. 2, 17, 4.
3 Vgl. Habenstein 2015, S. 116.
4 Vgl. Adler 2012, S. 108-121.
5 Vgl. Lefévre 1987, S. 247.
6 Vgl. Habenstein 2015, S. 63f.
7 Adler 2012, S. 108.

 

Quellen
Plinius der Jüngere: Briefe (Epistularum Libri Decem) Lateinisch-Deutsch, übersetzt und herausgegeben von Helmut Kasten, 8. Auflage, Düsseldorf/Zürich 2003.


Literatur
Adler, Antje: Gelebte Antike – Friedrich Wilhelm IV. und Charlottenhof, Berlin 2012.
Habenstein, Astrid: Abwesenheit von Rom. Aristokratische Interaktion in der späten Römischen Republik und in der frühen Kaiserzeit, Heidelberg 2015.
Lefévre, Eckart: Plinius-Studien III. Die Villa als geistiger Lebensraum, in: Gymnasium 94 (1987), S. 247-262.

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