Zum Hauptinhalt springen

Digitale Gewalt – ein wachsendes Problem?

Science Aid

Wenn Sie im Netz angegriffen werden und sich nicht mehr sicher fühlen, schreiben Sie uns!

Wissenschaftler*innen sind während der Covid19-Pandemie in den Fokus gerückt. Eine Umfrage im Fachmagazin „Nature“ unter 321 Wissenschaftler*innen, die sich während der Pandemie in den Medien geäußert haben, hat ergeben, dass die Mehrheit negative Effekte sieht – von Gewalt- und Todesdrohungen bis zu Angriffen auf die Glaubwürdigkeit.

Unsachliche Kritik, Hatespeech und andere Angriffe gegen Wissenschaftler*innen und in der Kommunikation von Wissenschaft insgesamt nehmen zu, insbesondere zu Forschungsbereichen mit direkten gesellschaftlichen Implikationen. Auch für die Universität Potsdam ist der Umgang mit digitaler Gewalt eine wachsende Herausforderung, die ein stategisches Handeln bedarf.

Science Aid

Wenn Sie im Netz angegriffen werden und sich nicht mehr sicher fühlen, schreiben Sie uns!

 


1. Was ist digitale Gewalt? 

Digitale Gewalt umfasst eine Vielzahl von Angriffsformen über digitale Kanäle. Dazu zählen unter anderen Beleidigung, Bedrohung, Verleumdung, Hassrede, Cyberstalking oder Doxing (das Teilen (privater) Informationen). Sie vollzieht sich nicht nur in den Sozialen Medien, sondern auch über E-Mail, SMS oder via Telefon. Digitale Gewalt entsteht und bleibt nicht nur im digitalen Raum: Aus psychischer Gewalt, die online stattfindet, kann physische Gewalt werden. Sie ist in der Regel kampagnenförmig, konzertiert und netzwerkartig. Digitale Gewalt ist ein Mittel zur politischen Mobilisierung. So wurden 73 Prozent der Hasspostings im Jahr 2019 dem rechten Milieu zugeordnet.

2. Wer ist betroffen? 

Von Digitaler Gewalt sind insbesondere Menschen betroffen, die sich in der Öffentlichkeit zu gesellschaftlich relevanten Themen äußern, also Politiker*innen, Aktivist*innen, Journalist*innen und Wissenschaftler*innen. Das Phänomen hat eine geschlechtsspezifische und rassistische Komponente: Frauen sind besonders häufig Zielscheibe von digitaler Gewalt. Frauen und queere Menschen sowie BIPoC in der Wissenschaft erfahren Angriffe zudem verstärkt in Bezug auf ihre Person und weniger in Bezug auf ihre Forschungsergebnisse. Für mehrfach diskriminierte Menschen gilt das im Besonderen.

Wissenschaftler*innen, die Themen mit gesellschaftlichen Implikationen erforschen, wie Klimawandel, Migration, Geschlechterverhältnisse oder die Covid19-Pandemie, müssen besonders häufig mit Persönlichkeitsrechtsverletzungen im digitalen Raum rechnen.

3. Was sind die Ziele von digitaler Gewalt?

  • Forschung infrage stellen
  • Wissenschaftler*innen diskreditieren, ihre Glaubwürdigkeit anzweifeln
  • Verlust der Reputation; Zusammenarbeit mit anderen Wissenschaftler*innen gefährden
  • ein Bedrohungsgefühl erzeugen und die Betroffenen letztlich zum Schweigen bringen, sog. „Silencing“

Hasskampagnen zeigen Wirkung: 30 Prozent der befragten Bürgermeister*innen äußern sich heute zu bestimmten Themen seltener, 19 Prozent der Kommunalpolitiker*innen überlegen sich aus der Politik zurückzuziehen aus Sorge um ihre Sicherheit (vgl. forsa (2021): Hass und Gewalt gegen Kommunal-politiker/innen. Einschätzungen und Erfahrungen von Bürgermeister/innen in Deutschland). Für die Wissenschaft, deren Aufgabe gerade auch der Transfer ihrer Ergebnisse in die Gesellschaft ist, wiegen die Folgen schwer. Es gibt jedoch eine Reihe von Möglichkeiten, gegen digitale Gewalt vorzugehen, die wir Ihnen in den nächsten Abschnitten erläutern. 

4. Was kann präventiv gegen digitale Gewalt getan werden? 

Prävention ist auch bei digitaler Gewalt unerlässlich. Dabei sind, auf individueller sowie auf Organisationsebene, einige Punkte zu beachten. Allem voran steht hier der Schutz persönlicher Daten. Achten Sie darauf, nur mit Ihrem Diensttelefon und der Dienst-E-Mail-Adresse zu kommunizieren. Geben Sie Ihre private Adresse sowie Telefonnummer nicht im Internet preis. Falls Sie Fragen zu digitaler Sicherheit haben, wenden Sie sich an das ZIM. Weitere Hinweise gibt es außerdem in der Checkliste IT-Sicherheit und Datenschutz. Es ist wichtig, private Social-Media-Accounts auf „privat“ zu stellen und alle Accounts, beruflich sowie privat, mit „Zwei-Faktor-Authentifizierung“ zu sichern. Außerdem besteht die Möglichkeit einer Auskunftssperre für das Melderegister, die formlos oder per Antrag beim zuständigen Bürgeramt beantragt werden kann.

Gegenrede im Netz ist unerlässlich. Auch hier kann schon präventiv gehandelt werden. Suchen Sie sich Solidaritätsnetzwerke, die Sie unterstützen. Denn zusammen fällt die Gegenrede oft leichter. Definieren Sie auf Ihren Kanälen eine Netiquette und machen Sie so schon im Voraus transparent, wann und warum Kommentare und Personen gelöscht oder geblockt werden. So bleiben Sie seriös und glaubwürdig und motivieren eine produktive Diskussion. Als UP-Mitglied können Sie jederzeit auch auf unsere Social-Media-Netiquette verweisen. Sie finden sie unter: https://www.uni-potsdam.de/de/presse/aktuelles/social-media/netiquette. Wenn abfällige, beleidigende oder bedrohende Kommentare kommen, seien Sie vorbereitet. Denn häufig wiederholen sich die Argumentationsmuster. Hierbei können Sie auf Argumentsammlungen wie die der ver.di oder der bukof zurückgreifen oder sich Ihre eigene erstellen.

5. Was muss in einem Notfall getan werden? 

Wenn Sie im Netz angegriffen werden und sich nicht mehr sicher fühlen, wenden Sie sich an scienceaiduni-potsdamde der Universität Potsdam. Hier außerdem einige Handlungsoptionen für den Notfall:

  • Gegenrede ist wichtig! Aktivieren Sie Ihr Solidaritätsnetzwerk und fragen Sie nach Unterstützung. Sie sind nicht alleine! Auch die Universität Potsdam unterstützt Sie. Weiter unten haben wir interne und externe Beratungsstellen aufgeführt.
  • Deaktivieren Sie im schlimmsten Falle und bei Überforderung Ihren Account für ein bis zwei Tage.
  • Machen Sie möglichst sofort rechtssichere Screenshots der Hate Speech. Achten Sie hierbei darauf, dass der Screenshot den Kommentar, den Namen der*des mutmaßlichen Täter*in sowie Uhrzeit und Datum enthält.
  • Sobald private Informationen – wie zum Beispiel die Wohnadresse – öffentlich werden oder Sie bedroht werden, benachrichtigen Sie die Polizei. Sie haben die Möglichkeit, digitalen Hass strafrechtlich anzuzeigen. Strafrechtlich relevante Posts können zum Beispiel Beleidigungen, Verleumdung, üble Nachrede oder Volksverhetzung sein. Eine Anzeige kann online bei der Polizei, ein Strafantrag bei der zuständigen Staatsanwaltschaft gestellt werden. Ein Strafantrag muss spätestens drei Monate nach der Kenntnis der Tat erfolgen und kann nur von der betroffenen Person selbst getätigt werden. Bevor ein Strafantrag gestellt oder Anzeige erstattet wird, ist es empfehlenswert, juristischen Rat einzuholen.

Hass, Hetze und Anfeindungen zu erfahren, ist eine enorme psychische Belastung. Erfahrungen von emotionalen und psychischen Anfeindungen sind mit denen von tätlichen und körperlichen Angriffen vergleichbar und nicht zu unterschätzen. Daher empfiehlt es sich, persönliche psychologische Beratung in Anspruch zu nehmen.

6. Wie handeln bei Trollkommentaren? 

Was sind Trolle?

Trolle sind Nutzer*innen, die gezielt provozieren und damit die Diskussion an sich reißen wollen. Teilweise sind es wenige Accounts, die immer wieder angreifen. Aber es gibt auch ganze „Trollarmeen“, die in großem Umfang und nach bestimmten Mustern stören.

Woran erkennen Sie Trolle?

Trolle erkennt man an:

  • einem wenig persönlichen Profil/anonymem Auftreten: keine Beiträge im Feed, keine nachvollziehbaren Angaben zur Person, fehlendes Profilbild, auf dem man keine Person erkennt
  • ständiger Online-Aktivität
  • nichtendenwollenden, provokanten Kommentaren bzw. Bildposts
  • gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit

Davon zu unterscheiden sind Nutzer*innen, die einen kritischen Kommentar geschrieben haben und offen für eine Diskussion sind. Sie haben als Teil der gewertschätzten Community eine deeskalierende Antwort „verdient“.

 

Wann empfiehlt sich welche Reaktion? – Zwei Strategien

Don‘t feed the troll

Counter Speech

5 Schritte, mit Trollen umzugehen

  1. User*innen-Profil anschauen und entscheiden, ob es sich tatsächlich um einen Troll oder um eine*n Kritiker*in handelt.
  2. Kommentare/Bilder screenshotten und dokumentieren (auch späteren Verlauf von Diskussionen!).
  3. Sich unter Kolleg*innen, im Team oder mit Vertrauensperson beraten, ob Kommentar ignoriert/gelöscht wird oder man sich auf Gegenrede einlassen will; auch um ggf. emotionale Last zu teilen.
  4. Handeln: löschen bzw. Argumente setzen.
  5. Nach überstandener Troll-Begegnung: Learnings aufschreiben (Was lief gut? Was kann man noch besser machen?), Punkt 2 finalisieren, ggf. festhalten von Formulierungen.

7. Wo kann ich mich weiterführend beraten lassen? 

Wenn Sie digitale Gewalt erfahren, können Sie sich an uns wenden: scienceaiduni-potsdamde. Wir verweisen Sie ggf. an geeignete Stellen, wie den im folgenden Abschnitt beschriebenen Scicomm-Support.

Ein hochschulübergreifendes Angebot: Scicomm-Support

Von Angriffen betroffene Wissenschaftler*innen können sich an den Scicomm-Support des Bundesverbandes für Hochschulkommunikation wenden. Seit Juli 2023 unterstützt die Anlaufstelle Wissenschaftler*innen sowie Hochschulkommunikator*innen bei Angriffen und unsachlichen Kommentaren in der Wissenschaftskommunikation. Ihr Ziel ist es, das Wissenschaftssystem und die Resilienz von Forschenden gegen unsachliche Kritik zu stärken. Sie beraten sowohl bei Online- als auch bei Offline-Angriffen. 30 Personen stehen in der Zeit von 7 bis 22 Uhr per Telefon, anonym und vertraulich, zur Verfügung. Auf Wunsch können die Berater*innen von Scicomm-Support sowohl rechtliche als auch psychologische Unterstützung vermitteln und begleiten.

https://scicomm-support.de/

Telefonische Beratung:

0157 923 448 04

7:00 – 22:00 Uhr, 365 Tage im Jahr

Herausgeber*innen:

Universität Potsdam, Koordinationsbüro für Chancengleichheit & Referat für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit