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Geschichte des Jüdischen Friedhofs in Fürstenberg (Oder)

Altes Postamt an der Bahnhofstraße und in Nähe des zerstörten ersten Friedhofs
Photo: Anke Geißler-Grünberg
Altes Postamt an der Bahnhofstraße und in Nähe des zerstörten ersten Friedhofs

Die Geschichte der beiden Friedhöfe der Fürstenberger Juden ist in Vergleich zu ihrer Anwesenheit im Ort relativ jung. Denn bis zu Beginn des 19. Jh. brachten sie ihre Toten ins 35 km entfernte Friedland, wo sich seit 1719 der einzige jüdische Begräbnisplatz der Niederlausitz befand. Mit der Eingliederung der Region in Preußen im Jahr 1815 galt dann aber die Bestimmung des Königlichen Allgemeinen Polizeidepartements vom 20. Mai 1814, wonach jüdische Begräbnisse innerhalb eines Radius von einer Meile [= 7,532 km] – gemessen am Wohnort – zu erfolgen haben.

Infolge der Niederlassungsfreiheit für Juden der Lausitz im Jahr 1821 benötigte die sich in Fürstenberg ansiedelnde jüdische Gemeinschaft auch einen eigenen Friedhof. Aus den Akten des Magistrats ist zu entnehmen, dass sie sich ihren ersten Friedhof 1835 angelegt hatte, und zwar außerhalb der Stadt, hinter dem später errichteten alten Postamt an der Bahnhofstraße: in einer Größe von 54 x 42 Fuß [ca. 20 m x 15,5 m; AGG]. Das Grundstück selbst hatte eine Therese Friedländer als Privatbesitz käuflich erworben, die offenbar in Fürstenberg (Oder) lebte und zur Familie des Gemeindevorstehers Israel Friedländer gehörte.

Fünfundzwanzig Jahre später standen die Fürstenberger Juden allerdings vor einer ersten Herausforderung. Denn „Einheimische und Fremde“ forderten immer lauter die Verlegung dieses Ortes. Seine Lage sei „unpassend“ für die in Planung befindliche Bebauung mit Wohnhäusern, Arbeitsstätten und einer Pflasterung der Bahnhofstraße, die im Rahmen der Anbindung der Stadt an die neue Eisenbahnlinie Berlin-Breslau erforderlich wurde. Allerdings ließen sich ein geltender Kaufvertrag und eine polizeiliche Genehmigung nicht einfach auflösen, weshalb der Friedhof bestehen blieb.

Als „die hiesige jüdische Gemeinde“ [vielmehr Gemeinschaft; AGG] 1874 mit Vorbereitungen für eine Flächenerweiterung begann, wandte sich der Fürstenberger Magistrat erneut an die Regierung in Frankfurt (Oder), um eine schnelle Schließung zu bewirken. 

Unter Anwesenheit des Kaufmanns und Gemeindevorstehers Isidor Baron konstatierte der einbestellte Kreisphysikus Dr. Heyland aus Guben, dass sämtliche Hygienestandards eingehalten würden und dass „die weitere Benutzung desselben so lange statthaft sein, als noch Begräbnisstellen darauf vorhanden sind, jedoch nur unter den Bedingungen, daß 1) auf dem zwischen dem Friedhofe und der Stadt gelegenen freien Platz vor erfolgter Schließung des ersteren nicht noch Wohnhäuser erbaut und 2) daß die nördliche und östliche Seite des Friedhofes mit einer Umfassungsmauer umgeben und dadurch von der Umgebung abgeschlossen werden.“

Im März 1890 war es soweit und die Fläche komplett belegt. Die Fürstenberger Juden mussten ihren Friedhof schließen. 900 Meter entfernt vom alten weihte die Gemeinde 1890 ihren neuen Friedhof: auf einem Grundstück, dass ihnen der Magistrat zuvor geschenkt hatte. Die Fürstenberger Maurer und Zimmermeister-Firma W. Große & Sohn errichtete eine Einfriedungsmauer mit Eingangsbereich.

Von der einst 310 m² großen Anlage ist heute jedoch nichts mehr übrig, sie wurde vielmehr überbaut: infolge der Begradigung der Straße und einer 1925 behördlich festgelegten Baufluchtlinie. Am 1. Juni 1927 sicherte der Fürstenberger Magistrat der Jüdischen Gemeinde schließlich per Vertrag zu, den neuen Friedhof auf Kosten der Stadt um das Doppelte zu erweitern und mit einer ergänzenden Einfriedungsmauer zu versehen sowie, danach sämtliche Toten vom alten zum neuen Friedhof umzubetten. 1932 erfüllte die Stadt ihre Zusage. 

Mit der Zwangsauflösung der Synagogengemeinde Fürstenberg durch NS-Behörden bereits im Jahr 1936 erfolgte die amtsgerichtlich verfügte Zuordnung des Friedhofs zum Eigentum der Synagogengemeinde in Guben. Die kurz zuvor errichtete Friedhofsmauer wurde abgerissen und die Erweiterungsfläche komplett zerstört; eingeebnet wurde der Friedhof aber nicht. Dies hing wahrscheinlich damit zusammen, dass er offenbleiben musste, solange sich Juden in der Stadt aufhielten. Denn die Behörden gingen davon aus, dass es unter den nach Fürstenberg verschleppten polnischen Zwangsarbeitern mit jüdischer Herkunft Todesfälle geben würde. Zwanzig von ihnen starben tatsächlich infolge der extremen körperlichen Ausbeutung. Ob sie aber hier wirklich begraben wurden, muss an anderer Stelle überprüft werden.

1944 folgte die „Arisierung“ des Friedhofs, indem der Bürgermeister das Grundstück dem Brandenburgischen Oberfinanzpräsidenten für 70 Reichsmark „abkaufte“. Hinter diesem Erwerb stand als Ziel eine Wohnbebauung, die es jedoch aufgrund des Kriegsverlaufes ebenso wenig gab wie eine dafür notwendige Änderung im Grundbuch. Bei Kriegsende im Mai 1945 war die inzwischen ausgelöschte Synagogengemeinde zu Fürstenberg weiterhin Eigentümerin des Friedhofs.

Nach Wolfgang Weißleder gab es hier ursprünglich 25 Grabstätten. Durch die erhalten gebliebenen 15 Grabsteine sind aber 20 begrabene Personen namentlich bekannt. Weitere Grabstellen befinden sich demnach im der hinteren Belegungsreihe des Friedhofs. Nach 1945 setzten Shoa-Überlebende der Familie Fellert für ihre Angehörigen einen Gedenkstein, ein Überlebender von Familie Fleischer ergänzte die Namen seiner ermordeten Angehörigen.

Anfang der 1990er Jahre konnte mithilfe eines Förderprogramms der Friedhof wieder in einen würdigen Zustand gebracht werden. Ende Januar 1993 zerstörten Neonazis die gerade zuvor abgeschlossenen Arbeiten, weshalb noch einmal umfangreiche und teure Reparaturen notwendig wurden. Elf Grabsteine mussten wieder aufgerichtet und ein Stein gereinigt werden. Anfang April 1993 kam es zu einer erneuten Schändung. Die Mitarbeiter des gegenüberliegenden kirchlichen Friedhofes übernahmen anschließend die Patenschaft für ihr verwaistes jüdisches Pendant.

Inzwischen wird der Jüdische Friedhof durch die Stadtverwaltung vorbildlich betreut und gepflegt, auch wurde er in die Denkmalliste des Landes Brandenburg aufgenommen. Dennoch hat sich am bereits 2000 beklagten tristen Eindruck der direkten Umgebung nicht wirklich etwas verbessert.

Am 16. September 2024 überfielen Unbekannte den kleinen Friedhof: sie beschmierten mehrere Grabsteine mit silbriger sowie das Schild am Eingang mit schwarzer Farbe. Dies und ein ins Schild geritztes Hakenkreuz entdeckten Jugendliche auf ihrem Schulweg und informierten die Polizei. Der materielle Schaden konnte schnell behoben werden, auch wurde die Presse umgehend informiert. Was bleibt ist, sich weiterhin aktiv für den würdigen Umgang mit der jüdischen Kultur einzusetzen. Es wäre daher sehr zu begrüßen, auch an den beseitigten alten Friedhof an der Bahnhofstraße mit einer Kennzeichnung zu erinnern.

Anke Geißler-Grünberg