Geschichte der Jüdischen Gemeinde in Beelitz
Einen ersten Hinweis auf mögliche Juden in der mittelalterlichen Stadt Beelitz gibt es aus dem Jahr 1247: Der seinerzeitige Brandenburger Bischof Rutger kolportierte die „Wunderblutlegende“, indem er Ablass für all jene Sünder versprach, die der blutenden Hostie Verehrung darreichen. Der Legende zufolge hatten zwei Juden eine Hostie mit Messern derart gestochen, dass diese zu bluten anfing. Eine mit der Beschaffung beauftragte christliche Magd hätte sie anschließend verstecken sollen, wurde hierbei aber enttarnt. Zur Strafe verbrannte man die beiden Männer. Beelitz entwickelte sich nun zu einem Wallfahrtsort und blieb es bis zur Reformation.
Ein Beleg für Juden in der Stadt ist das freilich nicht, vielmehr Ausdruck geschürter Angst vor dem Fremden. Neben religiösen dürften handfeste ökonomische Interessen der Grund gewesen sein, diesem unbedeutenden Landstädtchen durch Tourismus Geld in die Kasse zu spülen.
Dokumentiert ist hingegen, dass 1720 eine mit einem Schutzbrief ausgestattete Jüdin und ihre Kinder mit Ehepartnern in Beelitz leben und im eigenen Haus ihren Gottesdienst durchführen durften. Reichtum hatten sie allerdings nicht. Im gleichen Dokument wird auch der Erwerb eines Grundstücks für einen Friedhof genannt. Als 1731 der preußische König Friedrich Wilhelm I. sein neues Husarenregiment in der Stadt einquartieren ließ, wurde Beelitz Garnisonstadt. Es ist daher wahrscheinlich, dass Beelitzer Juden zum Unterhalt dieser militärischen Einheit und damit zur Entwicklung der städtischen Wirtschaft betrugen.
Erst für 1812, als in Preußen das Emanzipationsedikt die bürgerliche Gleichstellung der Juden auf den Weg brachte, sind 13 jüdische Männer und eine Frau mit ihren Familien in Beelitz verbürgt. Denn wie für eine Geschäftstätigkeit verlangt, änderten sie ihre Namen in eindeutige Vor- und Nachnamen. 1841 erwarb die Jüdische Gemeinde Beelitz ein Grundstück in der Edelstraße 14. Hier errichtete sie ihre Synagoge, die Gottesdienste fanden in Deutsch und Hebräisch statt. Die Gemeinde beschäftigte hierfür einen Kantor, der auch die Funktion des Schächters und Religionslehrers ausübte. Es ist davon auszugehen, dass die 46 Juden der Stadt seine Dienste regelmäßig in Anspruch nahmen, insbesondere die religiöse Bildung der Kinder. Betreut wurde die Gemeinde Beelitz außerdem vom Potsdamer Rabbiner Hermann Schreiber.
1910 musste die Synagoge wegen Baufälligkeit schließen. Zwei Jahre zuvor hatte sich ganz in der Nähe die „Israelitische Erziehungsanstalt für geistig zurückgebliebene Kinder“ unter der Trägerschaft des Jüdischen Gemeindebundes Berlin angesiedelt, die unter Leitung des jungen, aber erfahrenen Pädagogen Sally Bein 70 Kinder und Jugendliche betreute und ausbildete. Diese Einrichtung war nicht nur die einzige ihrer Art in Deutschland, sondern ermöglichte fortan auch den 92 Beelitzer Juden, im Betraum der Anstalt gemeinsame Gottesdienste durchzuführen.
Der Anteil der Juden an der Stadtbevölkerung lag zu diesem Zeitpunkt bei knapp 2%. Mehrheitlich waren sie im Handelsgeschäft tätig. So blieb es auch während der Zeit der Weimarer Republik bis zum Machtantritt Hitlers. Ende 1933 wählten die 109 noch in Beelitz und Umgebung (u.a. Belzig, Caputh, Luckenwalde, Michendorf, Trebbin, Treuenbrietzen) lebenden Juden einen neuen Vorstand ihrer Synagogengemeinde, zu dem auch Sally Bein gehörte und beschlossen ein neues Gemeindestatut. Beide Vorgänge wurden von den NS-Behörden bestätigt.
Das Ziel, Beelitz „judenrein“ zu machen, begann 1935 mit dem Abriss des alten Synagogengebäudes und der Arisierung jüdischer Unternehmen. Persönliche Drohungen nahmen zu, in der Pogromnacht 1938 gingen Schaufenster jüdischer Geschäfte zu Bruch, 1939 folgte die Schließung und Zerstörung des Friedhofes. Im Juni 1942 wurden die noch in der Erziehungsanstalt verbliebenen 30 Kinder und Betreuer zusammen mit Juden aus anderen Städten Brandenburgs nach Osten deportiert. Das Heim wurde in eine Haushaltsschule des „Bundes Deutscher Mädchen“ umgewandelt.
Nach dem Krieg diente der Gebäudekomplex des jüdischen Kinderheims als allgemeines Kinderheim, als Schule für FDJ-Funktionäre und anschließend als Fachschule für die Landwirtschaft. Im Sommer 1991 gründete sich hier ein Gymnasium, das 1997 den Namen „Sally Bein“ erhielt und zugleich eine Gedenktafel einweihte. Bereits 1988 wurde der Friedhof restauriert und eine Gedenktafel angebracht.
Anke Geißler-Grünberg
Quellen und Literatur:
Chronik der Stadt Beelitz und der dazu gehörigen Kolonien Krosshof und Friedrichshof sowie des früheren Vorwerks Rummelsborn; bearbeitet unter Anschluß der vorhandenen Urkunden von Carl Schneider Beelitz, 1888, S. 52.
Wolfgang Stamnitz: Beelitz, in: Irene A. Diekmann (Hrsg.): Jüdisches Brandenburg. Geschichte und Gegenwart, Berlin 2008, S. 12-23.
Wolfgang Weißleder: Der gute Ort. Jüdische Friedhöfe im Land Brandenburg, Potsdam 2000, S. 78f.
Geschichte der jüdischen Gemeinden im deutschen Sprachraum, URL: http://www.jüdische-gemeinden.de/index.php/gemeinden/a-b/358-beelitz-brandenburg.
Spargelstadt Beelitz: Eckpunkte der Stadtgeschichte, URL: beelitz.de/stadtgeschichte/
Nathanja Hüttenmeister und Georg Ilg, Dokumentation des jüdischen Friedhofs Beelitz, URL: www.steinheim-institut.de/cgi-bin/epidat.