Covid-19 als Motor der Verwaltungsdigitalisierung
Die Corona-Krise hat zu einem scheinbar raschen Aufholen eines digitalen Rückstands (eGovernment Monitor 2019) der deutschen Verwaltung geführt.
Ad-hoc wurden Prozesse digitalisiert oder vollkommen neu digital aufgesetzt, etwa die Beantragung Corona-Nothilfen. Auf einmal waren digitale Unterschriften möglich, selbst in einer mir bekannten und sonst eher restriktiven Universitätsverwaltung. Viele Mitarbeiter*innen arbeiteten oder arbeiten noch oder wieder im Home-Office. Hierfür wurden Geräte beschafft und VPN-Verbindungen eingerichtet. Die Interaktion mit Bürger*innen erfolgte zum Teil auf digitalem Wege, auch wenn einige berichten, dass Bürgerämter Anträge am Fenster entgegennahmen und weiter Präsenzarbeit angesagt war.
Technisch wie auch kulturell waren Innovationen möglich, die lange als unmöglich deklariert wurden, etwa Schulclouds, Lehrermailadressen, digitale Unterschriften oder die digitale Beantragung von Unterstützungsleistungen. Obwohl die Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung in den letzten Jahren einen Schwerpunkt der staatlichen Reformvorhaben darstellt, sind bisher nur wenige Umsetzungen und Auswirkungen zu beobachten (Mergel 2019). Das sehen wir besonders am Umsetzungsstand des OZG. Als Ursachen werden rechtliche und technische Probleme, Probleme in der politischen Steuerung, fehlendes Personal und fehlende Kompetenzen des Personals benannt (Fischer et al. 2019). Ressourcenfragen spielen häufig eine geringere Rolle.
Die Corona-Krise scheint in dieser Gemengelage einen institutionellen Schock ausgelöst zu haben, der zu schnelleren Ergebnissen führt als inkrementeller Wandel. Die Verwaltung hat sich hier bei oberflächlicher Betrachtung als erstaunlich anpassungsfähig erwiesen. Dennoch bleibt die Frage: Ist die Digitalisierung der Verwaltung, die wir gerade beobachten, ’nur‘ ein schlechter
digitaler Notbetrieb oder entsteht tatsächlich eine funktionsfähige digitale Verwaltung? Wird dieser Wandel auch nachhaltig sein und zur Veränderung von Routinen führen oder werden aktuelle Innovationen nach Rückgang der Krise wieder abgeschafft?
Erste Antworten liefern einige aktuelle Interviews. Der Bürgermeister von Eschwege etwa erklärt, dass die Kreisstadt die eigenen Ziele für Online-Dienstleistungen durch den Schub der Corona-Pandemie nun schneller erreichen kann. Er betont vor allem die Möglichkeiten der Digitalsierung für die Bürgerbeteiligung und meint, dass über verschiedene mediale Kanäle nun mehr Bürger*innen erreicht und zum Mitgestalten angeregt werden.
Die Stadt Soest hat eine Umfrage unter ihren Mitarbeiter*innen zum Thema Home-Office durchgeführt. Jede*r zweite Mitarbeiter*in der Stadtverwaltung war über die Zeit der Kontaktbeschränkungen hinweg im Home-Office und 83% der Führungskräfte haben Erfahrungen mit Mitarbeiter*innen sammeln können, die von zu Hause aus arbeiten. Einige Mitarbeiter*innen berichten, dass sich ihre Tätigkeit nicht gut für das Arbeiten von zu Hause eignet, nicht nur weil Kund*innenkontakt nötig ist oder die Arbeit im Außendienst stattfindet, sondern auch weil Unterlagen nicht verfügbar sind oder die technische Ausstattung unzureichend ist. Dennoch wünschen sich 86% der befragten Mitarbeiter*innen, dass sie sich auch nach der Corona-Zeit ihren Arbeitsplatz frei wählen können und 61% wollen ihre Arbeitszeiten weiter flexibel gestalten.
Zu dieser Erkenntnis kommt auch eine Studie des Lehrstuhls für Public und Nonprofit Management an der Universität Potsdam. Diese zeigt zum einen, dass die Verwaltung insgesamt lern- und reaktionsfähiger was, als manche denken. Insbesondere im ländlichen Raum wird Home-Office auch als Chance zur Steigerung der Arbeitgeberattraktivität des öffentlichen Sektors gesehen. Obwohl insgesamt ein konstantes Level an Stress berichtet wird, geben doch auch 63% der Befragten an, zu anderen Arbeitszeiten gearbeitet zu haben, um die Arbeit zu schaffen. Auch wird berichtet, dass es schwieriger war persönliche Beziehungen zu Kolleg*innen aufrecht zu erhalten (49% der Befragten). 60% der Befragten geben außerdem an, dass sich ihre Führungskräfte für schnelle Lösungen während des Lockdowns eingesetzt haben.
Insgesamt ist die Bilanz der Corona-Zeit in der Verwaltung also eher positiv. Womöglich sitzen wir hier aber auch einer Verzerrung auf, weil vor allem diejenigen an Befragungen teilnehmen, die gute Erfahrungen gemacht haben.
Wie gemischt das Bild aber auch immer ist, wird erst die Zukunft zeigen, was sich wirklich nachhaltig ändert und wo die Verwaltung wieder in alte Abläufe zurückverfällt.