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Auswirkungen der Corona-Pandemie auf die öffentliche Verwaltung

Ein Beitrag von
Dr. Lisa Schmidthuber, Wirtschaftsuniversität Wien

Im März 2020 wurde die Ausbreitung des COVID-19-Virus von der WHO als Pandemie eingestuft, was eine erhebliche Veränderung für beinahe jede und jeden Einzelne:n zur Folge hatte. Als Reaktion auf die Einschränkung von sozialen Kontakten wurden neue Möglichkeiten geschaffen, um gewohnte Aktivitäten in den digitalen Raum zu verlagern. So prägen virtuelle Meetings, Konferenzbesuche oder Abendveranstaltungen unseren Alltag. Auch die öffentliche Verwaltung kam nicht umher, kreativ zu denken, um den Kontakt zu Bürger:innen halten zu können, Behördenwege trotz Kontaktbeschränkungen weiterhin zu ermöglichen und die Bevölkerung transparent über die Pandemie zu informieren. Neben Sicherheitsvorkehrungen und Abstandsregelungen vor Ort nimmt dabei die Nutzung von moderner Informationstechnologie eine wichtige Rolle ein.

Open Government als Überstützung bei der Pandemiebekämpfung

Bei genauerem Blick auf einzelne Initiativen, die im Laufe der letzten Monate auch in der Not entstanden sind, lässt sich beobachten, dass viele davon den Ideen von Open Government entsprechen – der Leitidee der öffentlichen Verwaltung nach einer offenen, partizipativen und innovativen Verwaltung. Demnach soll eine Öffnung von Verwaltung und Politik gegenüber deren Stakeholdern wie Bürger:innen, Universitäten, Unternehmen oder Non-profit Organisationen das Vertrauen in das politisch-administrative System, die Legitimierung von politischen Entscheidungen und die Effizienz und Effektivität des Verwaltungshandelns verbessern. Veröffentlichung von Verwaltungsdaten, transparente Informationen über öffentliche Leistungen und Entscheidungen, mehr Partizipation der Bürger:innen in Entscheidungsprozessen und eine engere Zusammenarbeit der öffentlichen Entscheidungsträger mit externen Akteuren sollen zur Erreichung dieser Ziele beitragen. Eine intensive Nutzung von moderner Technologie soll dabei ermöglichen, eine größere Gruppe von Personen zu erreichen und Interessierten unabhängig von Zeit und Ort Informationen bereitzustellen und Teilhabe zu erlauben. Im Folgenden werden einige dieser Maßnahmen, die auch den Ideen von Open Government entsprechen, beispielhaft erläutert:

Transparente Informationen über Pandemiegeschehen

Die Pandemie unterstreicht die Bedeutung von freiem Zugang zu Verwaltungsdaten und transparenten Informationen über öffentlichen Entscheidungen. Das betrifft beispielsweise tagesaktuelle Informationen und Echtzeitdaten zu bestätigten Corona-Fällen, zur Auslastung von Intensivbetten oder zu Impffortschritten. Diese Zahlen gelten als Grundlage für politische Entscheidungen und dienen der Wissenschaft als Basis für Untersuchungen. Die Berichterstattung erfordert eine enge Zusammenarbeit von öffentlichen Behörden innerhalb der Länder, aber auch über die Ländergrenzen hinweg, um international vergleichbare Daten für die Beobachtung des globalen Infektionsgeschehens zu erhalten. Dabei werden auch die Herausforderungen in der Informationsbereitstellung sichtbar, wie ein standardisiertes Zählsystem, unterschiedliche Datenquellen und deren Vergleich oder die Verknüpfung von anonymisierten Gesundheitsdaten mit Bevölkerungsstatistiken.

Die Daten können auch für Bürger:innen interessant sein, um sich über die derzeitige Lage zu informieren. Moderne Technologie ermöglicht nicht nur einen raschen Informationsfluss, sondern auch eine verlässliche Informationsbereitstellung in Form eines verständlichen Berichtswesens anstelle einer Informationsüberflutung durch Zahlen. Visualisierungstechniken und interaktive Methoden können dabei unterstützen (z.B. das Dashboard des RKI).

Virtuelle Verwaltung

Auch die Reduktion der Sozialkontakte beeinflusst die tägliche Arbeit der öffentlichen Verwaltung, die von zahlreichen Dienstleistungen im Austausch mit Bürger:innen geprägt ist. So ist der Behördenweg nur eingeschränkt möglich und digitale Alternativen wie die elektronische Kontaktaufnahme, E-Government-Angebote oder Chatbots gewinnen an Bedeutung, um den Zugang der Bürger:innen zum Amt zu gewährleisten. Bürger:innen können sich mit Verwaltungsbediensteten digital austauschen und Amtswege zeit- und ortsungebunden erledigen. Selbst Museen oder Zoos können virtuell erkundet werden und Kunst- und Kulturprogramme werden quasi ins Wohnzimmer hineingetragen.

Zusammenarbeit mit Bürger:innen

Des Weiteren zeigt sich, wie elementar die Zusammenarbeit zwischen Bürger:innen und der Regierung zur erfolgreichen Pandemiebekämpfung sein kann. Vielerorts werden Contact Tracing Apps implementiert, um Kontakte besser nachverfolgen zu können. Da diese Anwendungen jedoch nur sinnvoll sind, wenn eine große Zahl an Personen diese App auch regelmäßig verwendet, ist der Erfolg der Maßnahme von der Teilnahme der Bürger:innen abhängig. Je mehr Personen teilnehmen, desto besser funktioniert diese auch. Das betrifft nicht nur digitale Unterstützungen bei der Kontaktnachverfolgung, im Fall einer Corona-Erkrankung ist auch der analoge Bericht über Kontaktpersonen entscheidend, um Infektionsketten aufdecken und unterbrechen zu können. Die Zusammenarbeit zwischen Bürger:innen und Verwaltung ist dabei ausschlaggebend, um mögliche Ansteckungen zu identifizieren und notwendige Vorkehrungen treffen zu können.

Wissen bündeln, um gesellschaftlichen Herausforderungen zu begegnen

Aber auch Hackathons wie beispielsweise der #WirVSVirusHackathon können durch die Integration von unterschiedliche Wissensquellen und Erfahrungen von Bürger:innen bei der Begegnung von gesellschaftlichen Herausforderungen unterstützen. Dabei können externe Akteure einem offenen Aufruf der deutschen Bundesregierung zur Teilnahme folgen, um gemeinsam innovative Lösungen zu erarbeiten. Im Rahmen des genannten Beteiligungsprozesses ging es speziell darum, kreative Anwendungen und Projekte zu entwerfen, um als Bevölkerung auf die durch COVID-19 verbundenen Herausforderungen zu reagieren. Nicht nur die Bereitschaft der Bürger:innen, sich bei der gemeinschaftlichen Problemlösung zu engagieren, ist hier gefragt, sondern auch deren Expertenwissen und besondere Kenntnisse und Fähigkeiten, um diese Ideen schließlich auch umsetzen zu können.

Organisation von Initiativen über soziale Medien

Die Bereitschaft der Bürger:innen, sich bei der Bekämpfung der Pandemie zu engagieren, sei aber nicht nur auf die Zusammenarbeit mit der öffentlichen Verwaltung und Politik beschränkt. So entstehen eine Reihe von Maßnahmen, die von Bürger:innen selbst initiiert wurden. Über soziale Medien werden beispielsweise Nachbarschaftshilfen organisiert, um Risikogruppen bei der Bewältigung dieses außergewöhnlichen Alltags zu unterstützen.

 

Conclusio

Diese Aktivitäten und Initiativen sollten beispielhaft für eine Reihe von Maßnahmen gelten, die unterschiedliche öffentliche Institutionen in Zusammenarbeit mit Stakeholdern bzw. Bürger:innen selbst entwickelt haben, um auf die Pandemie und die damit verbundenen gesellschaftlichen Herausforderungen zu reagieren. Was können wir nun daraus lernen bzw. was nehmen wir uns für Post-Corona-Zeiten mit?

Erstens zeigt sich die entscheidende Rolle moderner Technologie, um bei gleichzeitiger Reduktion von Sozialkontakten informiert und mit der öffentlichen Verwaltung verbunden zu bleiben. Auch zeigt sich, dass digitale Medien in der Bevölkerung genutzt werden, um sich zu organisieren und auf manche Notsituation schnell reagieren zu können. Gerade mit Blick auf soziale Kontakte werden gleichzeitig jedoch auch die Grenzen von digitalen Technologien deutlich und der Wunsch vieler sich nicht nur im virtuellen Raum auszutauschen. Obwohl es rational erscheint, gewisse Aufgaben, Gespräche oder Diskussionen in den digitalen Raum zu verlagern, um so Zeit und Ressourcen zu sparen, sehnen wir uns alle nach Sozialkontakten und Austausch, ohne dabei auf eine stabile Internetverbindung angewiesen zu sein. So scheint eine gewisse Flexibilität und die Möglichkeit einer „Multi-Channel-Nutzung“ das Schlagwort zu sein, um den für die jeweilige Situation passenden Kanal verwenden und unterschiedliche Bedürfnisse und Lebenssituationen berücksichtigen zu können.

Zweitens wird die Bedeutung einer engen Zusammenarbeit des öffentlichen Sektors mit Bürger:innen deutlich. Unterschiedliche Initiativen wurden und werden gestartet, die auch den Ideen einer offenen, innovativen und partizipativen Verwaltung entsprechen. Wichtig zu betonen ist hierbei, dass die öffentliche Verwaltung zwar eine Einladung zur Teilnahme aussprechen kann, der Erfolg der Initiativen jedoch auch von der Bereitschaft der Bürger:innen abhängt, das Angebot anzunehmen und mit der Verwaltung zusammenzuarbeiten. Diese Zusammenarbeit kann bei vielen gesellschaftlichen Themen vorteilhaft sein, um Wissen zu bündeln und zu einem Ergebnis zu kommen, das wahrscheinlich für alle Beteiligten zufriedenstellender ist. Entscheidend ist hierbei eine Kommunikation auf Augenhöhe und transparente Information darüber, aus welchem Grund Maßnahmen getroffen werden und aus welchem Grund gewisse Vorschläge nicht umgesetzt werden können.

Drittens begreifen viele die eingeschränkten Kontaktmöglichkeiten auch als Chance, der Kreativität freien Lauf zu lassen und neue Wege der Bürgerinteraktion auszuprobieren. Selbst wenn der Umstieg oder die Erweiterung des digitalen Angebots noch nicht erfolgreich umgesetzt wurde, so steigt doch das Bewusstsein über die Notwendigkeit und die Vorteile einer Alternative zum klassischen Behördengang und Verwaltungshandeln – für Bürger:innen und für die Verwaltung. Entscheidend ist aber auch der Mut, etwas Neues auszuprobieren und schnell auf Veränderungen zu reagieren. Auch wenn gewisse Maßnahmen oder Initiativen ausbaufähig sind, ist gegenseitiges Verständnis für begrenzte Ressourcen aller Art angebracht. Gleichzeitig kann bei der Problemlösung und Weiterentwicklung unterstützt werden, um ein Miteinander zu fördern und das kollektive Verantwortungsgefühl zu stärken. Im Sinne von Open Government kann sich dabei das Verständnis der Bürgerin oder des Bürgers vom passiven Konsumenten hin zum (pro-)aktiven Mitgestalter wandeln.

Über die Autorin

Lisa Schmidthuber ist Universitätsassistentin mit Doktorat am Institut für Public Management und Governance der Wirtschaftsuniversität Wien. Ihre Forschungsinteressen umfassen die digitale Transformation des öffentlichen Sektors, Open Government und neue Formen der Bürgerpartizipation.