Sepharad interpretiert: Die Geschichtsschreibung zum jüdischen Spanien und zur Nationalismusdebatte, 1914-1941
Forschungsprojekt von Pablo Bornstein, 2020-2021
Das Projekt untersucht die zeitgenössischen Interessen, die den Umgang spanischer Historiker mit der mittelalterlichen jüdischen Geschichte zu Beginn des 20. Jahrhunderts prägten, aus einer wissenschaftsgeschichtlichen Perspektive. Diese Interessen hatte mit den kulturellen und politischen Gegebenheiten im Spanien dieser Zeit zu tun, deren wichtigste das Verhältnis zwischen Staat und Kirche, die Konstruktion eines national-historischen Narrativs im Rahmen des Nationbuilding-Prozesses, sowie die Anstrengungen zur Überwindung der kulturellen und intellektuellen Krisen in der Folge des spanisch-amerikanischen Krieges von 1898 sind.
Interessanterweise wurde die Beschäftigung mit dem kulturellen "semitischen" Erbe in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts mit einer Bewegung zur Verteidigung des Katholizismus verbunden, die eine "katholische Wissenschaft" gegen die Anfeindungen der Religion seitens naturwissenschaftlich-positivistischer Kreise forderte. Die Verfechter einer "Katholischen Wissenschaft" hoben auf die Vereinbarkeit von Vernunft und Glauben ab und versuchten so, die moderne Debatte zwischen Wissenschaft und Religion mittels einer neoscholastischen Terminologie zu rekonzeptualisieren.
Einige Leitfragen des Projekts könnten folgendermaßen lauten: Welche Rolle spielten zeitgenössische Herausforderungen des sozialen und intellektuellen Lebens in Spanien bei der Herausbildung einer modernen Historiographie, besonders im Hinblick auf die jüdisch-iberische Geschichte? Welche Rolle spielten internationale Verbindungen zwischen Gelehrten, und wie beeinflussten diese die Jüdischen Studien in Spanien? Welche Auswirkungen hatte der Umstand, dass die jüdische Geschichte der Iberischen Halbinsel vornehmlich von Gelehrten konservativer und katholischer Neigungen geschrieben wurde? Welche Verbindungen lassen sich zwischen den Deutungsschemata der iberischen Arabisten und denen der sich entwickelnden historiographischen Forschungen zu den iberischen Juden herstellen? Welche spezifischen Bilder von iberischen Juden entstanden durch diese Entwicklung in den Jüdischen Studien?
Pablo Bornstein studierte Geschichte und Middle Eastern Studies an der Universidad Autónoma de Madrid und an der Universität Tel Aviv, wo er 2019 mit der Promotion abschloss. Er ist Mitglied des Isaac Abravanel Center am Institute of International Politics, Universidad Francisco de Vitoria. In Vorbereitung ist das auf seiner Dissertation beruhende Buch Reclaiming al-Andalus: Orientalist Scholarship and Spanish Nationalism, 1875–1919:
http://www.sussex-academic.com/sa/titles/history/bomstein.htm