Vorbereitung des Auslandsaufenthaltes
Da es sich bei meinem Semester an der Complutense bereits um meinen zweiten Erasmus-Aufenthalt handeln sollte (ich hatte bereits einen im Bachelor hinter mir), könnte man vermuten, dass einem die Vorbereitung und der Umgang mit der ERASMUS-Bürokratie leicht fallen sollte. Das war nicht der Fall, daher vorab die vielleicht teils abschreckende, teils aber auch beruhigende Nachricht: Verwirrung und hin-und-her bei der Vorbereitung des Auslandssemesters sind ganz normal und legen sich mit der Zeit, also: nicht abschrecken lassen. Nachdem etwa der Bewerbungsprozess an der Uni Potsdam trotz Corona noch recht reibungslos lief (an dieser Stelle noch mal Danke an die Fachstudienberatung und das Erasmus-Office, die in telefonischen und Zoom-Sprechstunden sehr freundlich und hilfsbereit waren), folgte nach der Nominierung die Anmeldung an der Complutense. Eines der Probleme hierbei war nur, dass die Deadline für die Anmeldung schon weit vor dem Zeitpunkt lag, bevor die Kurse für das kommende Semester überhaupt geplant waren – witzigerweise genau das gleiche war mir bereits bei meinem letzten Aufenthalt passiert. Das ist jedoch kein Problem – man kann sich einfach am letzten Jahr orientieren (und auch so Kurse angeben, die es gar nicht mehr gibt), aber dann die Auswahl nach der erfolgreichen Bewerbung ändern.
Studium an der Gastuniversität
Der politikwissenschaftlichen Fakultät an der Complutense, an der ich mein Erasmus-Semester verbracht habe, eilt ein gewisser Ruf voraus – es hat nicht ohne Grund der linke spanische Politiker Pablo Iglesias studiert und doziert. Auf ein gewisses Studienklima (d.h. regelmäßige Streiks und Demos, entsprechende Orientierung der überwiegenden Mehrheit der Studierenden, anarcho-kommunistische Sprüche und Plakate an allen Wänden) sollte man gefasst sein. Im Unterschied zu vielen deutschen Unis waren Dozenten auch nicht unbedingt zurückhaltend mit ihrer politischen Meinung, sondern vertraten diese mitunter sehr entschieden. Die Fakultät liegt etwas außerhalb von Madrid und nicht innerhalb der „Ciudad Universitaria“, ist allerdings mit dem Bus vom Stadtgebiet in ca. 30 Minuten zu erreichen. Allgemein waren die Studierenden und Dozenten sehr freundlich und hilfreich, auch wenn Betreuungsangebote eher wenig vorhanden waren und auch aktiv kaum beworben wurden. Die Anfangsphase gestaltete sich etwas chaotisch, da auch so gut wie keine Einführungsveranstaltungen oder Orientierungsangebote seitens der Universität angeboten wurden (abgesehen von dem Erasmus-Studenten-Netzwerk ESN, welches sich aber eher auf das soziale und Freizeitangebote konzentriert). Nichtsdestotrotz konnte man sich aber gerade im Austausch mit anderen Erasmus-Studierenden irgendwann zurechtfinden. Das Studium gestaltete sich bei mir ausschließlich in Seminaren, die aber teilweise recht gut besucht waren – regelmäßige Gruppengröße waren um die 20-30 Personen, in einzelnen Veranstaltungen allerdings manchmal auch weniger. Herausfordernd war die Dauer der Seminare, die stets 3 Stunden betrug, manchmal sogar ohne Pause. Je nach Dozent gestaltete sich das Seminar manchmal als 3-stündiger (fast-) Monolog, manchmal als Diskussion, manchmal mit Gruppenarbeiten und mit Präsentationen. In der Regel war der Seminarplan allerdings recht unstrukturiert, es kam so gut wie gar nicht vor, dass Dozenten für konkrete Veranstaltungen Pflichtlektüre o.ä. definierten; die thematische Strukturierung der Veranstaltungen im Vorfeld variierte auch stark. Sprachlich war es mitunter eine Herausforderung, Dozenten/Kommilitonen zu verstehen, da die Seminare ausschließlich auf Spanisch und coronabedingt zwar in Präsenz, aber mit Maskenpflicht stattfanden. Die Ansprüche waren vor allem quantitativ recht hoch: In jedem besuchten Seminar mussten mindestens 1, manchmal auch 2 Hausarbeiten eingereicht werden; zusätzlich kamen mitunter noch Präsentationen oder andere Gruppenarbeiten hinzu. Auch das hing jedoch stark vom jeweiligen Dozenten ab. Leider fällt es im Erasmus-Studium oft schwer, Kontakte zu einheimischen Studierenden zu knüpfen, da man sich oft sehr in seiner „Internationals-Bubble“ aufhält, da für diese oft gesonderte Veranstaltungen und Freizeitangebote gestaltet werden. Außerdem ist man in derselben Situation und tauscht sich deshalb eher untereinander aus. Auch ist die Sprachbarriere oft kleiner, da Spanier*innen oft nicht ganz so gutes Englisch sprechen und man, wenn viele internationale Studierende in einer Gruppe sind, oft schnell in die Versuchung gerät, darauf zu wechseln. Dinge wie Sprachcafés, Gruppenarbeiten und Sport helfen gut dabei, auch einheimische Studierende kennenzulernen. Auch Parties auf dem Gelände der Fakultät oder das Einladen von einheimischen Studierenden auf Parties, wo eher nur andere internationale Studierende dabei sind, ist sehr empfehlenswert.
Sprachkompetenz vor und nach dem Auslandsaufenthalt
Eine Weile vor Semesterbeginn habe ich mein DELE B2-Zertifikat gemacht und davor schon einige Sprachkurse an der Uni belegt. Das war auch bitter nötig: Gute Sprachkenntnisse sind an der Complutense elementar, da so gut wie alles ausschließlich auf Spanisch stattfindet. Auch ein Großteil der Fachliteratur ist spanischsprachig. Es ist etwas schwer einzuschätzen, wie sich meine Sprachkompetenz entwickelt hat, da das natürlich ein schleichender Prozess ist, aber ich habe schon das Gefühl, dass ich in einer spanischen Konversation nach meiner Rückkehr deutlich selbstbewusster auftreten kann und weniger stocke. Auch das Verstehen ist einfacher geworden, denn während der Seminare kostet es sehr viel Energie, aufmerksam zuzuhören: Bei mir war wirklich konstant 100% aktiver Fokus notwendig, um dabei zu bleiben – das ist sehr anstrengend, aber ein gutes Training. Die Complutense bietet für Erasmus-Studierende zu Semesterbeginn auch kostenlose Sprachkurse an, allerdings nur für ein maximales Sprachniveau unter C1/B2. Auch wenn man dieses Niveau bereits erreicht hat oder kurz davor ist, lohnt es sich daran teilzunehmen (und sich bei der Einstufung ggf. etwas dumm zu stellen), da man damit erzwungenermaßen regelmäßige Sprachpraxis auch vor Beginn der Veranstaltungen und außerhalb der Uni hat.
Wohn- und Lebenssituation
Ich bin ca. 1 ½ Wochen vor Semesterbeginn nach Madrid gefahren und habe mir zunächst für zwei Wochen eine Unterkunft bei AirBnB gesucht, um die Lage vor Ort einzuschätzen. Ein Großteil der Wohnungs-/Zimmervermietungen, gerade für Studierende, läuft über Vermittlungsportale, bei denen es eine Vielzahl gibt. Diese verlangen mitunter Kommission für die Vermittlung, bieten aber recht zuverlässigen Service und einen konkreten Ansprechpartner an. Es ist allerdings bei vielen von diesen Anbietern nicht möglich, die Wohnung vorher zu besichtigen – das sollte man immer konkret noch einmal nachfragen. Viele Zimmer gerade im Stadtzentrum sind sehr klein, nicht sehr komfortabel und haben mitunter sogar keine Fenster. Ich habe ein WG-Zimmer bei https://www.aluni.net/ gefunden und war damit recht zufrieden, auch wenn der Preis mit insgesamt (inkl. Strom, WLAN, Heizung) ca. 540€ recht hoch war – dafür war die Lage direkt am Centro Cultural Conde Duque phänomenal. Alternativ gibt es die Plattform https://www.idealista.com/, wo idR. Vermieter direkt Angebote vermitteln – hier muss man allerdings ein bisschen aufpassen, da es keine Garantien seitens des Portals gibt. Generell muss man mit ähnlichen Preisen für WG-Zimmer wie in Berlin rechnen, es sei denn man sucht sich etwas weiter außerhalb und nimmt damit längere Fahrzeiten in Kauf – Metro und Bus sind allerdings sehr gut ausgebaut. Für alle unter 26 Jahren gibt es für 20€ im Monat eine Karte, die für das gesamte Verkehrsnetz der Comunidad Madrid (und damit selbst bis nach Toledo!) gilt – das ist unverzichtbar (https://www.comunidad.madrid/servicios/transporte/abono-joven-todo-madrid-tu-alcance). ESN organisiert sehr viele Freizeitangebote und Reisen und ist generell ein sehr hilfsbereiter, wenn auch manchmal etwas überforderter Ansprechpartner. Auch manche Wohnungsvermittlungsportale organisieren Freizeitangebote. Es lohnt sich außerdem sehr, zu Beginn des Semesters einmal auf Facebook/Instagram nach Gruppen und eventuellen Links zu WhatsApp-Gruppen für Erasmus-Studierende des entsprechenden Jahrgangs zu suchen (gerade auf den Seiten von ESN), da vieles darüber läuft – neben Freizeit auch Wohnungsangebote. Das sollte man auch zeitig tun, denn viele dieser Gruppen sind schnell voll. Ansonsten bietet Madrid aber auch von sich aus genug zu tun an, wenn man sich ein bisschen umschaut. Auch Ausflüge in umliegende Städte wie Toledo, Segovia, Ávila und weitere lohnen sich sehr.
Studienfach: Politikwissenschaft (M.A.)
Aufenthaltsdauer: 09/2021 - 02/2022
Gastuniversität:Universidad Complutense de Madrid
Gastland:Spanien
Rückblick
Alles in allem kann ich Madrid auf jeden Fall empfehlen, es ist eine tolle Stadt, die Spanier sind super nett und gastfreundlich, wissen wie man Spaß hat und freuen sich wenn man Spanisch lernt. Gleichzeitig ist es auch eine sehr internationale Stadt, in der man gerade an den Unis Menschen aus aller Welt kennenlernen kann. Man darf sich von dem leichten organisatorischen Chaos an der Uni nicht verrücktmachen lassen – das legt sich! Wenn man es nimmt, wie es kommt, lebt man sich auch sehr schnell ein. Ohne Corona wird es bestimmt noch besser.