Vorbereitung des Auslandsaufenthaltes
Lange hatte ich überlegt: Soll ich ein Auslandssemester machen oder nicht?
Die letztendliche Entscheidung mich zu bewerben, war dann doch sehr spontan und resultierte vor allem daraus, dass mein damaliger Freund für ein Jahr ins Ausland gehen wollte. Ich hatte mich ehrlich gesagt vor allem seinetwegen gegen ein Studium im Ausland entschieden und so nahm er mir meinen einzigen Grund es nicht zu tun. Die Bewerbungsfristen waren zwar schon vorbei, aber glücklicherweise bekam ich noch einen Restplatz zugeteilt und dann ging alles sehr, sehr schnell. Im Feburar hatte ich die Zusage aus Potsdam, im April musste ich mich bei der Gastuni bewerben, im Mai bekam ich dann auch aus Schweden die Zusage. Jetzt begann eigentlich erst der Stress. Ich musste mir eine Wohnung suchen und gleichzeitig einen Untermieter für meine Wohnung in Potsdam, wieder nach Dresden ziehen, mit meiner Familie noch in den Urlaub fahren und dann ging es los.
Anreise, Beginn, Ankommen
Am 20. August 2019 stieg ich 5:30 Uhr am Dresdner Hauptbahnhof in den Zug. Fliegen wollte ich nicht, nach Lund ist es ja auch nicht ganz so weit. 12 Stunden später, nach drei verschiedenen Zügen, einer Fährfahrt, einer Busfahrt und dann wieder einer Zugfahrt kam ich dann endlich in Lund an. Im Zug hatte ich bereits ein paar andere Deutsche getroffen, die auch irgendwo in Schweden irgendwas studieren. Vom Bahnhof wurden wir mit verschiedenen Autos abgeholt und dann direkt zur Anmeldung gebracht, wo wir eine unsagbare Fülle an Flyern und Informationen bekamen. Dann nur noch zur Unterkunft und dann endlich schlafen. Es war stressig und es war wunderschön. All die vielen internationalen Studierenden zu sehen, die aus aller Welt an einem einzigen kleinen Ort zusammen kamen...unbeschreiblich.
Die zwei darauf folgenden Wochen rannte ich von Veranstaltung zu Veranstaltung, lernte 1000 neue Leute kennen und sah sie nie wieder, bekam unglaublich viele Informationen über Land und Leute, die Universität, das Studentenleben...
Jeder der internationalen Studierenden war einer Mentorengruppe zugeteilt, mit denen man dann an allen möglichen Aktivitäten teilnehmen konnte. Sei es ein Sporttag im Stadtpark oder eine Schnitzeljagd durch ganz Lund. Einen Schwedischeinführungskurs belegte ich auch, um schon einmal die Sprache ein bisschen zu lernen und auch sonst einen kleinen Eindruck zu bekommen. Abgeschlossen wurden die zwei Orientierungswochen von einer Willkommens-Party in einem viel zu kleinen Raum, in dem am Anfang viel zu wenige Leute waren. Und dann ging es los: Das Studium.
Das Studium
Studieren in Lund ist ganz anders als ich es bisher in Potsdam erlebt habe, zumindest an der Humanwissenschaftlichen Fakultät. Es gibt im Semester zwei Perioden, zu denen man seine Kurse belegt. Es gibt entweder 15 oder 7.5 Leistungspunkte für einen Kurs, das heißt, dass man pro Periode nur einen oder zwei Kurse belegt, um dann am Ende auf die erforderlichen 30 Leistungspunkte zu kommen. Die erste Periode endet Ende Oktober, die zweite dann Mitte Januar. Es gibt also zwei Prüfungsphasen mit allerdings weniger Prüfungen. Ein weiterer Unterschied: Man beginnt mit seinen ganzen Hausarbeiten und Abgaben bereits während der Vorlesungen. Das ist einfach Teil davon und macht es dann am Ende natürlich auch leichter, seine Hausarbeiten fertig zu bekommen und nicht noch mit ins neue Semester zu nehmen.
Pro Kurs hat man, je nach Umfang, zwei bis vier Vorlesungen pro Woche. Dadurch hat man am Anfang das Gefühl, man hätte sehr viel Freizeit. Allerdings gibt es viel mehr Aufgaben, Gruppenarbeiten und Literatur, die man in dieser Zeit erledigen muss. Mir hat es sehr gut gefallen, dass ich mir meine Zeit selbst so frei einteilen konnte. Andere Studierende hatten deutlich mehr Probleme damit, weil sie das, was getan werden musste, erstmal aufschoben und es dann nicht mehr schafften.
Studentenleben in Lund - Ganz speziell
Natürlich gibt es während so eines Auslandssemesters mehr als nur das bloße Studium. Das allein macht zwar schon Spaß und ist auf jeden Fall interessant, aber was wäre ein Studium ohne das richtige Studentenleben? Lund bietet da auf sehr vielfältige Weise die Möglichkeit, mit anderen Studierenden in Kontakt zu kommen, sich zu engagieren, Dinge auszuprobieren und so noch viel viel mehr über sich selbst zu lernen.
Herzstück des ganzen Studentenlebens in Lund, würde ich zumindest so bezeichnen, sind die sogenannten "Nationen". Nach verschiedenen Städten oder Regionen vor allem im Süden Schwedens benannt, finden sich insgesamt über 15 verschiedene Nationen in Lund. Doch was ist das? So ganz klar ist es mir immer noch nicht geworden, obwohl ich wirklich sehr tief in diesen Bereich des Studentenlebens eingetaucht bin. Man könnte sie als unpolitische Studentenvereinigungen bezeichnen. Dabei sind sie demokratisch aufgebaut mit einem Qurator als Kopf und mehreren Proquratoren als eine Art Regierung. Jede Nation hat ihr eigenes Haus in Lund und lädt in dieses während der Woche und am Wochenende zu den verschiedensten Veranstaltungen ein. Mittagessen, Brunch, Pubs, Clubs, Studiumcafes, Spieleabende, Späxx (Theater), Sittnings (feines 3-Gänge-Menü, bei dem viel gesungen und getrunken wird), Bälle und so weiter. Damit bietet sich jeden Tag eine Fülle an Möglichkeiten, was man alles machen kann. Teilnehmen kann man an diesem ganzen Spektakel erst, wenn man selbst Studentlund-Mitglied ist, seinen Beitrag von 300 Kronen (=ca 30 Euro) bezahlt hat und einer Nation nach Wunsch beigetreten ist. Mit dem Beitritt in eine Nation bietet sich einem eine unglaubliche Vielfalt an Möglichkeiten. Für alle Events, die die Nationen so veranstalten, werden natürlich auch Freiwillige gesucht, die dann jede einzelne Veranstaltung einzigartig machen. Ich selbst bin natürlich auch einer Nation beigetreten, habe so viel gearbeitet, wie möglich und dadurch unglaublich viele vor allem schwedische Menschen kennengelernt, was an der sehr internationalen Lund Universität nicht so ganz einfach ist.
Neben den Nationen gibt es natürlich auch noch andere Möglichkeiten, aktiv zu werden. Zum Beispiel bei den sogenannten Student Unionen. Da gibt es alles von einer Theatergruppe bis hin zu einem Debattierclub.
Weiterhin gibt es natürlich gerade für internationale Studierende viele Angebote vom International Desk. Einmal pro Woche gibt es beispielsweise einen Spieleabend und ein Sprachcafé, bei dem man sein Schwedisch üben kann.
Generell ist in Lund durch die Vielzahl an Studierenden eine Menge los - gerade während des Semesters.
Wichtig dabei: Ein Facebook-Account, denn es gibt fast keine Veranstaltung, die nicht auf Facebook zu finden wäre und man kann viel verpassen, wenn man dort nicht wenigstens ab und zu mal reinschaut.
Reisen
Natürlich habe ich meine Zeit in Schweden nicht nur in Lund verbracht - auch, wenn es genug zu tun gegeben hätte.
Ich war vor allem im Süden unterwegs. Ein Besuch in Kopenhagen, in Malmö und in Helsingborg (vor allem die dänische Seite Helsingør ist sehr hübsch) ist auf jeden Fall zu empfehlen. Falls man es noch nördlicher bis nach Göteborg schafft, ist auch das auf jeden Fall eine Reise wert. Auch Oslo soll sehr schön sein, dafür fehlte mir dann aber doch die Zeit, denn wie bei jedem Abenteuer verfliegt die Zeit einfach viel zu schnell.
Eine sehr gute Empfehlung ist es, mit dem Zug nach Trelleborg zu fahren (Trelleborg ist nicht so hübsch, aber kann man sich auch anschauen), um dann von dort den Bus nach Ystad zu nehmen. Die Busfahrt dauert ungefähr eine Stunde und kann gern durch einen kleinen Besuch in Smygehuk unterbrochen werden. Dabei handelt es sich um den südlichsten Punkt Schwedens. Bis auf das südlichste Café Schwedens gibt es da aber dann auch nicht zu sehen. Weiter geht es dann nach Ystad, ein sehr hübsches kleines Städtchen. Wenn man dann noch nicht genug hat, kann man noch weiter bis Simrishamn fahren und dann von dort den Bus zurück nach Lund nehmen.
Falls es noch warm ist, ist ein Ausflug nach Lomma auch sehr schön. Dort kann man dann noch ein bisschen in der Ostsee baden und die Sonne genießen. Ansonsten gibt es in und um Lund kleinere und größere Sehenswürdigkeiten, die man während des Semesters erkunden kann.
Wohn- und Lebenssituation
In Lund eine Wohnung zu finden ist gar nicht mal so leicht, zumal es sehr viele internationale Studierende aus Australien, Asien und Amerika gibt, die bei der Wohnheimplatzvergabe bevorzugt werden. Wenn man sich frühzeitig kümmert, geht es allerdings. Ansonsten findet man auch in den umliegenden Dörfern schnell und leicht eine Wohnstätte, meist bei älteren Leuten, die einem dann ein Zimmer vermieten.
So erging es auch mir. Es war nicht so, dass ich mich zu spät gekümmert hätte, aber mir waren erstens die Unterkünfte in Lund direkt zu teuer und es war mir auch zu unsicher, noch länger zu warten, nachdem ich etwas gefunden hatte.
So wohnte ich 10km von Lund in einem kleinen Dorf namens Dalby. Bis dorthin braucht man mit einem Bus vom Stadtzentrum ca 20-25 Minuten, was sehr in Ordnung ist. Bis zur Universität dauert es sogar nur 12 Minuten. Dalby ist ein ziemlich ruhiges Dorf, umgeben von schöner Natur und einem Nationalpark.
Einziges Problem, das sich während meiner Zeit in Lund ergab: der letzte Bus fährt unter der Woche 23:43 Uhr vom Hauptbahnhof und am Wochenende 1:43 Uhr. Das mag dem Einen oder Anderen auch reichen und mir war es auch oft lieb, dass ich gezwungenermaßen dann doch nicht ganz so spät zu Hause war. Allerdings verpasste ich einmal, nachdem ich in der Nation gearbeitet hatte, den letzten Bus. Freunde anrufen und zu bitten, bei ihnen schlafen zu dürfen, wollte ich nachts um 3 nicht. Also beschloss ich kurzerhand, den Weg zu Fuß zurück zu legen. Nach knapp 2 Stunden war ich dann auch in Dalby angekommen.
Was lernt man daraus? Entweder nicht so lang unterwegs sein oder sich ein Fahrrad anschaffen, mit dem man zur Not nach Hause fahren kann. Das würde zumindest schneller gehen. Apropos Fahrrad: Es ist generell sinnvoll, sich in Lund mit dem Fahrrad fortzubewegen. Oft ist man schneller, als mit dem Bus und es gibt auch viele Läden, in denen preiswerte Second-Hand-Räder verkauft werden. Allerdings ist Vorsicht geboten, sich auch gleich ein vernünftiges Fahrradschloss zuzulegen, da Fahrraddiebstahl das am meisten begangene Verbrechen in Lund ist.
Wo wir gerade bei Tipps sind: Es ist sehr sinnvoll, immer eine Kreditkarte dabei zu haben, da man nicht überall mit Bargeld bezahlen kann. Umgekehrt ist es trotzdem gut, immer ein bisschen Bargeld dabei zu haben, da ich auch nicht immer nur mit Kreditkarte zahlen konnte. Allerdings ist das eher seltener der Fall.
Studienfach: Linguistik
Aufenthaltsdauer: 08/2019 - 01/2020
Gastuniversität: Lunds Universitet
Gastland:Schweden
Rückblick
Rückblickend kann ich sagen, dass dieses letzte halbe Jahr eine besonders wichtige und intensive Zeit für mich war. Ich habe so viel neues gelernt und so viele Menschen aus so vielen unterschiedlichen Ländern kennengelernt, dass es mich eigentlich eher traurig, als froh macht, da ich die meisten von ihnen vermutlich nie wieder sehen werde. Und trotzdem bin ich unglaublich glücklich, dass ich mich dazu entschieden habe, im Ausland zu studieren und es einfach mal zu wagen. Ich kann nur jedem sagen, der noch am Überlegen und Zweifeln ist: Ja, es ist beängstigend. Aber gerade durch ERASMUS+ ist es so viel einfacher, billiger und entspannter, ins Ausland zu gehen. Das Meiste wird schon von irgend jemand anderem organisiert. Das Einzige, was man braucht, ist eine Wohnung und die findet sich meist schneller, als gedacht.
In einem Auslandssemester macht man Erfahrungen, die man nie wieder machen kann. Man lernt, sieht und erlebt so viel Neues und Einzigartiges. Natürlich vermisst man auch seine Freunde, seine Familie, seine Kontakte. Allerdings ist ein halbes Jahr auch unglaublich schnell um, sodass man dann neue Freunde und neue Kontakte gefunden hat, die man dann vermissen kann.
Mir fiel der Abschied von Schweden fast schon schwerer, als der Abschied in Deutschland und ich habe mir auch schon fest vorgenommen, wieder herzufahren, wenn irgendetwas größeres in Lund ansteht.
Es bietet sich einem einfach die Möglichkeit, ein Land von einer Seite und in einer Intensität kennen und lieben zu lernen, die sich bei einer normalen Durchreise oder bei einem kurzen Urlaub nicht ergibt und das ist ein einmaliges Geschenk.